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Steuern & Recht
20. Januar 2023
Änderungen beim Fernabsatz für Finanzdienstleistungen geplant

Änderungen beim Fernabsatz für Finanzdienstleistungen geplant

Die Mühlen der europäischen Bürokratie mahlen unaufhaltsam weiter. Der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums ist noch längst nicht vollständig umgesetzt, schon plant die Europäische Kommission weitere Rechtsänderungen für den Finanzdienstleistungsmarkt. Hans-Ludger Sandkühler gibt eine Zusammenfassung.

Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler

Die Europäische Kommission will die EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher (Verbraucherrechte-Richtlinie) um Vorschriften über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher erweitern und dafür die EU-Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher aufheben.

Hintergrund

Die EU-Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher wurde einer Überprüfung der Effizienz der Rechtsetzung unterzogen. Die Ex-post-Überprüfung von Rechtsvorschriften ist ein zentraler Bestandteil der Politik der Kommission für eine bessere Rechtsetzung. Bei der Überprüfung wurde festgestellt, dass nach Inkrafttreten der Richtlinie zahlreiche EU-Rechtsvorschriften (z. B. Verbraucher-kredit-Richtlinie, Hypothekarkredit-Richtlinie, Datenschutz-Grundverordnung) mit spezifischen Bezügen zu Finanzdienstleistungen erlassen worden sind, sodass die Relevanz und der Mehrwert der Richtlinie nach und nach abgenommen haben. Gleichzeitig hat sich der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen für Verbraucher in den letzten zwanzig Jahren durch die zunehmende Digitalisierung signifikant verändert. Diese Entwicklung hat die Hauptziele der Richtlinie, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten und die grenzüberschreitende Erbringung von im Fernabsatz verkauften Finanzdienstleistungen zu fördern, beeinträchtigt. Deshalb will die Europäische Kommission den Rechtsrahmen vereinfachen und modernisieren. Dafür wird die EU-Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher aufgehoben. Die relevanten Aspekte der Verbraucherrechte im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungsverträgen im Fernabsatz werden im Gegenzug in die EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher integriert. Bisher sind Verträge über Finanzdienstleistungen vom Anwendungsbereich der EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher ausgeschlossen.

Ziele des Änderungsvorschlags

Mit dem Änderungsvorschlag soll die Erbringung von Finanzdienstleistungen im Binnenmarkt gefördert und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden. Dieses Ziel soll durch fünf Maßnahmen erreicht werden.

  • Vollständige Harmonisierung: Ein durchgehend hohes Verbraucherschutzniveau im gesamten Binnenmarkt soll durch eine vollständige Harmonisierung erreicht werden. Vollständige Harmonisierung bedeutet, dass in allen Mitgliedsstaaten für alle Finanzdienstleister ähnliche Vorschriften gelten und den Verbrauchern die gleichen Rechte garantiert werden.
  • Vorvertragliche Informationen: Verbraucher sollen rechtzeitige, klare und verständliche Schlüsselinformationen elektronisch oder auf Papier erhalten, um die erforderliche Transparenz zu gewährleisten und die Mündigkeit der Verbraucher zu stärken. Die bestehenden Vorschriften zur vorvertraglichen Information in der EU-Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher werden modernisiert. Insbesondere wird geregelt, wie und wann vorvertragliche Informationen mit welchem Inhalt bereitzustellen sind. Verbraucher sollen ausreichend Zeit haben, die vorvertraglichen Informationen zu verstehen und vor Vertragsschluss verarbeiten zu können.
  • Widerrufsrecht: Als grundlegendes Verbraucherrecht soll das bisherige Widerrufsrecht gestärkt werden, weil bei Finanzdienstleistungsverträgen Produkte und Dienstleistungen komplex und schwer zu verstehen sind. Wenn ein Verbraucher auf elektronischem Wege einen Finanzdienstleistungsvertrag im Fernabsatz schließt, muss der Anbieter eine Schaltfläche für den Widerruf (Widerruf-Button) bereitstellen, damit der Verbraucher einfacher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen kann. Ferner muss der Anbieter den Verbraucher über das Widerrufsrecht gesondert informieren, wenn der Verbraucher die vorvertraglichen Informationen weniger als einen Tag vor Vertragsschluss erhält.
  • Fairness im Internet: Weil Finanzdienstleistungsverträge zunehmend digital geschlossen werden, sollen neue ergänzende Vorschriften zur Fairness im Internet beitragen. Wenn Verbraucher Online-Tools (z. B. Chatboxen) nutzen, muss der Anbieter dem Verbraucher angemessene Erläuterungen zur Verfügung stellen. Die Anforderungen an die Inhalte der Erläuterungen sind im Vorschlag der Kommission festgelegt. Zudem soll Verbrauchern das Recht eingeräumt werden, das Eingreifen einer Person zu verlangen, wenn sie mit dem Anbieter über Online-Tools interagieren. Außerdem wird es Anbietern verboten, ihre Online-Benutzeroberfläche so einzurichten, dass die Fähigkeit der Verbraucher, eine freie, autonome und fundierte Entscheidung oder Wahl zu treffen, verzerrt oder beeinträchtigt werden kann.
  • Durchsetzung: Der Vorschlag weitet die Durchsetzungs- und Sanktionsvorschriften der EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher auf im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungsverträge aus.
Reaktionen

Der Deutsche Bundesrat begrüßt in seiner zum Teil allgemein gehaltenen Stellungnahme den konzeptionellen Ansatz der Europäischen Kommission und die mit dem Änderungsvorschlag verfolgten Zielsetzungen. Dabei betont der Bundesrat, dass Verbraucher rechtzeitige, verständliche und zutreffende Informationen benötigen, um sinnvolle Vertragsentscheidungen treffen zu können. Erfreulicherweise hebt der Bundesrat hervor, dass er die stetige Ausweitung von Informationspflichten im Bereich des Verbraucherschutzes mit Sorge sieht. Die Konfrontation mit einer immer größeren Menge von vorvertraglichen Informationen könne im Sinne einer Informationsüberflutung dazu führen, dass wesentliche Punkte sogar schlechter wahrgenommen und verarbeitet werden und in der Folge die Transparenz sowie die Fähigkeit der Verbraucher, sachgerechte Entscheidungen zu treffen, beeinträchtigt werden. Der Bundesrat fordert deshalb den Unionsgesetzgeber auf, auf die Vermeidung einer Informationsüberflutung ein besonderes Augenmerk zu legen. Ausdrücklich begrüßt der Bundesrat die Einführung einer Schaltfläche für den Widerruf. In diesem Zusammenhang sei es aber sinnvoll, solche Widerruf-Buttons für sämtliche digital abgeschlossenen Fernabsatzverträge einzuführen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält diese Ausweitung in seiner Stellungnahme ebenfalls für sinnvoll und offeriert darüber hinaus noch zahlreiche Verbesserungsvorschläge zugunsten der Verbraucher im Detail.

Bewertung

Die Zielsetzung der Europäischen Kommission ist in Ordnung. Modernisierung und Harmonisierung sind sinnvoll, wenn sie der Vereinfachung und dem Verständnis dienen. Im Bereich der Informationspflichten doktert die Kommission am Symptom. Zu Recht weist der Bundesrat auf die Gefahr eines Informations-Overkills hin, was die Branche schon seit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) im Bereich der Informationspflichten nach § 7 VVG beschäftigt. Am Ende muss es darauf ankommen, dass der Verbraucher die Produkte respektive die dazugehörigen vorvertraglichen Informationen versteht. Das ist eine große Chance für Vermittler, die die Produktkomplexität auf die Verständnisebene ihrer Kunden auflösen können. Eine ganz andere Frage ist, ob Produkte für Verbraucher unbedingt so komplex sein müssen.

Über Hans-Ludger Sandkühler

Hans-Ludger Sandkühler ist aus­gewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist er Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2023, S. 86 f., und in unserem ePaper.

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