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5. Juli 2022
Wann ist ein freier Beruf rentenversicherungspflichtig?

Wann ist ein freier Beruf rentenversicherungspflichtig?

Die Ausübung eines freien Berufes wie eine rechtsanwaltliche Tätigkeit ist in der Regel nicht rentenversicherungspflichtig. Wie sieht es aber bei geschäftsführenden Gesellschaftern einer Rechtsanwaltskanzlei aus? Mit dieser Frage hat sich nun das Bundessozialgericht auseinandergesetzt.

Im vorliegenden Verfahren sind die fünf klagenden Rechtsanwälte Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft. Deren Gegenstand ist die Übernahme und die Ausführung von Anwaltsaufträgen, insbesondere die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte, die durch in Diensten der Gesellschaft stehende, zugelassene Rechtsanwälte unabhängig, weisungsfrei und eigenverantwortlich unter Beachtung ihres Berufsrechts ausgeführt werden.

Rentenversicherung stellt Versicherungspflicht fest

Die klagenden Rechtsanwälte hielten zunächst jeweils 20%, nach Ausscheiden eines Klägers 25% der Gesellschaftsanteile. Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Die Geschäftsführerverträge sehen ein festes Monatsgehalt von brutto 6.500 Euro zuzüglich eines 13. Monatsgehalts und eine gewinnabhängige Vergütung (Tantieme) in Höhe von 10% des tantiemepflichtigen Gewinns vor. Ferner bestehen Ansprüche auf Weiterzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Monaten sowie auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund die Versicherungspflicht der klagenden Rechtsanwälte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung fest.

Anwälte sind gemäß Berufsrecht unabhängig

Klagen und Berufungen der Kläger sind zunächst ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hatte dazu zuletzt ausgeführt, keiner der Kläger habe über eine Sperrminorität verfügt. Allein die Ausübung eines freien Berufs bewirke nicht ihre Selbstständigkeit. Die Kläger seien in den Betrieb der Beigeladenen eingegliedert gewesen. Auch der jeweilige Geschäftsführervertrag spreche für eine abhängige Beschäftigung. Das sahen die klagenden Rechtsanwälte indes ganz und gar nicht so und bezogen sich in ihrer Klage auf die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), wonach die Unabhängigkeit von Rechtsanwälten, die Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft sind, gewährleistet sei und zogen vor das Bundessozialgericht (BSG).

Minderheitsgesellschafter ohne Rechtsmacht auf Geschäftsgeschicke

Allerdings: Auch der Senat des BSG folgte der Argumentation der Kläger nicht und hat die Revision zurückgewiesen. Zur Begründung führten die Richter an, dass die geschäftsführenden Gesellschafter nach den allgemeinen für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH geltenden Maßstäben aufgrund abhängiger Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlägen. Jeder verfügte als Minderheitsgesellschafter mit einem Geschäftsanteil von ursprünglich 20%, später 25% nicht über die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, die Geschicke der Rechtsanwaltsgesellschaft zu bestimmen. Zudem enthalten die Geschäftsführerverträge typische Regelungen für eine abhängige Beschäftigung. Und daran änderten auch die Regelungen der BRAO nichts, denn aufgrund ihrer Position als Geschäftsführer könnten sie dennoch im Rahmen der Unternehmenspolitik Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen. (as)

BSG, Urteil vom 28.06.2022 – B 12 R 4/20 R

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