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11. März 2011
Gegen Tsunami in der Altersvorsorge kann man etwas tun

Gegen Tsunami in der Altersvorsorge kann man etwas tun

Wie sich der demographische Faktor auswirkt, hängt davon ab, wie Politik und Gesellschaft darauf reagieren. Ein Grund zur Dramatisierung gebe es aber nicht. Demographie und Konjunktur müsse getrennt gesehen werden. Wirkungsvolle Helfer seien zudem der Nachhaltigkeitsfaktor, ein späteres Rentenalter und mehr Eigenvorsorge.AssCompact-Interview mit dem Demographie-Experten Professor Dr. Axel Börsch-Supan

Professor Dr. Axel Börsch-Supan (Foto) ist Institutsleiter des Mannheim Research Institute for the Economics of Aging (MEA) an der Uni Mannheim. Außerdem ist der Demographie-Experte Mitglied verschiedener Beiräte und Kommissionen und nimmt Beratungstätigkeiten für die Regierung wahr. Unter anderem war er Mitglied der Rürup-Kommission.

AssCompact: Herr Professor Börsch-Supan, mittlerweile kursiert der Begriff des Altersvorsorge-Tsunamis oder auch des Rentner-Tsunamis. Wir wissen alle, dass die demographische Entwicklung nicht mehr aufzuhalten ist. Wie dramatisch ist die Situation?

Prof. Dr. Axel Börsch-Supan: Wie dramatisch die Situation ist, hängt völlig von unserer Reaktion auf die demographische Entwicklung ab. Natürlich ist die Demographie nicht mehr aufzuhalten. Aber wir können ihr entgegnen, denn wir leben ja auch länger und sind länger gesund. Eine Erhöhung der Erwerbstätigkeit, insbesondere Älterer, kann den Druck auf die Vorsorgesysteme zu einem großen Teil ausgleichen. Die demographische Entwicklung ist gerade kein Tsunami, denn wir können etwas dagegen tun.

AC: Bringt der momentane wirtschaftliche Aufschwung eine Erholung für die Rentenkasse?

ABS: Ja, natürlich hilft das kurzfristig, aber langfristig steigen dadurch auch die Ansprüche an die Rentenkasse. Man muss Konjunktur und Demographie trennen. Gegen die demographische Entwicklung helfen nur der Nachhaltigkeitsfaktor, ein späteres Rentenalter und mehr Eigenvorsorge.

AC: Sie haben sich gegen die Rentengarantie ausgesprochen, die unter rot-grün eingeführt wurde. Inwieweit verschlechtert sich dadurch die Situation Ihrer Meinung nach?

ABS: Die Rentengarantie verteilt von Jung nach Alt. Die Rentner profitieren, die Jüngeren müssen mehr einzahlen. Da es in Zukunft weniger Jüngere geben wird, wird das teuer für sie. Das kann nicht generationengerecht sein.

AC: Was bringt die Arbeitszeitverlängerung? Und sollte man davon abrücken?

ABS: Weil wir länger leben, müssen wir auch länger arbeiten. Woher soll denn sonst das Einkommen herkommen? Im Jahr 2029, wenn die Rente mit 67 eingeführt sein wird, leben wir im Durchschnitt drei Jahre länger. Davon sollen wir zwei Jahre länger arbeiten und ein Jahr länger Rente beziehen. Das ist doch nur vernünftig -- und wir bekommen ein zusätzliches Jahr Rente geschenkt. Keinesfalls davon abrücken.

AC: Mehrere Jobs, Teilzeit, Minijobber – die Lebensbiographien verändern sich. Mit welchen Folgen für die Vorsorge?

ABS: Ja, das wird eine Herausforderung. Wenn das Erwerbsleben instabiler wird, wird es zusätzlicher Anstrengungen bedürfen, damit das Alterseinkommen stabil bleiben kann. Wenn weniger in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird, muss mehr in die private fließen, damit die Altersvorsorge gleich bleibt. Sich vor der gesetzlichen Rentenversicherung zu drücken, wenn man nicht gleichzeitig privat vorsorgt, ist gefährlich.

AC: Die Menschen in Deutschland wissen, dass sie privat für ihr Alter vorsorgen müssen. Noch immer sind sie aber im Zuge der Finanzkrise verunsichert und sind zurückhaltend. Verschärft dies die Gefahr möglicher Altersarmut?

ABS: Ja, das tut es. Zurückhaltung ist auch richtig, was hochspekulative Anlagen angeht. Aber bei breit diversifizierten Anlagen gibt es dafür keinen Grund. Ganz im Gegenteil, solche Anlagen sind besser durch die Krise gekommen als das Durchschnittseinkommen.

AC: Wie wird eine Altersvorsorge – gesetzlich und privat – künftig aufgebaut sein?

ABS: Die gesetzliche Rentenversicherung wird auch in Zukunft der Hauptpfeiler der Altersvorsorge sein, aber nicht mehr der einzige. Wenn die Riester- und Betriebsrentenmöglichkeiten voll ausgeschöpft werden, wird die gesetzliche Rentenversicherung etwa zwei Drittel und die private und betriebliche Altersvorsorge etwa ein Drittel zum Alterseinkommen beitragen.

AC: Sie zeigen sich skeptisch gegenüber der betrieblichen Altersvorsorge. Erklären Sie uns bitte kurz, warum.

ABS: Nicht gegenüber der betrieblichen Altersvorsorge generell. Skeptisch bin ich nur gegenüber der Direkt-zusage, weil diese oft nicht genügend diversifiziert ist. Altersvorsorgevermögen muss sehr breit, auch international, diversifiziert sein, um die unausweichlichen Risikenzu streuen. Eine betriebliche Altersvorsorge, die das tut, ist ein wichtiger Baustein für eine solide Altersvorsorge.

AC: Ältere Menschen verhalten sich im Sparverhalten anders als junge Menschen. Welche Spar- und Anlageformenwerden Ihrer Meinung nach künftig mehr gefragt sein? Und welche Folgen hat das für die Kapitalmärkte?

ABS: Das Sparverhalten ist sehr unterschiedlich, sowohl unter den Jungen als auch den Älteren. Die Unterschiede innerhalb der Altersklassen sind größer als zwischen Jung und Alt. Wie gespart wird, hängt stärker von steuerlichen und kapitalmarkt-technischen Anreizen ab. Die Krise hat Garantieprodukte wieder in den Vordergrund gerückt. Es ist wichtig, dass solche Garantieprodukte nicht durch neue Bilanzvorschriften unmöglich gemacht werden.

AC: Herr Professor Börsch-Supan, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview mit Professor Börsch-Supan lesen Sie auch in der Märzausgabe der AssCompact auf Seite 52f.

 
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