AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
3. Mai 2022
Wirecard: D&O umfasst PR-Kosten bis 100.000 Euro
Los Angeles, California, USA - 8 April 2019: Illustrative Editorial of Wirecard website homepage. Wirecard logo visible on screen.

Wirecard: D&O umfasst PR-Kosten bis 100.000 Euro

Um einer vorschnellen Erschöpfung der D&O-Versicherungssumme entgegen zu wirken, ist die Anspruchshöhe zur Deckung von PR-Kosten im Verfahren gegen den ehemaligen Wirecard-Vorstandsvorsitzenden auf 100.000 Euro gedeckelt. Das hat das OLG Frankfurt am Main entschieden.

Die D&O-Versicherung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Wirecard AG, Markus Braun, umfasst bei kritischer Medienberichterstattung und aufgrund von drohendem karrierebeeinträchtigendem Reputationsschaden auch vorläufigen Deckungsschutz für Public-Relations-Kosten. Dies gilt insbesondere auch für eine kritische Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Der Höhe nach ist der Anspruch aber auf 100.000 Euro begrenzt. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) festgelegt und mit seinem jüngsten Urteil in dieser Sache an seiner in einem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren vertretenen Auffassung (AssCompact berichtete) festgehalten.

Hintergrund

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Wirecard AG, Markus Braun, nimmt den beklagten Versicherer – Medienberichten zufolge ist es die Chubb – auf Deckung von PR-Kosten aus einer D&O-Versicherung in Anspruch, die die Wirecard bei Chubb für ihre Organmitglieder und leitenden Angestellten abgeschlossen hatte.

Gegen Braun wird ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft München I u. a. wegen des Verdachts des bandenmäßigen Betrugs, der Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) geführt. Seit Sommer 2020 befindet sich Braun in Untersuchungshaft und weist die erhobenen Vorwürfe zurück. Am 10.03.2022 wurde Anklage gegen ihn und zwei weitere Beschuldigte erhoben.

Die im Ermittlungsverfahren erhobenen Vorwürfe sind Gegenstand zahlreicher kritischer Medienberichte. Braun beauftragte eine auf Presserecht spezialisierte Kanzlei sowie eine Presseagentur. Die insoweit anfallenden Kosten verlangt er von der beklagten Versicherung ersetzt. Die Beklagte lehnte die Deckung u. a. mit der Begründung ab, dass PR-Kosten nur in Bezug auf eine Berichterstattung über die zivilrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, nicht aber in Bezug auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu ersetzen seien.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht hat die u. a. auf Gewährung vorläufiger Deckung für PR-Kosten gerichtete Feststellungsklage abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Der Kläger habe Anspruch auf vorläufige Abwehrkosten, wie bereits mit Urteil vom 07.07.2021 (Az.: 7 U 19/21) entschieden. Diese umfassten auch den Ersatz von PR-Kosten, soweit der versicherten Person „durch kritische Medienberichterstattung über einen versicherten Haftpflicht-Versicherungsfall ein karrierebeeinträchtigender Reputationsschaden“ drohe. Es komme nicht darauf an, ob die Berichterstattung sich mit dem Versicherungsfall einer konkreten zivilrechtlichen Inanspruchnahme (Haftpflicht-Versicherungsfall) befasse oder sich auf den durch das Ermittlungsverfahren ausgelösten Versicherungsfall (Verfahrensrechtsschutz-Versicherungsfall) beziehe.

Bei verständiger Auslegung der Versicherungsbedingungen solle gerade Schutz vor existenzieller Beschädigung des Ansehens im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorwürfen gewährt werden. Soweit die Berichterstattung nicht ohnehin im Rahmen zulässiger Verdachtsberichterstattung hinzunehmen sei und durch die Einschaltung einer PR-Agentur oder durch gerichtliche Maßnahmen abgewendet oder gemindert werden könne, werde dem Versicherten ausdrücklich umfassender Reputationsschutz zugesagt. Dies umfasse nach den berechtigten Erwartungen des Versicherten insbesondere den Ersatz von PR-Kosten in Hinblick auf eine kritische Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, das im Mittelpunkt des medialen Interesses stehe. Anderenfalls liefe der Versicherungsschutz nämlich leer.

Vorschnelle Erschöpfung der Versicherungssumme soll verhindert werden

Der Höhe nach ist der Anspruch auf Gewährung von PR-Kosten laut dem jüngsten OLG-Urteil allerdings auf 100.000 Euro pro versicherter Person und Versicherungsperiode begrenzt. Das zur Verfügung stehende Grundsublimit von 500.000 Euro werde „je versicherter Person und je Versicherungsfall“ auf 100.000 Euro limitiert, um einer vorschnellen Erschöpfung der Versicherungssumme entgegen zu wirken und eine möglichst gerechte Aufteilung im Kreise der Versicherten sicherzustellen, so das OLG.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH dagegen eingelegt werden. (ad)

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.04.2022 – 7 U 150/21

Bild: © pvl – stock.adobe.com