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18. Juli 2021
„Die Innovationspipeline ist gut gefüllt“

„Die Innovationspipeline ist gut gefüllt“

Anders als in anderen Ländern ist Hiscox in Deutschland gut durch die Krise gekommen. Auf der Agenda stehen ein großes Digitalisierungsprojekt, neue Produkte sowie die Besetzung des Chefpostens in Deutschland.

Interview mit Robert Dietrich, Hauptbevollmächtigter der Hiscox Niederlassung für Deutschland
Herr Dietrich, Hiscox dürfte als Spezialversicherer von den Marktentwicklungen in den Bereichen Cyber und D&O besonders betroffen sein. Wie ist der Stand bei Hiscox?

Da wir schon lange im Markt unterwegs sind, haben wir auch alle Trends und Entwicklungen seit geraumer Zeit genau beobachtet. Aber auch für uns kam die Pandemie und alles, was damit zusammenhängt – also die verstärkte Home-­Office-Nutzung oder die wirtschaftlichen Schwierigkeiten für viele –, überraschend. Aber dafür, auch solche ganz neuen Risiken mitzutragen, sind wir Versicherer ja schließlich da.

Wir setzen bei Cyber stark auf Prävention. Wir klären Vermittler wie Versicherungsnehmer seit Jahren über Cybergefahren auf und darüber, wie man das Risiko eines Schadenfalls reduzieren kann. Neben umfangreichen E-Learnings setzen wir dafür auch eigenes Research wie den Cyber Readiness Report ein und auch innovative Formate wie unser Online-Game „Cyber Crime Time“.

Was D&O betrifft, so gingen die Prämien ja seit Jahren runter und der Versicherungsschutz wurde vergrößert. Auch bei uns sind Anpassungen notwendig, auch wenn diese in vielen Bereichen moderat sein werden. Wichtig ist uns, unsere Makler so früh wie möglich zu informieren und die Hintergründe transparent zu erklären.

Trotzdem: Versicherungsmakler und Geschäftskunden sind über Prämienerhöhungen und Kapazitätsengpässe nicht gerade erfreut.

Das ist verständlich – wir reden ja auch viel lieber über innovative Produktverbesserungen, die wir auch regelmäßig einführen. Aber wir müssen eben auch notwendige Anpassungen vornehmen, um langfristig alle Geschäftsbereiche bedienen zu können. Unsere Kunden und Partner haben meist Verständnis, wenn wir das rechtzeitig kommunizieren und erklären. Es wäre ja andererseits auch niemandem geholfen, wenn man sich als Versicherer aus Bereichen zurückzieht, weil man sie nicht profitabel bedienen kann.

Wie beeinflusst die Corona-Pandemie die Entwicklung und die Ergebnisse bei Ihnen?

Aus Sicht der Hiscox-Unternehmensgruppe haben wir durch die Pandemie im letzten Jahr einen Verlust gemacht, der vor allem wegen Eventausfällen und Betriebsunterbrechungen zustande kam. In Deutschland sind wir bislang gut durch die Krise gekommen – mit einem erfreulichen Wachstum, das vor allem durch die Bereiche Cyber, Commercial Lines und Technologie getrieben wurde.

Toll finden wir auch, dass die Makler schnell reagiert haben und auf digitale Lösungen umgestiegen sind, also etwa Beratung und Vertrieb per Videocall oder die intensive Nutzung unseres im letzten Jahr mehrfach ausgebauten Maklerportals, das wir als digitales Vertriebstool für Vermittler konzipiert haben. Entsprechend wachsen die Digitalabschlüsse. Aber die Cybergefahren bleiben weiter hoch und werden perspektivisch eher noch zunehmen, auch weil nach Überwindung der Pandemie das Home-Office weiterhin intensiv genutzt werden wird.

In der Krise haben Sie neue Produkte konzipiert, etwa was Online-Shops oder digitale Events angeht. Kommen diese in der Praxis an?

Ja, denn eine Krise bietet immer auch spannende neue Opportunities. Neue Produkte brauchen immer etwas Anlauf, um bekannt zu werden. Unsere Lösungen für digitale und auch hybride Events sowie für Online-Händler oder welche, die neben dem Shop im Internet auch noch einen physischen Laden haben, sind aber sehr schnell auf großes Interesse gestoßen – damit scheinen wir einen Nerv getroffen zu haben, denn hier gibt es ganz konkrete neue Versicherungsbedarfe.

Wie läuft der Privatkundenbereich, in dem sich Ihr Haus bewegt?

Unser Geschäft mit gehobenen Privatkunden läuft auf gleichbleibend gutem Niveau. Bei den Old­timern hatte der erste Lockdown schon eine spürbare Delle erzeugt, auch weil die Zulassungsstellen geschlossen hatten. Aber danach konnten wir eine rasante Aufholentwicklung verzeichnen, denn auch wenn viele Events und gemeinsame Ausfahrten wegfallen, ist das Fahren im rollenden Klassiker ja zum Glück völlig frei von Corona-Risiken.

Sie bezeichnen Hiscox als einen Versicherer der digitalen Welt. Was meinen Sie damit?

Wir haben schon immer eine besondere digitale Expertise gehabt, insbesondere in den Bereichen IT und Cyber, da sind wir einer der führenden Versicherer in Deutschland. Bereits vor elf Jahren haben wir unser erstes eigenständiges Cyberprodukt auf den deutschen Markt gebracht – einen Cybermarkt gab es da noch gar nicht. In den Anfangsjahren schlug uns noch von vielen Marktteilnehmern große Skepsis entgegen, ob man das nun wirklich brauche. Diese Frage hören wir heute von niemandem mehr.

Durch unsere lange Digital-Erfahrung sehen wir auch frühzeitig die digitalen Risiken in ursprünglich sehr analogen Branchen, die sich aber heute auch digital transformieren. Nehmen Sie zum Beispiel den Maschinenbau – der wird immer stärker vernetzt, etwa für die Fernwartung und Schnittstellensteuerung. Für die neuen digitalen Risiken haben wir hier die Lösung Smart Manufacturing konzipiert – und freuen uns sehr, dass uns dafür kürzlich der „Goldene Bulle“ als „Versicherungsinnovation des Jahres 2021“ verliehen wurde. Viele Unternehmen werden irgendwann quasi IT-Unternehmen mit Annex sein. Hier entstehen neue Risiken und dafür wollen wir gerne Lösungen bieten.

Inwieweit verlangen Sie von Ihren Partnern auf Maklerseite die digitale Kommunikation?

Wir fordern diese nicht, sondern wollen stattdessen unsere Partner überzeugen. Und zwar, indem wir gute digitale Lösungen anbieten und deutlich die Vorzüge zeigen, wie Vermittler damit viel Zeit und Geld sparen können.

Natürlich sind auf unserer Seite die Prozesskosten höher, wenn wir mit Papier arbeiten, darum reduzieren wir das immer mehr und setzen mit Erfolg immer stärker auf den digitalen Abschluss. Für größere Partner bieten wir dafür auch Schnittstellen an.

Ich bin aber auch der klaren Meinung: Makler müssen sich dem digitalen Wandel stellen, weil das die Versicherungsnehmer auch von ihnen erwarten. Wenn sie das nicht tun, leidet ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Umgekehrt erwarten aber auch Maklerbetriebe mehr Prozessexzellenz vonseiten der Versicherer. Gibt es hier Fortschritte?

Ja, dazu läuft bei Hiscox seit einiger Zeit ein großes europäisches Digitalisierungsprojekt namens „LEAP“, mit dessen Implementierung wir noch in diesem Jahr beginnen wollen. Daran arbeiten knapp 90 Experten aus verschiedenen Ländern und Geschäftsbereichen, auch mit externen Dienstleistern wie Deloitte oder Sapiens. Damit wollen wir alle Möglichkeiten der Digitalisierung für effiziente Prozesse im Backend nutzen, also insbesondere für eine durchgängige Automatisierung und ein effizientes „Straight-through Processing“.

Wie der Name schon suggeriert: LEAP bedeutet einen großen Digitalisierungssprung für uns, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, indem wir Wachstums- und Produktivitätspotenziale optimal nutzen. Auch die Vermittler profitieren davon: Der Antragsprozess beschleunigt sich, typische Fehler durch manuelle Bearbeitung werden ausgeschlossen und es wird weitere Möglichkeiten zur Vernetzung mit uns per API geben. Das Makler-Frontend bleibt aber weitgehend identisch, sodass sich unsere Partner nicht bei der Bedienung umgewöhnen müssen.

Wie sehen Ihre Planungen für das zweite Halbjahr aus?

Neben dem erwähnten Go-live unseres neuen Kernsystems planen wir auch noch einige Produkt-­Updates, etwa in den Bereichen Consult, Technologie und Privatkundengeschäft. Dazu will ich an dieser Stelle noch nicht zu viel verraten – wir informieren unsere Partner aber natürlich, sobald die Neuerungen spruchreif werden. Die Innovationspipeline ist wie immer gut gefüllt.

Im März haben Sie die Position des CEO von Hiscox Europa übernommen. Wie gestaltet sich die Nachfolgersuche für den Chefposten in Deutschland und bringt dies Veränderungen für den Hiscox-Auftritt hierzulande mit sich?

Die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger läuft auf Hochtouren, wir führen aktuell viele spannende Gespräche.

Natürlich wird die neue Deutschland-Leitung eine eigene Handschrift einbringen. Das ist ja auch gewollt. Die Strategie entwickelt sich natürlich auch weiter, aber fest steht, dass Deutschland der wichtigste Markt für uns in Kontinentaleuropa ist. Daher werden wir hier auch weiter entsprechend konsequent in Markt und Unternehmen investieren. Wir haben noch sehr viel vor!

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 07/2021 und in unserem ePaper.