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31. März 2022
„Der Kundenbestand ist das Gold eines Vermittlerbetriebes“
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„Der Kundenbestand ist das Gold eines Vermittlerbetriebes“

Für Maklerbetriebe ist es wichtig, den eigenen Kundenbestand zu analysieren. Dort schlummert Potenzial für Cross-Selling, aber auch zur Bewertung der Kundenrentabilität. Ohne ein funktionierendes Backoffice wird das allerdings schwierig, meint Experte Peter Brandmann.

Interview mit Peter Brandmann, Inhaber von pb Beratung & Training
Herr Brandmann, erkennen Maklerbetriebe die Chancen, die im eigenen Bestand liegen?

Hier ist mittlerweile ein Wandel erkennbar. Leider ist dies noch nicht bei allen Maklern angekommen und erkannt, aber der Trend geht eindeutig zum Thema Bestandspotenzial. Die Neukundengewinnung wurde in den vergangenen Jahren, bedingt durch gesetzgeberische regulative Maßnahmen immer mehr erschwert. Gerade aus diesem Grunde ist es essenziell wichtig, den Bestand genau zu kennen, aber auch entsprechend zu pflegen. Ich möchte dies gerne mit folgendem Satz ausdrücken: „Der Kundenbestand ist das Gold eines Vermittlerbetriebes. Dieser Schatz muss nur gehoben werden.“

Wo liegt denn das Potenzial im eigenen Kundenstamm? Können Sie uns ein paar Beispiele nennen?

Das Potenzial im eigenen Kundenstamm liegt in der umfangreichen Kenntnis des Kunden. Hier ist es wichtig, vom Kunden nicht nur die Vertragsbeziehungen zu kennen, sondern auch das Umfeld wie Familie, den beruflichen Status und so weiter, um auch hier Potenziale zu erkennen und zu schöpfen. Das größte Plus liegt darin, dass der Kunde schon im Bestand ist, also eine Kundenbeziehung besteht – diese gilt es immer weiter auszubauen und zu festigen. Dies bedingt aber auch eine klare Festlegung in der Betreuung von Bestandskunden.

Gibt es hier eine bestimmte Vorgehensweise, um das Potenzial zu heben?

Um das Potenzial zu heben, gilt es erst einmal, den Bestand zu analysieren und einzuteilen. Hier empfehle ich eine Segmentierung, zum Beispiel mithilfe der ABC-Analyse des Kundenbestandes. Dies ist mit Unterstützung eines entsprechenden Maklerverwaltungsprogrammes in einem vertretbaren Zeitraum möglich. Dabei gilt es, den Bestand in Kundensegmente aufzuteilen und entsprechende Betreuungskonzepte – Servicelevels – zu entwickeln. Ziel dieser Analyse ist es zu sehen, in welchen Kundensegmenten das größte Potenzial steckt. Ein weiteres Ziel ist es aber auch zu erkennen, wo „Rentabilitätsfresser“ sind und diese in letzter Konsequenz eventuell zu eliminieren.

Welche Rolle spielt dabei die Cross-Selling-Quote?

Die Cross-Selling-Quote oder auch Vertragsbündelungsquote ist ein wichtiger Index für eine Kundenbeziehung. Je höher die Quote ist, desto höher ist auch der Loyalitätsfaktor eines Kunden, also wie wechselbereit ein Kunde ist. Untersuchungen haben ergeben, dass genau dieser Loyalitätsfaktor ab einer Größenordnung von mehr als fünf Verträgen beginnt. Grundsätzlich ist zu sagen, dass es im Interesse eines Maklers liegen muss, den Kunden umfangreich und komplett zu betreuen. Das heißt, das gesamte Versicherungspotenzial liegt in einer Hand, in der Hand des Maklers. Dies sollte nicht nur den Versicherungs­bereich umfassen, sondern idealerweise die gesamte Palette der Finanzdienstleistung, also die ganzheitliche Kundenbeziehung.

Welche weiteren Kennzahlen oder Größen können hilfreich sein?

Eine weitere Größe liegt im betriebswirtschaftlichen Bereich und wird oftmals unterschätzt. Ich spreche hier von der Rentabilität einer Kundenbeziehung. Kurz gesagt, hier wird untersucht, inwieweit ein Kunde zum Deckungsbeitrag eines Maklerbetriebes beiträgt. Einfach ausgedrückt, je weniger Verträge ein Kunde im Bestand des Maklers hat, umso geringer ist dieser Deckungsbeitrag. Hier muss generell die Frage gestellt werden, ob man jedem Kunden die gleiche Betreuungsleistung zukommen lässt, also der Zeitaufwand, den der Makler oder ein Mitarbeiter investiert, oder ob hier selektiv vorgegangen werden sollte. Um hier auch auf die Digitalisierung einzugehen, benötigt der Makler technische Unterstützung.

Wie könnte diese Unterstützung in der Praxis aussehen?

Mithilfe von Maklerverwaltungsprogrammen und der entsprechenden Datenpflege ist dies relativ einfach und durchaus auf Knopfdruck möglich. Mit Bestandsführung in selbst gestrickten Übersichten und Tabellen ist dies in der Form nicht möglich.

Bei meinen Beratungen in Vermittlerbetrieben löst die Berechnung der Kundenrentabilität oftmals Erstaunen aus. Speziell wenn sich herausstellt, dass die eine oder andere Kundenbeziehung wirtschaftlich unrentabel ist. Wichtig ist dann als Folge der Versuch, diesen Kunden zu intensivieren, das heißt die Cross-Selling-Quote zu erhöhen. Ist dies nicht möglich, sollte als finale Maßnahme die Trennung von unrenta­blen Kundenverbindungen in Erwägung gezogen werden.

Wie sieht es denn mit der Kostenseite aus? Neukundengewinnung ist im Allgemeinen teurer als „mehr Geschäft im Bestand“.

Natürlich bringt die Neukundengewinnung einen höheren Kostenfaktor mit sich. Gerade in der Neuakquisition steckt die Gefahr einer Fehlinvestition – der Kunde entschließt sich trotz eines entsprechenden zeitlichen Einsatzes, den Vertragsabschluss nicht zu tätigen. Dies kann auch bei einem Bestandskunden sein, aber die Wahrscheinlichkeit ist bei einem gut betreuten Kunden wesentlich geringer. Trotzdem darf bei aller Diskussion über die Bestands­arbeit die Neukundengewinnung nicht gänzlich außer Acht gelassen werden.

Sind Krisenzeiten wie nun die Pandemie gute Zeiten, um sich vor allem auf die bestehenden Kunden zu konzentrieren?

Natürlich beinhalten Krisenzeiten wie die derzeitige Corona-Pandemie unternehmerische Chancen und Risiken. Wichtig ist es hierbei, den Bereich „Unternehmensführung“ intensiv im Blick zu haben. Speziell der Kostenbereich bedarf einer genauen Beobachtung, wobei natürlich auch der Vertrieb nicht aus den Augen verloren werden darf.

Wie bereits ausgeführt birgt der Kundenbestand ein nicht zu unterschätzendes Potenzial. Deshalb macht es Sinn, sich hier auf die bestehenden Kunden zu konzentrieren und auch in Krisenzeiten zu betreuen und den Kontakt aufrechtzuerhalten. Gerade der nicht betreute oder schlecht betreute Kunde ist eine beliebte Zielgruppe der Konkurrenz.

Wie ist allgemein Ihre Prognose für die Maklersituation?

Wir werden bei Maklerbetrieben, wie generell im Versicherungsvermittlerbereich, weiterhin eine Konsolidierung erleben. Dies hängt zum einen am hohen durchschnittlichen Alter bei den Maklern und zum anderen an immer höheren administrativen Anforderungen, die weniger Vertriebszeit erlauben. Das Thema fehlende Vertriebszeit wird gerne als Grund für die fehlende Rentabilität angeführt. Dies ist speziell bei den kleineren Makler­betrieben, den „Ein-Personen-Maklern“, erkennbar.

Für mich ist grundsätzlich ein funktionierender Innendienst essenziell notwendig. Daher wird die Tendenz in den nächsten Jahren zu größeren Vertriebseinheiten gehen, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines Maklerbetriebes zu bewerkstelligen. Hier gilt es vor allem das Thema Digitalisierung umzusetzen. Unwirtschaftliche Betriebsabläufe müssen analysiert, verändert und mit technischen Maßnahmen angepasst werden. Grundsätzlich gilt es, eine Strategie zu entwickeln: Wo stehe ich heute, wo will ich mit meinem Makler­betrieb in Zukunft stehen und wie kann ich meine definierten Ziele mit welchen Maßnahmen erreichen?

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 03/2022, S. 98 f., und in unserem ePaper.

Bild: © ipopba – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Peter Brandmann