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28. Juni 2019
„Wir brauchen ein besseres Bild der beratenden und vermittelnden Berufe“

„Wir brauchen ein besseres Bild der beratenden und vermittelnden Berufe“

Aktuell war das Präsidium des Vereins Ehrbare Versicherungskaufleute e.V. (VEVK) beim neuen Versicherungsombudsmann Dr. h.c. Wilhelm Schluckebier und hat ihm die „zehn Tugenden“ des Vereins überreicht. Im Interview mit AssCompact bezieht VEVK-Präsident Peter Pietsch Stellung zum Branchenimage.

Herr Pietsch, die Tugend Nr. 1 Ihres Vereins lautet, dass sich der ehrbare Versicherungskaufmann seiner politischen und sozialen Verantwortung bewusst ist. Was fällt für Sie alles darunter?

Ich freue mich über Ihre Frage, weil sie direkt auf den Kern unserer Idee zielt. Vermittler unterstützen den Staat, das Eigentum und das wirtschaftliche Wohlbefinden der Bürger und Unternehmen mit ihrem täglichen Handeln. Davon profitieren alle demokratisch legitimierten Institutionen. Ich nehme den großen Denker aus Königsberg, Immanuel Kant, gerne als Blaupause: Verhalte und äußere Dich stets so, dass Du in einer Welt, in der allen diese Rechte zustehen und sie davon Gebrauch machen, gerne leben würdest.

Wir müssen den Menschen im Alltag zur Vorsorge antreiben, verständlich sprechen, schreiben und handeln, die Situation der bestehenden Versorgung verdeutlichen, gemeinsam ein Zielbild kreieren und dann mit den richtigen Konzepten dafür sorgen, dass Versorgung, Schutz und Vermögensaufbau auch realisiert werden. Wenn wir die Versorgungssituation und die Beitragsentwicklung der gesetzlichen Sozialversicherungen stabilisieren wollen, dann müssen wir die Menschen von der Verstärkung eigener Vorsorge überzeugen, auch durch geeignete Fördermaßnahmen der Politik. Wir können das nur gemeinsam lösen. Wir müssen jetzt gemeinsam und vertrauensvoll arbeiten. Der Staat kann und muss Rahmenbedingungen setzen, der Einzelne muss handeln. Dabei muss er auf die Beratung seines Vermittlers und die Produkte der Versicherer vertrauen können. Das sage ich ganz deutlich. Verkaufe nichts, was Du in vergleichbarer Situation nicht selbst kaufen würdest und verkaufe kein Produkt, das Du nicht verstehst.

Wir überzeugen unsere Kunden, die Versicherer, Politiker und Verbraucherschützer durch Handlungen und Haltung im Alltag, nicht durch Worte. Der soziale Aspekt wird unter anderem auch durch die Ausbildung junger Menschen zum Ausdruck gebracht und die Integration älterer Mitarbeiter.

Und das spiegelt sich auch im Alltag wider?

Das findet sich natürlich auch in der Tagesarbeit wieder. Wir können dem wirtschaftlich Schwachen die gleiche Betreuung zukommen lassen wie dem wirtschaftlich Starken. Provision und Courtage sind soziale Vergütungssysteme. Der Große zahlt für den Kleinen und viele Kleine tragen ein Großes. Das System der Versicherung wird damit durchgängig umgesetzt. So gelingt es, auch ältere Kunden ohne Neuabschlüsse weiterhin zu betreuen. Das ist ein großes sozialpolitisches Pfund. Wir erreichen alle Menschen, Unternehmen und Institutionen. Durch ehrenamtliches Engagement in den örtlichen Vereinen und lokalen Institutionen zeigen Ehrbare Versicherungskaufleute Profil. Ein großer Prozentsatz unserer Mitglieder ist engagiert und hilft in Vereinen in der Heimat.

Mit der IDD sind ethische Standards noch einmal wichtiger geworden. Wie würden Sie Ethik in Beratung und Vermittlung verstehen?

Ich muss als Vermittler meine Produkte genau kennen. Das bedeutet, ich muss auch das juristische Umfeld des Produkts und meiner Beratung kennen. Nur was ich ausreichend verstehe kann ich auch glaubhaft vermitteln: Verkaufe nur was du verstehst und verkaufe nicht was du nicht verstehst.

Was ich in vergleichbarer Situation selbst kaufen würde das kann ich nur verkaufen. Zur Situation zähle ich auch die persönliche Risikoeinstellung des Kunden. Ich kann nur begleiten und Vorschläge machen. Eine Versicherung sollte im Einklang zur persönlichen Lebenseinstellung des Kunden vermittelt werden. Wer gerne alles abgesichert sehen will, muss anders beraten werden als derjenige, der nur seine existenzbedrohenden Risiken versichert wissen will. Das Produkt muss stimmen, der Kunde muss es verstehen (können) und seine Interessen müssen klar im Vordergrund stehen. Wenn das alles gegeben ist, dann hat der ehrbare Kaufmann ein Geschäft abzuschließen.

Die Herbeiführung geschäftlichen Erfolges ist eine Kaufmannsaufgabe. Ethisch handeln im Vertrieb heißt auch nachhaltig im Sinne von lebensbegleitend und ressourcenschonend, ehrlich und zum Wohle aller Beteiligter handeln.

In der Diskussion um den Provisionsdeckel kommen aber wieder völlig andere Darstellungen auf das Tablett: Falschberatungen, Fehlanreize, Interessenkonflikte. Die Vorwürfe sind ja bekannt. Wie erklären Sie sich diese stetige Diskrepanz?

Die ganze Deckel-Diskussion ist eine Geißelung der Unternehmerkultur in Deutschland. Wir brauchen Menschen, die das Risiko der Selbstständigkeit auf sich nehmen, innovativ und voller Energie Ideen entwickeln und umsetzen. Wir brauchen Menschen, die sich am Wachstum und Wohlstand unseres Landes beteiligen.

Es entsteht der Eindruck, dass alle diese tollen kleinen mit Energie aufgeladenen Unternehmer – Treiber und Teilnehmer am wirtschaftlichen Erfolg – per se von der Politik und anderen Institutionen als potenzielle Kriminelle abgestempelt werden, die Regulierung und enge staatliche Führung bräuchten, weil sie sonst wie kriminelle Asoziale durch das Land ziehen und alles niederreißen. Das ist Unsinn und ich muss das so in aller Deutlichkeit sagen.

Es tut auch nicht gut, wenn ein solches Bild vermittelt wird. Durch diese Bilder werden Strukturen geschaffen. Wer glaubt, ein Unternehmer müsse nahe an der Kriminalität handeln und jeden Vorteil für sich nutzen, der wird, wenn er Unternehmer ist, ebendies tun. Das ist die Gefahr, die durch nicht reale, aber allgemein anerkannte Vorstellungen entsteht. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt das auch für Ärzte, Rechtsanwälte und andere beratende Berufe. Die Arbeit der beratenden, heilenden und vermittelnden Berufe ist doch stark durch die Arbeit mit dem Menschen geprägt.

Volksgesundheit setzt sich aus vielen Aspekten zusammen das ist körperliche, psychische und geistige Gesundheit. Das ist aber auch finanzielle Gesundheit und Vertrauen auf Institutionen und Jurisprudenz im gleichen Maß. Insofern sehe ich es als Präsident des VEVK als meine Pflicht, auch darauf hinzuweisen, dass die hausärztliche Versorgung und der Zugang zu Anwälten durch zu wenige Nachfolger für eine Selbstständigkeit auf Dauer gefährdet sind. Das sollte man im Auge haben, wenn man an einem Markt mit vielen Teilnehmen Interesse hat. Wir alle sprechen mit den sogenannten „kleinen Leuten“, wir kümmern uns um ihre Belange, ohne dass sie dafür mehr bezahlen müssen. Das ist ein Wert, den niemand exakt kalkulieren kann. Das trägt zum sozialen Frieden in unserem Land bei. Wir brauchen ein besseres öffentliches Bild der heilenden, beratenden, behandelnden und vermittelnden Berufe.

Sie spannen da einen sehr weiten Bogen. Der Vorwurf gegenüber den Vermittlern ist konkreter, dass sie nur am Abschluss interessiert seien.

Ehrbare Kaufleute wollen ihre Kunden idealerweise lebenslang begleiten. Das setzt man nicht für einen einmaligen Abschluss aufs Spiel. Wer so handelt, ist kein ehrbarer Kaufmann. Er verliert damit nicht nur die Beziehung zu seinem Kunden, sondern er gefährdet den Fortbestand seines Unternehmens.

Das Risiko des Interessenkonflikts kann aus meiner Sicht höchstens dort bestehen, wo Menschen ausschließlich von Abschlussprovisionen leben und reines Absatzdenken herrscht. Das ist nicht im Sinne des VEVK. Vermittler und Makler, die als Kaufleute ihrem Gewerbe nachgehen, tun das aus Überzeugung und manche Betriebe schon über mehrere Generationen

Tragen die Branche und auch die Vermittlerschaft dann eine oder keine Mitschuld an dem Image?

Die Branche hat eine Mitverantwortung für das Image. Es ist entstanden, weil es Anlass dazu gab. Vertriebsstrukturen mit schmalster oder keiner fachlichen Ausbildung, mit reinen Absatzvorgaben und eingeübten Redewendungen wurden eingesetzt und das Interesse des Kunden spielte eine untergeordnete Rolle. Das ist aus meiner Sicht überwunden. Das Gesamtbild hat sich auch signifikant verbessert – durch die erste Vermittlerrichtlinie und die daran anknüpfenden weiteren Änderungen. Es sind einige notwendige Maßnahmen getroffen worden und die gesamte Entwicklung stimmt mich an dieser Stelle positiv.

Wir müssen noch die Asymmetrie der Machtverhältnisse im Exklusivvertrieb langfristig ausgleichen, dann sehe ich uns auf einem guten Weg. Versicherer, die mit ihrer Exklusivorganisation nicht vorbildlich umgehen, werden Probleme bekommen. Wenn wir das nachhaltig überwinden, steht einem wichtigen und bedeutenden Bestandteil der deutschen Wirtschaftskraft und sozialpolitischen Befriedung, den Versicherungsvermittlern im Exklusivvertrieb ebenso wie den Maklern eine aussichtsreiche Zukunft bevor.

Das brauchen wir auch, um Innovationen in der Wirtschaft zu begleiten und um die betriebliche Altersversorgung und betriebliche Krankenversicherung als Ergänzung der Sozialversicherungssysteme in den Unternehmen flächendeckend zu beraten. Es ist höchste Zeit, mehr Vertrauen zu zeigen und gemeinsam zu arbeiten. Wir alle wollen in einer friedlichen Umgebung in eine Zukunft mit guten Aussichten schauen.

Was kann Ihr Verein an dieser Stelle ausrichten?

Der VEVK trägt zur Versachlichung der Diskussionen bei. Unsere Tugenden sind unstrittig. Das Bild des ehrbaren Kaufmanns trägt und bietet eine gute Resonanzfläche. Die Interessen sind ja vielfach gleich, die Durchführungsvorstellungen nur unterschiedlich. Hier gilt es in Gesprächen miteinander (nicht übereinander) Unebenheiten zu glätten und im verständnisvollen Miteinander Lösungen zu erarbeiten. Das Präsidium, die Mitglieder, der Beirat und alle Stakeholder stärken sich im zielorientierten Dialog und damit die Bedeutung unserer Sache.

Regelmäßig hat der einzelne Kunde sehr gute Erfahrungen mit seinem zuständigen Vermittler gemacht. Es ist das Metabild des Vertriebs in der öffentlichen Wahrnehmung, das immer wieder wie ein Phantom erscheint und dann die Diskussionen befeuert. Ein interessantes Phänomen, aber eben nicht real.

Wir haben in diesem Jahr das erste Mal unseren Jahrespreis verliehen, den „Inneren Kompass des VEVK“. Damit werden Menschen, Institutionen, Maßnahmen oder Unternehmen ausgezeichnet, deren Wirken sich in einem Kalenderjahr besonders mit den Inhalten der zehn Tugenden vereinbaren lässt. Das Buchprojekt: „Auf die Menschen kommt es an“ von Kaas, Ruckdeschel, Coenen beschäftigt sich mit den neuen Vermittlern, die zukunftsgewandt anders agieren; ein Bild, das Hoffnung gibt und das Berufsbild positiv darstellt. Ein hilfreiches und unterhaltsames Lehrbuch für Vermittler. Es ist der diesjährige Gewinner.

In Ihrem Beirat sitzen auch Persönlichkeiten, die völlig andere Positionen vertreten als die Vermittlerverbände, zum Beispiel in Sachen Provisionsdeckel. Wie verträgt sich das?

Der Beirat des VEVK ist ein interessantes und imposantes Gremium. Der Austausch erfolgt mit hohem fachlichem Engagement und auf einem bemerkenswert hohen kommunikativen Niveau. Das schätzen wir aneinander, denn es ermöglicht Verständnis für unterschiedliche Blickwinkel und Positionen. ich wünschte mir, dass allen ein weniger dicht gefüllter Terminkalender gegeben wäre dann könnten wir uns immer vollzählig treffen. Die kontroversen Diskussionen sind im besten Sinne wohltuend. Nur gemeinsam sind wir so stark, dass Wachstum, sozialer Frieden, Sicherheit für die Wechselfälle des Lebens und ein freundliches Miteinander gelingen können.

Mehr Informationen zum VEVK gibt es hier.