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7. November 2022
Wir brauchen kluge, expansive Finanzpolitik

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Wir brauchen kluge, expansive Finanzpolitik

Wenn die Inflation größtenteils importiert ist, können aber weder Politik noch die Notenbanken viel daran ändern, oder?

Traditionell sind in erster Linie die Zentralbanken dafür verantwortlich, Preisstabilität zu gewährleisten. Das kann die EZB aber im Augenblick nicht – in den USA ist die Situation übrigens komplett anders gelagert. Gegen eine importierte Inflation kann die Zentralbank nichts machen. Egal, ob die Zinsen jetzt bei 1,25%, bei 5% oder 10% liegen – das wird kaum etwas ändern. Im Augenblick ist es noch wichtiger als sonst, dass die Finanzpolitik und die Geldpolitik eng kooperieren. Und das bedeutet vor allem, dass wir jetzt eine expa­nsive Finanzpolitik brauchen, um eine noch tiefere Rezession zu verhindern. Insbesondere Menschen mit geringem Einkommen benötigen Unterstützung, damit sie ihren Konsum aufrechterhalten können. Unternehmen benötigen Unterstützung, um ihre Investitionen nicht komplett einbrechen zu lassen. Und einzelne Maßnahmen sind auch in der Lage, die Inflation effektiv zu senken. Im Falle des Gaspreisdeckels zum Beispiel rechnen wir beim DIW damit, dass allein diese Maßnahme bis zu zwei Prozentpunkte weniger Inflation bewirken wird.

Wie das?

Weil die Gaspreise eben auch in vielen anderen Leistungen stecken – vom Bäckerbrötchen bis zum beheizten Ladengeschäft. So gesehen ist es im Augenblick hauptsächlich die Finanzpolitik, die mit klugen Maßnahmen wirtschaftlich stabilisieren und Inflation reduzieren kann.

Die EZB hat also keinen Hebel, die importierte Inflation zu begrenzen. Sind die Leitzinsanhebungen dann überhaupt sinnvoll oder ist das nur Symbolik?

Nein, das ist nicht nur Symbolik. Es ist richtig, was die EZB macht, denn es geht nicht darum, die Inflation in den nächsten 12 bis 18 Monaten massiv zu verändern. Das kann die EZB gar nicht. Es geht vielmehr darum zu versichern, dass die EZB nach Abklingen dieses Preisschocks möglichst schnell wieder zum Ziel der Preisstabilität zurückkehrt. Es geht also in erster Linie darum, dass die Inflationserwartungen der Unternehmen, der Beschäftigten und der Gewerkschaften niedrig bleiben. Gingen die Menschen davon aus, dass nun jedes Jahr 10% Inflation zu erwarten sind, müssten die Unternehmen ihre Preise stärker anheben und die Gewerkschaften und Beschäftigten würden ihre Lohnforderungen deutlich erhöhen. Und dann wäre es für die EZB viel schwieriger, wieder zur Zielinflationsrate von 2% und somit zur Preisstabilität zurückzukehren. Gleichzeitig will die EZB diese Rezession aber nicht noch weiter verschärfen, indem sie die Zinsen zu schnell und zu stark erhöht.

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Ein Interview mit
Prof. Marcel Fratzscher, Ph.D