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11. Februar 2021
Zum Rechtsstatus des Mehrfachagenten

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Zum Rechtsstatus des Mehrfachagenten

Beratungsgrundlage

Anders als der Versicherungsmakler ist der Mehrfachvertreter nicht zu einer objektiven und ausgewogenen Marktuntersuchung verpflichtet, muss aber dem Kunden vor Abgabe der Vertragserklärung des Kunden klar und verständlich in Textform mitteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage er seine Leistung erbringt, und die Namen der seinem Rat zugrunde gelegten Versicherer angeben. Außer- dem muss er mitteilen, für welche Versicherer er seine Tätigkeit ausübt.

Beratungs- und Dokumentationspflichten

Für den Mehrfachvertreter gelten die allgemeinen Beratungs- und Dokumentationspflichten, die von allen Versicherungsvermittlern zu beachten sind (§ 61 Abs. 1 VVG).

Haftung

In Kreisen mancher Mehrfachvertreter hält sich nachhaltig das Gerücht, der Rechtsstatus des Mehrfachvertreters sei der Königsweg: Er beinhalte aufgrund der Verbindung zu zahlreichen Gesellschaften alle Vorteile eines Versicherungsmaklers, biete aber auf der Haftungsseite den Schutz der finanzstarken Versicherer, die der Mehrfachvertreter vertrete. Das ist zu kurz gesprungen. Nach früherem Recht kam die persönliche Haftung eines Vertreters grundsätzlich nur in Betracht, wenn er entweder ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nahm, das über das normale Verhandlungsvertrauen hinausging, oder ein besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse verfolgte, das mehr war als das Provisionsinteresse und das Handeln des Vertreters wie ein Handeln in eigener Sache erscheinen ließ.

Darüber hinaus liefen Vertreter und Mehrfachvertreter Gefahr, als Pseudomakler wie ein Versicherungsmakler zu haften, wenn sie im Geschäftsverkehr mit Kunden ihren genauen Status und ihre Vertretungsverhältnisse nicht offenlegten und nach außen fälschlich den Anschein erweckten, sie seien als Versicherungsmakler tätig (Rechtsscheinhaftung).

Im aktuellen Vermittlerrecht sind alle Versicherungsvermittler, also auch Mehrfachvertreter, zum Ersatz aller Schäden verpflichtet, die ihren Kunden durch die Verletzung gesetzlicher Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten entstehen (§ 63 VVG). Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsscheinhaftung von Vertretern ins VVG übernommen hat. Gemäß § 59 Abs. 3 Satz 2 VVG gilt als Versicherungsmakler, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler. Anders als im früheren Recht geht es aber wegen § 63 VVG nicht mehr darum, ob der Vertreter überhaupt haftet, sondern nur noch, in welchem Umfang. Wenn ein Vertreter aufgrund eines von ihm gesetzten Rechtsscheins als Versicherungsmakler anzusehen ist, ist er – anders als üblich – auch zur objektiven und ausgewogenen Marktuntersuchung verpflichtet, deren Verletzung zusätz­liches Haftungspotenzial bedeutet. Soweit Mehrfachvertreter in der Erstinformation pflichtgemäß ihre genaue Funktion angeben, ist die Gefahr der Rechtsscheinhaftung gering.

Eine Besonderheit der Tätigkeit eines Mehrfachvertreters besteht darin, dass er bei der Vertragsanbahnung zunächst nicht für einen bestimmten Versicherer auftreten kann, solange die Bedarfssituation noch nicht geklärt ist. Erst wenn ein konkreter Versicherungsvertrag eines bestimmten Versicherers ins Gespräch kommt, kann das Vertreterhandeln dem Versicherer zugeordnet werden. In der Literatur wird deshalb die Meinung vertreten, für Fehler in der Klärungsphase hafte der Mehrfachvertreter – je nach Auftreten auch wie ein Makler – allein. Für Fehler nach der Konkretisierung hafte – auch – der Versicherer.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2021, Seite 72 f., und in unserem ePaper.

Bild: © pixelkorn – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Hans-Ludger Sandkühler