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29. April 2020
„Nachhaltiges Investieren ist eine logische Konsequenz“

„Nachhaltiges Investieren ist eine logische Konsequenz“

Nachhaltige Kapitalanlage fordert nicht nur Berater, sondern auch Fondsmanager heraus. Schließlich müssen sie bei der Erstellung ihrer Portfolios nicht nur wirtschaftliche Faktoren berücksichtigen. Alexander Mozer, Leiter des Portfoliomanagements von ÖKOWORLD, sieht in dieser Herausforderung zugleich eine Chance.

Herr Mozer, nachhaltiges Investieren bedeutet auch eine Einschränkung. Wie schwer fällt es Ihnen als Fondsmanager, nicht in alle Unternehmen investieren zu können?

Ja, als Vollblutbörsianer hat man gerne immer alle Inves­titionsmöglichkeiten offen. Aber als zukunftsorientierter Mensch kann ich mit den von uns selbst gewählten „Einschränkungen“ sehr gut leben. Wir sehen unsere Aufgabe entsprechend als Herausforderung und Chance an. Zudem ist es doch etwas Besonderes mit unserem kleineren Anlage­universum zu zeigen, dass man mit diesem Kanon an streng geprüften Unternehmen sehr gute Ergebnisse erzielen kann. ÖKOWORLD konzentriert sich seit jeher auf ethisch-ökologisch-soziales Investieren – das macht es auch so besonders. Nachhaltiges Investieren ist aus unserer Sicht daher keine Einschränkung, sondern eine logische Konsequenz.

Wie schwierig ist es dennoch?

Es ist nicht schwierig. Es ist nur mit mehr Aufwand verbunden, denn Berater wie Anleger müssen sich intensiver mit ihrer Anlage beschäftigen. Das kostet Zeit und man muss wissen, was kritisch zu hinterfragen ist. Das wiederum benötigt Aufklärung und Schulung, egal ob beim Endkunden, Banker, Vermögensverwalter oder Finanzberater. Die Welt kann auch in Zukunft als überlebensfähiger Planet existieren, wenn wir als Menschen richtig handeln – uns sozial, ökologisch und ethisch in unserer Um- und Mitwelt verhalten. Nachhaltigkeit bedeutet, etwas Konkretes zu tun für den Einklang von Ökonomie und Ökologie. Für das ökologische Gleichgewicht, die ökonomische Sicherheit und die soziale Gerechtigkeit. Das verstehen wir unter „Ökologisierung der Wirtschaft“.

Inwieweit verändert nachhaltiges Fondsmanagement auch die eigene Lebens- und Sichtweise?

Meine Lebens- und Sichtweise war schon immer von Naturverbundenheit, Fairness und ökonomischem Bewusstsein geprägt. Seitdem ich Vater bin, hat sich dies noch einmal verstärkt, da das Verantwortungsbewusstsein für Kinder mit sich bringt, seinen Lebensstil zu überdenken und Nachhaltigkeit stärker zu berücksichtigen. Meine Jahre bei ÖKOWORLD haben dazu natürlich auch Spuren im positiven Sinne hinterlassen, da ich durch unsere Arbeit sehr stark mit Chancen und Lösungen für eine bessere Zukunft konfrontiert werde. Das schärft die Sinne.

Hat die Klimadiskussion rund um Fridays for Future den nachhaltigen Anlagen geholfen?

Der Impuls von Greta und die Bewegung Fridays for Future sind wichtig und richtig. Nur werden diese Impulse von den Medien zu stark verheizt. Und auch Greta selber spaltet. Es geht nicht um dogmatischen Verzicht und die komplette Verdammung unserer Konsumgesellschaft, sondern um die richtige Richtung und das globale Bewusstsein, einen wichtigen Prozess, der an das individuelle Bewusstsein appelliert. Greta Thunberg, die schwedische Umweltaktivistin, hat seit Oktober 2018 viel erlebt. Wir alle, die ganze Welt, haben seitdem viel mit und rund um Greta erlebt und manchmal hat man das Gefühl, dass es einen „medialen Overkill“ gibt, der bei vielen Menschen ein skeptisches Gefühl auslöst.

Viele Otto Normalverbraucher fühlen sich mehr und mehr auf den Schlips getreten. Fühlen sich von der jungen Generation Fridays for Future genervt und bevormundet, obwohl sie doch eigentlich den ursprünglichen Impuls von Greta und ihren jungen Followern und die daraus resultierenden Freitagsdemonstrationen gut fanden und die Ernsthaftigkeit des Klimawandels erkannt hatten. Ich denke, hier muss einfach und sprichwörtlich die Kirche im Dorf gelassen werden. Denn eigentlich sollten wir nicht Tauziehen, sondern gemeinsam an einem Strang ziehen. Miteinander – nicht gegeneinander.

Die kollektive Forderung von Greta und den jungen Umweltaktivisten ist sicher nicht, dass Lieschen Müller nicht mehr mit ihrem Mann und den drei Kindern einmal im Jahr nach Spanien oder Griechenland für zwei Wochen in Urlaub fliegen darf oder diese Familie nicht auch ein großes Auto fahren darf, da eben fünf Personen – plus Hund und Gepäck – ein großes Auto rechtfertigen. Und ja, auch eine Bratwurst, ein Salamibrot oder ein Grillsteak sind kein Verbrechen – nicht alle werden ab sofort vegan oder vegetarisch essen. An dieser Stelle ist die öffentliche Diskussion ganz klar völlig aus den Angeln geraten. Aber sicher hat diese Klimadebatte geholfen, mehr Bewusstsein und Interesse für nachhaltige Anlagen zu schaffen.

In den Portfolios finden sich viele weniger bekannte Unternehmen. Ist das ein Zufall oder bewusst gewählt?

Das freut mich, dass Sie diese Beobachtung gemacht haben. Wer heute mit dem Mainstream geht, hat auch im aktiven Portfoliomanagement nichts zu suchen. Wir bei ÖKOWORLD sind im Portfoliomanagement alle aktienverrückt. Wir lieben den Gedanken, uns an Unternehmen und deren Entwicklung zu beteiligen. Ganz besonders spannend finden wir es, Unternehmen ausfindig zu machen, die vom breiten Markt noch nicht entdeckt sind. Insofern ist die Auswahl natürlich kein Zufall.

Wie findet man immer wieder Hidden Champions?

Wichtig ist die Grundeigenschaft unseres Teams, jeden Tag Lust darauf zu haben, sich auf die Suche nach neuen Unternehmen zu begeben. Wir haben hierzu standardisierte Screenings der Aktienmärkte etabliert, die uns im Rahmen quantitativer Verfahren immer wieder neue Unternehmen generieren. Zudem sind natürlich auch die vielfältigen Kontakte, die unser Nachhaltigkeits­research und der für unseren globalen Flaggschifffonds ÖKOVISION CLASSIC tätige Anlageausschuss pflegen, sehr hilfreich. Für das Fondsmanagement bedeutet dann jedes Unternehmen sehr viel Arbeit, da wir die Geschäftsmodelle ökonomisch und ökologisch durchdringen möchten, bevor wir investieren.

Sie sind bekannt dafür, dass Sie ungerne einen unverbindlichen Blick in die trübe Glaskugel wagen. Trotzdem ein paar Worte zum Coronavirus und den Auswirkungen auf die Märkte?

Der als Coronavirus bekannte Krankheitserreger Sars-CoV-2 hat die Nachrichten im Februar nahezu vollumfänglich beherrscht und die Verunsicherungen halten an. Auch an den Aktienmärkten hat die Angst vor dem Virus ihre Spuren hinterlassen. Dadurch rückten auch die in dem Zeitraum veröffentlichten und häufig positiven Unter­nehmensergebnisse in den Hintergrund. Rund um den Globus kam es zu Mittelabflüssen und den entsprechenden Abver­käufen in Gesamthöhe von etwa 3,6 Bio. US-Dollar.

Wir sind überzeugt davon, dass sich die Lage wie bei so vielen „Krisen“ in den letzten Jahren wieder beruhigen wird. Betrachtet man alleine die letzten drei Jahre, so gab es im ersten Quartal 2016 und im vierten Quartal 2018 einen ähnlichen „Abverkauf“ an den weltweiten Börsen. Im Vorfeld der jüngsten panikartigen Abwärtsbewegung an den internationalen Aktienmärkten haben wir uns nach eingehender Analyse von verschiedenen Investments getrennt, sodass sich unsere Kassenposition zunächst auf 15% und Ende des Monats auf 30% erhöhte.

Welche Titel haben Sie verkauft?

Wir veräußerten Unternehmen, bei denen davon auszugehen ist, dass deren Umsatz- und Ergebniswachstum negativ durch das Coronavirus beeinträchtigt sein wird. Investments aus den Sektoren Konsum bzw. Technologie sind dabei vorrangig zu nennen. Der deutsche Leitindex Dax hat zum Zeitpunkt dieses Interviews 8,4% verloren, während der Euro Stoxx 50 im Februar 8,6% abgab. In den USA sank der Kurs des S&P 500 Index um 8,4% im Vergleich zum Vormonat. In Japan verlor der Nikkei 8,9%. Der global aufgestellte MSCI World Index ist im Februar um 8,6% gefallen. Jede Krise ist eine Herausforderung und bietet zugleich vielfältige Chancen.

Ändert das Virus etwas an der grundsätzlichen Ausrichtung?

Es ist wichtig, in solchen Zeiten einen kühlen Kopf zu bewahren und die Emotionen auszublenden. Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmen mit einem positiv zugrunde liegenden Wachstumstrend unabhängig von den aktuellen Volatilitäten eine gute Rendite generieren können. Investments in die richtigen Aktien zum richtigen Zeitpunkt bleiben daher Trumpf. Unsere übergeordneten Investitionstreiber sind Garanten für eine positive Zukunft, und das unabhängig von kurzfristigen Schwankungen an den Kapitalmärkten.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 04/2020 auf Seite 70f und in unserem ePaper.

Bild: © Surasak – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Alexander Mozer