AssCompact suche
Home
Vertrieb
26. Oktober 2025
„Die Standardisierung des Geschäfts ist nicht im Kundeninteresse“

2 / 3

„Die Standardisierung des Geschäfts ist nicht im Kundeninteresse“

„Die Standardisierung des Geschäfts ist nicht im Kundeninteresse“

Welchen Stellenwert haben für Sie persönlich denn Digitalisierung und KI im Arbeitsalltag?

Digitalisierung und Digitalität – was man grundsätzlich nicht verwechseln sollte – sind entscheidende Merkmale, um vernünftige Kostenstrukturen aufzuweisen und gute Deckungsbeiträge zu erzielen. Insofern bin ich ein Freund von digitalen Prozessen.

Bezüglich der KI sehen wir gerade am Beispiel der Versicherer, welch negative Folgen der Einsatz von KI-Instrumenten hat, wenn er nicht hochprofessionell vorbereitet und IT-technisch perfekt eingebettet stattfindet. Derzeit setzen die Versicherer KI – ich muss schon sagen – „gegen“ uns und unsere Kunden ein, weil das, was die KI derzeit auf Versichererseite produziert, sehr häufig eine unvorstellbare Minderleistung darstellt. Im Prinzip sind unsere Kunden und wir Makler das Testfeld für die Entwicklung der KI in der Versicherungswirtschaft, wobei ich vielen Programmierungen und Programmen auf Versichererseite überhaupt schon die Zugehörigkeit zur KI abspreche, weil KI im engeren Sinne der Definition eine selbstlernende Softwarelösung erfordert, und die Lernprozesse kann ich derzeit auf Versichererseite nicht feststellen.

Besonders kritisch ist auch, dass der sicherlich weiterhin zunehmende Einsatz von KI in mannigfaltiger Hinsicht völlig dereguliert stattfindet und sich auch (ähnlich wie bei den sozialen Medien) in vielen Ausprägungen kritisch und bedrohlich entwickeln wird. Wir kommen aber alle nicht umhin, KI einzusetzen, müssen aber erst KI-Anwendungen schaffen, die wir unseren Kunden zumuten können.

In Diskussionen, an denen Sie teilnehmen, geht es oft um Fachkräfte­mangel im Zusammenhang mit dem Berufsbild „Makler“ und dem Image der Branche insgesamt. Wo sehen Sie die größten Hürden und auch Demotivatoren aus Sicht junger Leute, sich in der Branche zu bewerben?

Hier habe ich den Eindruck, dass unsere Branche besonders stark unter dem Fachkräftemangel leidet. Dies hängt damit zusammen, dass der Versicherungsvermittler im Sozialranking der Berufe regelmäßig mit Immobilien- oder Finanzanlagemaklern um den letzten Platz in dieser Werte-Aufzählung „streitet“ und nicht nachvollziehbarerweise ist das Image unseres Berufes in der Gesamtheit negativ belastet, während bei der Frage nach der Zufriedenheit mit dem einzelnen Betreuer überdurchschnittlich gute Werte erzielt werden.

Fast niemand kennt junge Menschen, die heute noch den Beruf Versicherungskaufmann oder -kauffrau erlernen wollen und am Ende behelfen wir uns mehr und mehr mit Bewerberinnen und Bewerbern, die branchenfremd sind. Aufgrund der exzellenten Leistungen unserer Akademie sind wir in der Lage, diese schnell und zügig zu qualifizieren, und Voraussetzung für die Mitarbeit in unserem Team ist auch die Bereitschaft, zumindest den Versicherungsfachmann bzw. die Versicherungsfachfrau erfolgreich zu absolvieren. Ich selbst bin als Nicht-Akademiker ein Freund der Akademisierung unseres Berufsstandes, weil wir damit Zugang zu anderen, zusätzlichen Bewerber­kreisen bekommen.

Und was sind aus Ihrer Sicht die Hauptaspekte, mit denen man den Maklerberuf und die Branche sofort oder langfristig attraktiver für junge Talente machen könnte?

Wie bereits ausgeführt, bin ich felsenfest überzeugt, dass die Akademisierung unserer Ausbildung zu mehr Interesse an unserem Beruf führen wird. Die Akademisierung führt auch zu einem höheren Einkommen im Innen- und Außendienst und bietet gleichzeitig faszinierende Weiterentwicklungschancen. Wir alle in der Maklerschaft müssen auf Schulen und Universitäten mit Kooperationsmodellen zu­gehen, in denen wir Praktika und „Schnuppertage“ etc. anbieten. Am Ende geht es darum, frühzeitig Kontakt zu jungen Menschen zu entwickeln, die dann die faszinierenden Ausprägungen unseres Berufs erfahren können.

Wird der Wert „unabhängige Beratung durch einen Makler“ in der Gesellschaft bzw. Politik überhaupt noch wertgeschätzt? Oder dominiert nicht stattdessen das Prinzip „Hauptsache billig, schnell und standardisiert“?

Wir erleben nahezu tagtäglich allerhöchste Wertschätzung durch unsere Kundinnen und Kunden und insofern mache ich mir um diesen Aspekt keine Sorgen. Der große Teil der Politiker sieht in unserem Berufsstand allerdings nur den Abschlussvermittler und verkennt die nackte Realität, dass wir tagtäglich mehr Zeit in die Betreuung der Kunden und den Austausch mit den Versicherern als in den Abschluss von Ver­sicherungsverträgen investieren.

Die Standardisierung des Geschäfts ist nicht im Kunden­interesse, sondern ausschließlich von den Versicherern getrieben, weil nur langweilige Standard­produkte ohne jegliche Abänderung billig und schnell „dunkel“ verarbeitet werden können. Die Versicherer bieten damit genau das Gegenteil von dem, was der Kunde wünscht. Preissensible Privat­kunden kann man sicherlich so bedienen, aber die Versicherer werden feststellen, dass sie in der Regel nie – geschweige denn dauerhaft – eine Preisführerschaft im digitalen Markt generieren können. Anspruchsvolle Privatkunden, Gewerbetreibende, Firmen und freie Berufe wollen die indi­viduelle Beratung und die individuellen Produkte.

 
Ein Interview mit
Bernd Helmsauer