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11. November 2022
„So viele Menschen wie möglich vor der Altersarmut bewahren“

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„So viele Menschen wie möglich vor der Altersarmut bewahren“

Auch wir haben schon mal in Ihre Vorträge hineingehört. Dort wollen Sie die Aussage, dass eine bAV Mitarbeiter bindet, so nicht stehen lassen. Warum nicht?

Es kommt auf diese Punkte an: Passt das Konzept ganz genau zur vom Mitarbeiter gefühlt wahrgenommenen Wertschätzung durch den Vorgesetzten und das Unternehmen? Hält es aus Sicht des Mitarbeiters für ihn Mehrwerte bereit? Sind sie für ihn verständlich? Ist es ein gerechtes Modell beim Blick auf die Unterschiede der Belegschaft? Sind die Versprechungen glaubhaft? Passt alles zur DNA des Unternehmens?

Dann kann bAV auf Mitarbeiterbindung einzahlen. Es lohnt sich, alle Gestaltungsregister zu ziehen: Belohnung und Barriere!

Bei einem weiteren Thema geht es Ihnen um die „Stornovorsorge“, wenn man das so ausdrücken darf. Nun könnten die enormen Preissteigerungen aber dazu führen, dass Versicherte ihre Verträge beitragsfrei stellen – müssen. Ein Dilemma?

Klar ist das ein Dilemma. Jetzt kommt es darauf an, den engen Kontakt zum Kunden zu halten, an der richtigen Stelle umzudispo­nieren und möglichst keine Lücken im Vermögensaufbau entstehen zu lassen. Ein Berater, der den „Zinseszinseffekt“ von Beitragsfreistellungen verständlich machen kann, wird seine Kunden davor – solange es geht – erfolgreich bewahren.

Unter Stornovorsorge verstehe ich die Entkoppelung von Gehaltseingang und Sparvorgang. Wer gelernt hat, dass 10% vom Gehalt in Altersvorsorge gehören – was macht der, wenn das Gehalt wegfällt? Pausieren. Elternzeit: kein Gehalt, keine Einzahlungen mehr. Leider wahr.

Lassen Sie uns über den Gender Pension Gap reden. Was sind Ihrer Meinung nach sinnvolle Maßnahmen, um die Rentenunterschiede zwischen Männern und Frauen zu verkleinern? Welche Rolle spielt hier die bAV?

Erstens: Aufklärung und Information. Zweitens: auch für Männer. Drittens: Die Folgen von Unterbrechungen beim Vermögensaufbau verständlich machen. Diese Punkte zielen in der Praxis auf einen familieninternen Ausgleich ab.

Nehmen wir eine andere „Quelle“ unter die Lupe: die Arbeitgeber. Diese können die bAV während der Elternzeit weiter einzahlen. Oder bei Rückkehr nachzahlen. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz sieht Zweiteres seit 2018 ausdrücklich vor. Viele Arbeitgeber kennen diese Option wahrscheinlich nicht mal: attraktiver Welcome-back-Bonus!

Unternehmen können Informationstage zum Thema Altersvorsorge, Finanzen, Vereinbarkeit anbieten. Auch so was macht einen Arbeitgeber attraktiver, er wird als verantwortungsvoller wahrgenommen. Ein dicker Pluspunkt. So was spricht sich herum.

Über eine intelligente Gruppendefinition kann Teilzeitlerinnen und Teilzeitlern mehr arbeitgeberfinanziert in die Altersvorsorge gezahlt werden. 100er-Förderung!

Außerdem: für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen. Bessere Betreuungsangebote ermöglichen längere Arbeitszeiten, die sich in höheren – oder weniger reduzierten – Rentenansprüchen niederschlagen. Hier gilt es auch seitens der Politik, bessere Bedingungen zu schaffen.

Vereinbarkeit unterstützen ist bunt: von Granny-Service über mehr Liquidität im Portemonnaie, indem der Arbeitgeber einen höheren Teil an der Altersvorsorge übernimmt, bis hin zu Zeitwertkonten, die heute auch echte Vereinbarkeit können – mit Mikroauszeiten oder Aufstockung von Teilzeitgehältern, um zum Beispiel den Lieblingsbetreuungsplatz finanzieren zu können.

Engagieren Sie sich besonders für die Altersvorsorge von Frauen?

Nö. Sehe ich nicht so. Dieses Wissen brauchen beide Partner. Und Arbeitgeber dürfen verstehen, dass es da einen besonderen Bedarf gibt, mit dem sie sich noch herausputzen können. Vereinbarkeit ist ein Thema. Betrifft beide. Wir sind im 21. Jahrhundert.

 
Ein Interview mit
Cordula Vis-Paulus