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9. Februar 2021
„Extreme Wetterereignisse sind in Deutschland versicherbar“

„Extreme Wetterereignisse sind in Deutschland versicherbar“

In Deutschland gibt es eine Zunahme von extremen Wetterereignissen. Das bringt Gefahren für private Immobilieneigentümer, die aber mit bewährten und neuen Ideen versicherbar sind, sagt Dr. Stefan Reese, Head Property Treaty Underwriting Northeast Europe bei Swiss Re.

Im Zuge des Klimawandels werden nicht nur Häufigkeit und Intensität von Extremereignissen zunehmen, sondern es werden auch neue Risiken hinzukommen. So sehen wir durch die Erwärmung und Zunahme von Hitzewellen vermehrt strukturelle Schädigungen an Gebäuden. Lange und trockene Sommer führen dazu, dass der Boden austrocknet und sich zusammenzieht mit der Folge von Sackungen, die dann wiederum Risse in Gebäuden bis hin zu Totalschäden verursachen. Mehr Starkregen kann biotische Folgen nach sich ziehen, zum Beispiel das vermehrte Auftreten von Pilz oder Fäulnis. Daraus resultieren andere Anforderungen an die Kühlung und die Notwendigkeit von Klimasystemen. Die oben genannten Gefahren führen wiederum zu einer schnelleren Alterung des Gebäudes und kürzeren Instandhaltungszyklen. Um dem entgegenzutreten sind andere Baumaterialien, bauliche Klimaanpassungen und Selbstschutzmaßnahmen notwendig. Bei älteren Gebäuden besteht ein Anpassungsbedarf bei Wasserableitungssystemen aufgrund von Starkregen.

Deckungslücke in Deutschland

Staatliche Hilfe nach extremen Wetterereignissen sehen viele Bürger nach wie vor als selbstverständliche Leistung an. Das Vertrauen in den Staat ist einer der Gründe, warum immer noch lediglich 45% der deutschen Hausbesitzer eine Elementarversicherung abgeschlossen haben. Weiterer Grund dafür ist Unwissenheit, da in Standard-Gebäudeverträgen oft nur die Naturgefahren Sturm und Hagel versichert sind, nicht jedoch Starkregen und Hochwasser. Für manche hingegen ist die Prämie für eine umfassende Naturgefahrendeckung zu hoch, wobei man eine solche Deckung bereits für weniger als 100 Euro im Jahr bekommt. Selbst mehrere hundert Euro im Jahr sind zur Absicherung eines Hauses im Wert von mehreren hunderttausend Euro nicht wirklich viel. Wiederum andere sehen sich als nicht gefährdet, dabei kann Stark­regen laut einer Studie von GDV und Deutschem Wetterdienst nachweislich jeden treffen. Selbst Wohngebäude in hochexponierten Gebieten bekommen eine Elementar­versicherung, auch wenn man oft das Gegenteil in den Medien liest.

Der Staat ist kein Versicherer

In der Politik setzt ein Umdenken ein. Sachsen hat bereits 2011 beschlossen, keine staatlichen Hilfen mehr nach Hochwasserschäden zu zahlen, da dieses Risiko versichert werden kann. Bayern zog zum 01.07.2019 nach und streicht Soforthilfen für Elementarschäden. Die Politik fordert von den Bürgern mehr Eigenvorsorge und von Immobilienbesitzern, Haus und Hausrat zu versichern. Damit die Menschen hierzulande mehr Eigenvorsorge betreiben, haben fast alle Bundesländer Informationskampagnen zur Elementarversicherung durchgeführt, die maßgeblich vom GDV unterstützt wurden.

Höchste Zeit also für Haus­eigentümer sich abzusichern, sei es durch eine Standard-Elementarschadenversicherung, ein modulares Produkt zum Beispiel nur für Stark­regen oder ein ganz neues, innovatives Produkt.

Häuser sind versicherbar

Die Wohngebäudeversicherung ist eine Versicherungssparte, die sich in den letzten Jahren und gerade aktuell unterschiedlichen He­r­ausforderungen ausgesetzt sieht. Die Hauseigentümer können sich in Deutschland mit einer Elementarversicherung gegen erweiterte Naturgefahren wie Hochwasser, Starkregen, Erdbeben oder Schnee­druck absichern. In Deutschland sind nahezu alle Gebäude gegen Überschwemmungen durch Hochwasser oder Starkregen versicherbar. Selbst Häuser in besonders gefährdeten Gebieten können versichert werden.

Erhöhte Schadenanzahl, steigende Reparaturkosten, veraltete Gebäudestrukturen und -bausubstanzen, höhere Sachwerte, mehr Technik und Elektronik und häufigere „Großunwetter“ erfordern Prämienanpassungen. So hat sich beispielsweise der absolute Schadenaufwand und auch der Durchschnitt für Leitungswasserschäden in den letzten 20 Jahren nahezu verdreifacht. Dennoch wirft die Gebäudesachversicherung keinen Gewinn ab und macht den Anbietern von Wohngebäudeversicherungen und Kunden in Form von zahlreichen sowie teuren Schäden zu schaffen.

Unverzichtbarer Schutz

Die Bedeutung einer Wohn­gebäudeversicherung kann indes nicht hoch genug eingeschätzt werden: Im Rahmen der privaten Absicherung stellt sie für den Immobilienbesitzer einen unverzichtbaren Baustein dar. Versicherungsschutz für beispielsweise Sturm- oder Feuerschäden versetzen den Hausbesitzer in die Lage, seine Immobilie, die oft auch gleichzeitig Altersvorsorge ist und nicht selten das Gesamtfamilienvermögen darstellt, nach einem Schaden wiederaufzubauen.

Zu den traditionellen Versicherern gesellen sich immer mehr neue innovative digitale Player, die auch auf das geänderte Kundenbedürfnis der digitalen Generation reagieren. Ein Beispiel hierfür ist die Partnerschaft von iptiQ und Domcura, die eine einfache und schnelle Versicherungslösung in diesem Jahr entwickelt hat: ein innovativer Fragebogen, der die langwierige Risikobewertung durch nur acht leicht verständliche Fragen ersetzt.

Blick in die Zukunft: Chancen für die Versicherungsindustrie

Der Klimawandel verändert die Risikolandschaft und hat Auswirkungen auf alle Arten von Versicherungen wie Sach, Agrar, Leben und Kranken. Die EU schätzt die jährlichen weltweiten Klimafolgekosten auf 600 bis 2.500 Mrd. Euro im Jahr 2080. Das Thema Nachhaltigkeit wird somit auch in der Versicherungsbranche immer wichtiger. Es besteht ein großer Bedarf an nachhaltiger Versicherung und nachhaltigen Versicherungsprodukten (grüne Produkte). Anreize für Prävention werden zukünftig ebenfalls von großer Bedeutung sein.

Die Versicherungsindustrie hat nicht nur die Aufgabe, die gesellschaftlichen Vermögenswerte zu schützen, sondern die Branche ist auch ein signifikanter Investor. Insofern besteht hier die Möglichkeit, grüne und nachhaltige Technologien zu fördern. Klimawandel erfordert einen umfassenden und integrierten Risikomanagement­rahmen, in dem Risikotransfer nur ein Baustein ist. Um sich den Herausforderungen ganzheitlich zu stellen, bedarf es in Zukunft mehr Zusammenarbeit und Partnerschaften über alle Branchen und Ebenen hinweg, inklusive Politik.

Die Versicherungsindustrie sollte zudem ihren Stellenwert in diesen Bereichen umfassend nutzen, um das Risikobewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen, und als innovativer Vorreiter vorangehen. Der Klimawandel birgt neben den Gefahren auch etliche Chancen und Potenziale für die Versicherungsindustrie.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2021, Seite 38 f., und in unserem ePaper.

Bild: © vegefox.com – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Stefan Reese