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16. September 2025
Unfall ohne Kollision: Rad- und Autofahrer teilen sich die Haftung
Unfall ohne Kollision: Rad- und Autofahrer teilen sich die Haftung

Unfall ohne Kollision: Rad- und Autofahrer teilen sich die Haftung

Haftung auch ohne Aufprall: Selbst bei „berührungslosen“ Unfällen kann ein Fahrzeugführer mithaften. Wer andere zum Ausweichen zwingt, trägt zur Hälfte die Verantwortung. Die Schadenquotelung ist in vielen Fällen für die Versicherung entscheidend.

Das Landgericht (LG) Bochum hat mit einem Urteil klargestellt: Auch ohne sichtbare Kollision kann ein Fahrzeugführer zur Hälfte für den Schaden verantwortlich sein, wenn das eigene Verhalten einen anderen Verkehrsteilnehmer zum Ausweichen zwingt und so einen Unfall verursacht. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) hat die Entscheidung eingeordnet.

Keine Kollision und trotzdem hälftiger Schadensersatz 

Auf einem schmalen Wirtschaftsweg war ein Radfahrer unterwegs, als ihm eine Autofahrerin entgegenkam. Zwar war die Strecke eigentlich nur für Anlieger freigegeben, die Fahrerin nutzte sie trotzdem. Schon aus rund 150 Metern Entfernung konnte der Radfahrer den Pkw erkennen. Doch weder er noch die Autofahrerin reagierten, beide hielten stur ihre Spur. Erst im allerletzten Moment bremsten sie, dabei kam der Radfahrer ins Straucheln und stürzte.

Eine Berührung der Fahrzeuge gab es nicht. Der Wagen stand mittig auf dem schmalen Weg, Trotzdem landete der Fall vor Gericht, weil der Radfahrer Schadensersatz für die bei dem Sturz zerstörte Brille geltend machte.

Haftung zur Hälfte für den Schaden

Das LG Bochum stellte klar: Auch ein sogenannter „berührungsloser Unfall“ kann eine Haftung auslösen. Entscheidend sei, ob das Verhalten eines Fahrers den Sturz oder das Ausweichmanöver eines anderen mitverursacht hat. Im konkreten Fall wertete das Gericht sowohl die Betriebsgefahr des Pkw als auch das Fehlverhalten der Fahrerin als haftungsbegründend. Sie sei mit unangepasster Geschwindigkeit und mittig auf dem engen Weg gefahren, was einen Verstoß gegen Sichtfahrgebot und Rücksichtnahmepflicht entspricht. Dass sie die Anliegerstraße unberechtigt nutzte, spielte dagegen keine Rolle, da diese Vorschrift nur der Verkehrslenkung diene.

Auch der Radfahrer wurde in die Pflicht genommen: Er sei zu schnell unterwegs gewesen und habe sich ebenfalls nicht an das Sichtfahrgebot gehalten. Auf einem engen Weg dürfe man nicht darauf vertrauen, dass kein Gegenverkehr komme.

Im Ergebnis teilte das Gericht die Haftung je zur Hälfte auf: 50% für die Autofahrerin wegen der Betriebsgefahr und ihres Fehlverhaltens, 50% für den Radfahrer wegen seines erheblichen Mitverschuldens.

Nur der Zeitwert ist zu ersetzen

Bei der Berechnung des Schadensersatzes für die zerstörte Brille entschied das Gericht, dass kein voller Ersatz geleistet werden muss. Die alte Brille war bereits drei Jahre alt, die neue hatte eine bessere Sehschärfe. Daher sei ein Abzug von 25% wegen „neu für alt“ gerechtfertigt. (bh)

LG Bochum, Urteil vom 21.01.2025 – AZ: I-11 S 72/24