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11. September 2023
Wird die EZB die Leitzinsen weiter anheben?
Wird die EZB die Leitzinsen weiter anheben?

Wird die EZB die Leitzinsen weiter anheben?

Der Zinsentscheid naht: Am kommenden Donnerstag, 14.09.2023, tagt die Europäische Zentralbank erneut zum aktuellen Leitzinssatz. Zuletzt standen kleine Erhöhungen oft schon im Vorfeld fest. Dieses Mal sind sich die Experten uneins.

Nur noch wenige Tage, dann blickt die Finanzwelt geschlossen wieder nach Frankfurt. Denn dann findet die nächste Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) zu den aktuellen Leitzinssätzen statt. Derzeit liegen sie nach der letzten Erhöhung Ende Juli 2023 bei 4,25% (Hauptrefinanzierungssatz), 4,50% (Spitzenrefinanzierungssatz) und 3,75% (Einlagenzinssatz). Es war die neunte Zinserhöhung in Folge. Hintergrund ist seit Juli 2022 die Bekämpfung der hohen Teuerungsrate. Im August lag sie in Deutschland bei 6,1%, in der Eurozone bei 5,3%.

Zuletzt waren die Spekulationen vor den Sitzungen immer fast schon langweilig. Jeder rechnete mit einer Zinserhöhung, und wie eine selbst erfüllende Prophezeiung kam sie schließlich auch. Doch diesmal sind sich viele Stimmen aus der Branche nicht mehr ganz so sicher, ob der Rat um Präsidentin Christine Lagarde am kommenden Donnerstag angesichts der immer noch hohen Inflation die Zehn voll machen und eine weitere Erhöhung beschließen wird oder im Zuge der mageren Konjunkturaussichten und zurückgegangenen Unternehmenskredite eine Zinspause eingelegt und der Herbst gemächlich eingeläutet wird.

EZB-Räte im Vorfeld uneins

Vor dem Leitzinsentscheid haben sich schon mehrere Ratsmitglieder öffentlich dazu geäußert, wie sie die aktuelle Situation einschätzen, darunter auch der Präsident der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, in einem Handelsblatt-Interview. Doch der hielt sich darin zu seiner Einschätzung, wie der Rat entscheiden wird, recht bedeckt. Die EZB verfolge derzeit einen datengestützten Ansatz bei der Entscheidung über die Leitzinssätze. „Dazu würde es nicht passen, ein Zinsniveau – und dieses für einen längeren Zeitraum – festzuschreiben“, so Nagel im Handelsblatt. Sein Grundsatz ist dabei schlichtweg: „Wir müssen die Zinsen so lange wie erforderlich auf einem Niveau halten, das die Inflation eindämmt.“ Vermutlich leichter gesagt als getan …

Peter Kazimir, Chef der slowakischen Notenbank und ebenfalls EZB-Ratsmitglied, ist da schon offensiver. Er äußerte sich in einer am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung klar für eine weitere Zinserhöhung. Grund dafür: das weiterhin zu starke Preiswachstum. Eine weitere Erhöhung wäre eine eindeutigere und effizientere Lösung, heißt es von Kazimir. Der Präsident der niederländischen Zentralbank, Klaas Knot, sieht in einem Interview mit Bloomberg im Leitzinsentscheid am Donnerstag eine „knappe Entscheidung“. Es sei das „absolute Minimum“, dass man das Inflationsziel von 2% p. a. bis 2025 erreiche und er würde sich mit jeder Entwicklung, die diese Frist noch weiter hinausschieben würde, unwohl fühlen. Knot weist allerdings auch darauf hin, dass das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone im zweiten Quartal stabiler gewesen sei als erwartet. Es handle sich im aktuellen Wirtschaftsumfeld nicht um eine „echte Rezession“, sondern lediglich um eine Schwäche.

Nicht ganz 50:50

Große Uneinigkeit herrscht auch bei den 69 Volkswirten, die die Nachrichtenagentur Reuters vom 05. bis 07.09.2023 befragt hat, welche Entscheidung sie von der EZB am Donnerstag erwarten. Die Ergebnisse wurden von Reuters am vergangenen Freitag, 08.09.2023, veröffentlicht. 39 Experten, also rund 57%, rechnen mit einer Zinspause. Die übrigen 30 sehen eher eine Erhöhung um weitere 0,25 Prozentpunkte kommen.

Passend dazu die Aussage der Chefökonomin bei BMO Capital Markets, Jennifer Lee: Offiziell erwarte das Unternehmen zwar, dass die EZB bis Jahresende eher pausieren wird, aktuell sei die Frage nach einer Zinserhöhung aber eher ein „Münzwurf“, zumal die Inflationsberichte seit dem letzten Zinsentscheid nicht sehr aufschlussreich gewesen seien.

DWS und AXA IM erwarten Zinserhöhung

Die Tendenz der Investmentgesellschaften scheint derzeit eher dahin zu gehen, dass die EZB ihren Kurs halten wird. Die DWS gibt in einer Mitteilung zwar zu, dass es sich um eine „knappe Angelegenheit“ handle, geht aber von einer weiteren Anhebung der Leitzinsen aus. Der Einlagensatz von 4% sollte es „dann aber auch gewesen sein in diesem äußerst ungewöhnlichen Zinserhöhungszyklus“, wie DWS-Chefvolkswirt Europa Martin Moryson schreibt.

Auch Hugo Le Damany, Economist, und François Cabau, Senior Eurozone Economist bei AXA Investment Managers, rechnen mit einer Leitzinserhöhung um 25 Basispunkte. Unabhängig von der Entscheidung jedoch werde die Kommunikation der EZB restriktiv bleiben, um eine „übermäßige Marktrallye zu verhindern“.

Die Spannung steigt

Die Finanzwelt und die Wirtschaft befinden sich in einer interessanten Zeit – und die EZB steht vor einem schwierigen Balanceakt. Zum einen ist die Konjunkturaussicht derzeit nicht rosig, es werden immer weniger Kredite aufgenommen und die Erwartungen für das Geschäftsjahr sinken in vielen Branchen. Zum anderen aber ist diese Teuerungsrate noch nicht so richtig klein zu kriegen. Und Tatsache ist auch: Nach dem Zinsentscheid ist vor dem Zinsentscheid. Es bleibt abzuwarten, was der Rat um Präsidentin Lagarde am Donnerstag entscheiden wird – und wie wegweisend diese Entscheidung sein wird. (mki)

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Bild: © Oleksandr – stock.adobe.com