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4. März 2022
BU: Vorsicht bei dem „Kleingedruckten“

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BU: Vorsicht bei dem „Kleingedruckten“

„Eine BU ist eine BU, egal von welchem Versicherer“, so ein verbreiteter Irrglaube. Doch es gibt für Laien schwer erkennbare Unterschiede zwischen den Produkten. Hier ist Expertenrat von Maklern gefragt. Welche Folgen kleine Abweichungen in einem BU-Vertrag haben können, zeigt Rechtsanwältin Kathrin Pagel.

Ein Artikel von Kathrin Pagel, Fachanwältin für Versicherungsrecht und Partnerin der Kanzlei Michaelis

Ein etwas ungewöhnlicher Fall von Berufsunfähigkeit wurde vor dem BGH (Urteil vom 14.07.2021 – IV ZR 153/20) verhandelt. Der Versicherungsnehmer und spätere Kläger hatte Leistungen wegen Berufsunfähigkeit aus einem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag beantragt. Der Versicherer erkannte die Leistungsverpflichtung an, sogar rückwirkend. Damit sollte der Versicherungsnehmer eigentlich zufrieden sein – das war er aber nicht. Der Versicherungsnehmer wollte, dass der Versicherer erst ab einem späteren Zeitpunkt leistet. Wieso das?

Versicherungsnehmer nimmt Erhöhungsoption in Anspruch

Der Kläger erlitt im Juli 2016 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich einen schweren Bandscheibenschaden zuzog. In der Folge war er arbeitsunfähig krankgeschrieben. Eine zu seinen Gunsten bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung enthielt eine Erhöhungsoption, die er bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen in Anspruch nehmen konnte, ohne dass erneut Gesundheitsfragen gestellt werden. Diese Möglichkeit nahm der Kläger in Anspruch und beantragte eine Erhöhung um 100% mit der Folge, dass die bisher vereinbarten Berufsunfähigkeitsrenten von ca. 500 Euro auf ca. 1.000 Euro erhöht wurden. Der Nachtrag wurde erstellt und ging dem Kläger im November 2016 zu. Im Dezember 2016 beantragte der Kläger Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Der Versicherer erkannte die Berufsunfähigkeit an und leistete rückwirkend ab dem Unfall, allerdings nur die ursprünglich vereinbarten 500 Euro monatlich. Der Kläger begehrte hingegen 1.000 Euro monatlich, dafür mit Beginn erst sechs Monate nach dem Unfall, und wendet sich explizit dagegen, dass der Versicherungsfall schon früher eingetreten wäre.

Wann ist der Versicherungsfall eingetreten?

Maßgeblich für die Frage, wann der Versicherungsfall in der Berufsunfähigkeitsversicherung eingetreten ist, ist der Vertrag. Die vertraglichen Regelungen gehen den gesetzlichen Regelungen vor. Die hier besondere vertragliche Regelung lautete:

„1.2 Wann liegt vollständige Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen vor? 1.2.1 Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit [...] 6 Monate ununterbrochen außerstande war oder voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf [...] auszuüben.“

Schaut man sich die Regelung genauer an, enthält diese zwei verschiedene Alternativen des Beginns des Versicherungsfalles. Zum einen rückschauend auf den vergangenen Zeitraum von sechs Monaten: „6 Monate ununterbrochen außerstande war“; zum anderen in die Zukunft blickend mit der Prognose für die nächsten sechs Monate: „voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist“.

§ 172 Abs. 2 VVG ist die Legaldefinition für den Eintritt des Versicherungsfalls. Nach dieser Vorschrift ist „berufsunfähig, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann“.

Seite 1 BU: Vorsicht bei dem „Kleingedruckten“

Seite 2 Vertragsklausel vs. Gesetzestext

Seite 3 Fazit

 
Ein Artikel von
Kathrin Pagel

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Markus Lörch (… am 08. März 2022 - 10:58

Ich beglückwünsche sie zu diesem gut recherchierten und gut aufbereiteten Urteil

des BGH. Ich würde mir wünschen, wenn auch die Kunden   im Lichte des

Leistungsgedankens Ihre BU abschließen würden. Ich versuche das immer in den Fokus zu rücken!!!