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24. Oktober 2022
Wird auf den Kryptowinter wieder ein Frühling folgen?
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Wird auf den Kryptowinter wieder ein Frühling folgen?

Nach einem lang anhaltenden Höhenflug sind Kryptowährungen in diesem Jahr tief gefallen. War das der Anfang vom Ende oder nur das tiefe Luftholen vor dem nächsten technologischen Sprung? Und für welche Einsatzzwecke ist die Blockchain noch geeignet? Antworten liefert Maik Jordt von Chainalysis.

Herr Jordt, in diesem Jahr gingen nahezu alle relevanten Kryptowährungen auf Talfahrt. Immer wieder ist auch vom Kryptowinter die Rede. Ist das der Anfang vom Ende der Asset-Klasse?

Wie in der Natur auch, folgt auch bei Kryptowährungen auf den Winter wieder ein Frühling. Denn gerade die führenden Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether haben eine bereits recht hohe Akzeptanz und Reichweite. Hunderte Millionen Menschen nutzen diese Asset-Klasse bereits und trotz der momentanen Abkühlung wachsen diese Zahlen weiter.

Die aktuellen Kryptokurse spiegeln, wie andere Assetklassen auch, die derzeitige makroökonomische Lage und die politische Situation wider. Wir sehen auch eine gewisse Kopplung der Kursschwankungen von Bitcoin an führende Tech-Aktien. Die davor exorbitant hohen Kurse waren wiederum das Resultat eines sehr gehypten und überhitzten Marktes. Im Moment nehmen wir eher eine Seitwärtsbewegung in den Kursen wahr.

Im Blockchain-Technologie-Bereich haben wir generell in den letzten Jahren verschiedene Schwankungen erlebt, meistens haben Krisen oder Tiefpunkte wichtige Innovationen hervorgebracht. Bestes Beispiel dafür sind NFTs, die seit dem Bitcoin-Crash-Jahr 2017 extrem erfolgreich und weit verbreitet sind.

Welche Kryptowährungen werden Ihrer Meinung nach bestehen können?

Dies ist von verschiedenen Faktoren wie Akzeptanz, Reichweite und Anwendungsfall abhängig. Auch ihre jeweilige Sicherheit und Stabilität wird über den Bestand einer Kryptowährung maßgeblich mitentscheiden. In den heutigen Märkten reicht es nicht mehr nur aus, eine Kryptowährung zu emittieren, sondern diese muss sich auch von bereits bestehenden Kryptowährungen differenzieren. Bei den vielseitigen DeFi Anwendungsfällen sind Kryptowährungen lediglich ein – wenn auch wichtiges – Puzzlesteinchen eines ganzheitlichen Serviceangebotes. So ist es nicht die Kryptowährung alleine, die über den Fortbestand entscheidet, sondern die Kunden-Akzeptanz von und die Nachfrage nach den jeweiligen Services.

Die Kryptowährung mit der zweithöchsten Marktkapitalisierung, Ether, hat vor Kurzem auf ein neues Verfahren umgestellt. Dieser Prozess ging als „The Merge“ durch die Presse. Erklären Sie doch bitte kurz, was da passiert ist?

Die Ethereum-Blockchain hat ihren Konsens-Mechanismus von Proof-of-Work (PoW) auf Proof-of-Stake (PoS) umgestellt. Bei PoS wird von den sogenannten Validierern die native Kryptowährung der Blockchain eingesetzt, indem sie an einen Smart Contract gesendet wird. Dort bleibt sie zunächst gesperrt. Ein Validierer wird dann nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um jeden neuen Block zu bestätigen und die damit verbundene Belohnung zu erhalten. Im Fall von Ethereum müssen die Validierer 32 Ether einsetzen, um in diesem Prozess berücksichtigt zu werden und die Chance auf die Belohnung zu bekommen. Nutzer können aber auch mit einem geringeren Einsatz diese Belohnungen erhalten, indem sie einem Staking-Pool beitreten.

Beim PoW-Konsens-Mechanismus müssen die Miner ein Computer-Rätsel lösen, um bei der Validierung neuer Blöcke berücksichtigt zu werden. Dabei werden große Mengen an Rechenleistung und Strom verbraucht. PoS benötigt diese Rechenleistung nicht und ist dementsprechend deutlich umweltfreundlicher. Abgesehen von der Umweltfreundlichkeit glauben viele, dass der Wechsel zu PoS das Risiko einer übermäßigen Zentralisierung verringern kann, da die Rolle des Validierers jedem offen steht, der über ausreichend Ether verfügt und nicht nur denjenigen, die über eine teure Mining-Ausrüstung verfügen.

Bringt dieses „Proof of Stake“-Verfahren auch Nachteile mit sich?

Es gab und gibt zu den Vor- und Nachteilen beider Mechanismen einen sehr philosophisch geführten Diskurs. Insbesondere die Verfechter von PoW unterstellen PoS einen größeren Angriffsvektor und die Möglichkeit der Manipulierbarkeit. Wir als Blockchain-Analytics Company setzen hierbei keinerlei Präferenz und beteiligen uns nicht an einer Bewertung dieser Mechanismen.

Im August haben BlackRock und Coinbase eine Kooperation verkündet. Welche Bedeutung hat das Bekenntnis des größten Vermögensverwalters der Welt zu Cryptos für den Markt?

Es zeigt deutlich, wie wichtig diese Assetklasse bereits für viele führende Finanzdienstleister geworden ist, da deren Kunden Kryptowährungen mittlerweile aktiv nachfragen. Wenn Finanzdienstleister die Nachfrage in diesem Umfeld nicht bedienen können, werden ihre Kunden abwandern. Traditionelle Finanzdienstleister müssen mit innovativen und marktgerechten Services nicht nur Ihre bestehenden Kunden halten, sondern auch neue und jüngere Kundengruppen erreichen, um zukünftig im Markt bestehen zu können. Wenn sie dies “verschlafen”, steigt das Risiko, dass ganze Kundengruppen aus dem traditionellen Portfolio “herausaltern” und der Anbieter nach und nach seine Daseinsberechtigung verliert.

Die sich derzeit konsolidierenden und abgekühlten Märkte bieten aktuell eine gute Gelegenheit, mit Augenmaß die richtigen Dinge auf den Weg zu bringen, ohne gleich extrem skalieren und sehr hohe Nachfrage direkt bedienen zu müssen. Dies gibt Zeit und Luft für sinnvolle Projekte und Partnerschaften. Gleichzeitig sehen wir im Kontext dieser Partnerschaften eine gewisse Spezialisierung der Player in den Kryptomärkten. Jeder dieser Partner wird zukünftig seine Stärken ausspielen können ohne gleich zusätzliche Expertise in einem ihm ungewohnten Umfeld aufbauen zu müssen.

Die Blockchain-Technologie kann aber nicht nur für Kryptowährungen eingesetzt werden. Für welche weiteren Zwecke wird die Blockchain aktuell bereits eingesetzt und welche Einsatzzwecke sind absehbar möglich?

Die Blockchain ist im Grunde eine verteilte, gesicherte Datenbank und besitzt das Potenzial zur Veränderung zahlreicher Geschäftsmodelle. Zu den Vorteilen der Technologie zählt, dass alle Daten unmittelbar und verschlüsselt an das gesamte zugrunde liegende Netzwerk verteilt werden. Da die Blockchain dezentral organisiert ist, sind die gespeicherten Daten immer verifizier- sowie wiederherstellbar. Dadurch sind eine sehr hohe Ausfallsicherheit und zugleich Transparenz und Integrität gewährleistet. Da außerdem jede Transaktion im Blockchain-Netzwerk nachträglich analysiert werden kann, können die Beteiligten an einer Transaktion identifiziert und die jeweiligen Auswirkungen festgestellt werden.

Das bekannteste und auch bereits etablierte Anwendungsbeispiel sind Finanztransaktionen. Neben dem Einsatz bei Kryptowährungen ist die Blockchain generell auch bei internationalen Zahlungen interessant. Da hier keine Intermediäre mehr nötig sind, können etwa Überweisungen schneller und kostengünstiger durchgeführt werden als über die bisherigen Kanäle der Finanzinstitute. Ebenfalls im Bereich Finanzen angesiedelt ist die Vermeidung von Geldwäsche. Da alle über die Blockchain laufenden Geschäfte den spezifischen Beteiligten zugeordnet werden können, könnte durch die entsprechende Speicherung aller Verträge in den jeweiligen Bereichen Geldwäsche zukünftig vermieden werden.

Weitere Blockchain-Anwendungen sind in allen Bereichen denkbar und sinnvoll, in denen vollständige End-to-End Transparenz und Verifizierbarkeit bei gleichzeitiger Datenverschlüsselung und -sicherheit benötigt werden. Dies betrifft beispielsweise Lieferketten, das Gesundheitswesen, Zertifikate und alle Arten von Identitätsmanagement.

Was für Konsequenzen könnte das für etablierte Unternehmen der Finanzbranche haben?

Vor allem die bestehenden konventionellen Banken müssen über neue und innovative Dienstleistungen nachdenken und diese schnell, sowie an die Bedürfnisse der Kunden angepasst, umsetzen. Dabei müssen sie gleichzeitig darauf abzielen, möglichst neue Kundengruppen zu erschließen. Tun sie das nicht, werden sie langfristig ihre Daseinsberechtigung an innovative Finanzdienstleister verlieren.

Wir erwarten daher, dass immer mehr Finanzinstitute Kryptowährungen in ihr Dienstleistungsangebot für private und institutionelle Kunden aufnehmen. Dabei geht es nicht nur um direkten Handel mit Kryptowährungen. Ein großes Entwicklungspotenzial sehen wir insbesondere bei Krypto-Investitionsprodukten wie Futures oder Derivaten. Hier haben Banken durch ihre bereits vorhandene Expertise aus ihrem bisherigen Geschäftsbetrieb Vorteile. Sie können ihre Kunden von Kryptowährungen profitieren lassen, ohne eine Verwahrungsinfrastruktur einrichten zu müssen. Der nächste Schritt könnten dann beispielsweise ETF-basierte Angebote sein.

Mittelfristig werden Banken und Finanzdienstleister ihren Kunden dann auch bei Kryptowährungen alle Services wie Tagesgeldkonten, Finanzierungen, Kreditkartenzahlungen oder Asset-Handel bieten, die bereits im bisherigen regulären Bankgeschäft etabliert sind. Die Schlüsselerkenntnis der bisherigen ersten Schritte in diese Richtung liegt für uns darin, dass die etablierten Unternehmen sich hierfür meist mit den in letzter Zeit neu entstandenen und auf Krypto spezialisierten Dienstleistern zusammentun sollten, um den größtmöglichen Vorteil aus beiden Expertisen zu ziehen.

Und was können die großen Player tun, um nicht abgehängt zu werden?

Deutsche Finanzinstitute müssen, im Rahmen einer generellen Strategie im Kontext digitaler Assets, das für Krypto-Dienstleistungen nötige Know-how schnellstmöglich aufbauen oder sich von außerhalb an Bord holen. Hierbei können externe Partner und Dienstleister wichtige Unterstützung bieten. Vor allem das Thema BaFin-Lizenz und die daraus resultierenden Anforderungen müssen möglichst frühzeitig angegangen und die neue Strategie in konkreten Projekten umgesetzt werden. Von initialer Bedeutung ist hierbei, insbesondere die Bereiche Due Diligence, Minimal Viable Product (MVP) oder Proof of Concept (PoC) rechtzeitig anzugehen, um die Voraussetzungen für einen stabilen und sicheren Service zu schaffen.

Über Chainalysis

Chainalysis ist ein Blockchain-Analyseunternehmen mit Hauptsitz in New York. Das Unternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, über Kryptowährungen und den Einsatz der Blockchain aufzuklären. Zu diesem Zweck stellt Chainalysis Informationen, Software-Lösungen, Forschungsergebnisse und vieles mehr bereit.

Bild: © Siarhei – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Maik Jordt