Darf ein Eigentümer eines sogenannten „gefangenen“ Grundstücks – also eines Grundstücks ohne direkte Anbindung an eine öffentliche Straße – das Nachbargrundstück auch nutzen, um mit dem Auto zum eigenen Grundstück zu gelangen und dort zu parken? Hierzu hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Frühjahr eine Entscheidung getroffen. Ein VON POLL IMMOBILIEN Experte hat die Hintergründe genauer beleuchtet.
„Das Urteil sorgt für mehr Klarheit: Das Notwegerecht umfasst grundsätzlich auch die Zufahrt mit dem Auto zum eigenen Grundstück zum Zwecke des Parkens. Dies führt zu größerer Rechtssicherheit und verhindert künftige Konflikte zwischen Nachbarn“, erklärt Dr. Tim Wistokat, LL.M., Rechtsanwalt und Head of Legal Department bei VON POLL IMMOBILIEN. Es spiele keine Rolle, ob die Zufahrt primär zum Entladen oder zum Abstellen des Fahrzeugs genutzt werde. Entscheidend sei: Das Grundstück ist ohne den Notweg nicht ordnungsgemäß nutzbar.
Notwegrecht: Kläger wollte Befahren dulden, Parken untersagen
Im Fall vor dem BGH stritten Grundstücksnachbarn in Schleswig-Holstein: Das vordere Grundstück der Kläger liegt an der Straße, das hintere, sogenannte „gefangene“ Grundstück ist nur über dieses erreichbar. Dort steht ein Doppelhaus, das in Wohneigentum aufgeteilt ist. Die Beklagte, Eigentümerin einer Doppelhaushälfte, vermietet diese und nutzte mit ihren Mietern das vordere Grundstück als Zufahrt. Die Kläger wollten das Befahren zwar dulden, das Parken jedoch untersagen.
Es kam zum Rechtsstreit: Die Kläger forderten eine eingeschränkte Notwegrente von 267 Euro, die das Parken ausschließt – oder hilfsweise die Zahlung einer Notwegrente in Höhe von 313 Euro, die das Befahren zum Zwecke des Parkens umfasst. Das Landgericht Kiel erlaubte die Nutzung samt Parken, das Oberlandesgericht Schleswig untersagte dies teilweise. Der BGH hob die Entscheidung in seinem Urteil auf.
Notwegrecht umfasst grundsätzlich auch das Parken
Der BGH betont, dass eine Unterscheidung zwischen Zufahrten zum Abstellen und solchen zum Be- und Entladen erhebliche praktische Probleme schaffen würde: „Ein solches Parkverbot wäre schwer kontrollierbar und würde zu rechtlicher Unsicherheit führen. Ist ein Wasserkasten schon schwer genug? Oder erst die Waschmaschine? Es ist also kaum feststellbar, zu welchem Zweck ein Fahrzeug das Nachbargrundstück überfährt“, erklärt Rechtsexperte Wistokat.
Und weiter: Interessant sei auch der Hinweis des BGH, dass bei Grundstücken, die ohnehin direkt an eine Straße grenzen, ein Notwegrecht für die Erreichbarkeit von Garagen oder Stellplätzen im hinteren Bereich nicht bestehe. Hier sei die ordnungsgemäße Nutzung bereits durch die Straßenanbindung gewährleistet. „Im konkreten Fall lag jedoch ein typisches ‚gefangenes‘ Grundstück vor – ohne eigenen Zugang zur Straße. Damit war der Notweg einschließlich der Möglichkeit, Fahrzeuge dort abzustellen, zwingend erforderlich“, so Wistokat.
BGH, Urteil vom 14.03.2025 – Az: V ZR 79/24
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