AssCompact: Welche Folgen wird MiFID für Deutschland bringen? Und welche Bereiche/Produkte sind überhaupt betroffen?
Dr. Caroline Herkströter: Die neue MiFID-Welt wird – erneut – zu tiefgreifenden Veränderungen für Wertpapierdienstleister führen und betroffene Unternehmen vor einen gewaltigen Umsetzungsaufwand stellen. Zwar sind in Deutschland nicht alle Neuerungen der überarbeiteten MiFID Unbekannte – schließlich hatten wir in der jüngeren Vergangenheit einige Alleingänge des deutschen Gesetzgebers wie beispielsweise das Honoraranlageberatungsgesetz, das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, die Regulierung von Finanzanlagevermittlern und das Hochfrequenzhandelsgesetz. Doch sind in der neuen MiFID immer noch genügend andere Neuerungen enthalten, die es in sich haben.
Dr. Martin Krause: Um nur einige Punkte zu nennen: Es wird der Katalog der Finanzinstrumente um Emissionszertifikate erweitert. Strukturierte Einlagen werden zukünftig vielen MiFID-Regeln unterworfen und damit in vielerlei Hinsicht Finanzinstrumenten gleich gestellt. Primärmarktgeschäfte, das heißt der (Erst-)Verkauf von selbst emittierten Produkten, von Kreditinstituten und Wertpapierdienstleistern sollen zukünftig als Wertpapierdienstleistung gelten und fallen damit vollständig in den Anwendungsbereich der Regulierung. Zudem kommen neue Organisationspflichten auf uns zu. Die Wohlverhaltensregeln werden empfindlich verschärft. Die Aufzeichnungspflichten werden erweitert, insbesondere soll es für bestimmte Tätigkeiten die Pflicht zur Telefonaufzeichnung geben. Gerade dieser Punkt wird einen beträchtlichen Kosten- und Umsetzungsaufwand bedeuten, da auch die Kapazitäten entsprechender Dienstleister begrenzt sein könnten. Die (Handels-) Transparenzvorschriften werden geändert. Auch der Marktzugang aus Drittstaaten, das heißt nicht EU/EWR-Ausland, erfährt Änderungen, die sich aufgrund der Verwaltungspraxis der BaFin insbesondere in Deutschland auswirken werden. Diese Aufzählung könnte noch beliebig weitergeführt werden!
AC: Was wird aus der für die Praxis so wichtigen „Fondsvermittler-Ausnahme“? Wie können sich unabhängige Vermittler darauf einstellen?
MK: Zunächst sollten unabhängige Vermittler prüfen, ob sie auch weiterhin unter einen der Ausnahmetatbestände der neuen MiFID fallen und somit nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten. Dann unterfallen sie schon mal nicht direkt den neuen Anforderungen der MiFID, so wie sie im deutschen Recht umgesetzt werden.
In der Regel wird die sogenannte Fondsvermittler-Ausnahme einschlägig sein, die auch weiterhin in der neuen MiFID als Ausnahmetatbestand vorgesehen ist. Aber auch wer unter die Ausnahme fällt, sieht sich nunmehr wesentlichen regulatorischen Anforderungen ausgesetzt. Ein Gleichlauf mit den einschlägigen MiFID Anforderungen ist auch für den deutschen Gesetzgeber zwingend. Das heißt im Ergebnis, dass der deutsche Gesetzgeber mindestens analoge Anforderungen zur MiFID aufstellen muss, und zwar unter anderem in Bezug auf viele (neue oder verschärfte) Wohlverhaltensregeln und Organisationspflichten, aber auch in Bezug auf Anforderungen an die Geschäftsleitung und Inhaberkontrolle.
CH: Was allerdings „mindestens analog“ heißt, ist schwer vorherzusagen. In vielen Punkten sind Finanzanlagenvermittler bereits heute einer Regulierung unterworfen, die den Anforderungen für Wertpapierdienstleister vergleichbar ist. Allerdings haben wir Zweifel, ob das im Lichte der neuen MiFID-Anforderungen immer ausreichen wird.
Zur Vorbereitung könnte es sich daher empfehlen, sich mit den neuen MiFID-Vorgaben vertraut zu machen, die analog auch für unabhängige Vermittler gelten sollen. Dabei ist (erleichternd) zu berücksichtigen, dass einige der neuen Vorgaben in Deutschland durch Alleingänge des deutschen Gesetzgebers bereits vorab eingeführt wurden. Darauf aufbauend sollten die Umsetzungsarbeiten des deutschen Gesetzgebers frühzeitig begleitet werden, um die möglichen Änderungen zum Status Quo möglichst früh erkennen zu können. Interne Vorbereitungsmaßnahmen sollten entsprechend ergriffen werden, sobald sich die Änderungen abzeichnen.
AC: Wie muss sich aber die Beratung in Sachen Offenlegung der Provisionen verändern? Muss die Beratung neu organisiert werden?
CH: Zunächst ist anzumerken, dass die neue MiFID ein Provisionsverbot für bestimmte Fälle einführt. Bei der Finanzportfolioverwaltung und der unabhängigen Anlageberatung sind monetäre und nicht-monetäre Zuwendungen zukünftig verboten! Nur geringfügige nicht-monetäre Zuwendungen können unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein.
In puncto Offenlegung von Provisionen wird sich nach unserer ersten Einschätzung durch die neuen europäischen Vorgaben nicht viel ändern. Neu ist vor allem, dass Wertpapierdienstleister ihre Kunden über Mechanismen informieren müssen, mit denen erhaltene Zuwendungen an Kunden weitergeleitet werden können – sofern anwendbar.
MK: Allerdings ist die Konkretisierung dieser Vorgaben durch die sogenannten Level II-Maßnahmen abzuwarten. Auch ist zu bedenken, dass die Mitgliedstaaten durchaus strengere Regeln einführen können. Insofern muss auch ein Stück weit noch abgewartet werden.
Inwieweit die Beratung neu organisiert werden muss, wird vor allem davon abhängen, welche Dienstleistungen erbracht werden, insbesondere ob die unabhängige Anlageberatung zum Angebot gehört. Für die Frage der zukünftigen Organisation der Beratung spielen ganz maßgeblich auch andere Neuerungen der MiFID eine Rolle wie beispielsweise die Verschärfung der Pflicht, im besten Kundeninteresse zu handeln (Stichworte: Zielgruppenbestimmung; Anforderungen an die Vergütung von Mitarbeitern), neue Informationspflichten und zusätzliche Anforderungen bei der Anlageberatung im Allgemeinen (unter anderem das sogenannte Suitability Statement).
AC: Welche Tücken bergen die zahlreichen deutschen Vorgriffe auf zentrale Inhalte von MiFID II für die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland?
MK: Dadurch, dass viele der „großen Würfe“ durch MiFID II bereits vorab in Deutschland aufgegriffen und eingeführt wurden, erscheinen einige Neuerungen durchaus bekannt. Wir alle wissen aber aus ähnlichen früheren Projekten, dass der Teufel üblicher Weise im Detail steckt. Insofern kann die Umsetzung der MiFID in manchen Punkten nur Anpassungen bestehender deutscher Regelungen bedeuten, die jedoch im Hinblick auf den internen Umsetzungsaufwand bei den Wertpapierdienstleistern dennoch erheblich sein können. Auch besteht die Gefahr, dass deutsche Vorgaben beibehalten werden, die vielleicht sogar über den EU-Standard hinausgehen und einen Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen bedeuten können. Die MiFID II ist in vielen Punkten ja lediglich eine Minimalharmonisierung, was eigentlich dem Trend auf europäischer Ebene zur Maximalharmonisierung entgegenläuft.
AC: Was sind die nächsten Schritte?
CH: Zunächst ist die Übersetzung der neuen Richtlinie und Verordnung in alle Amtssprachen der EU abzuwarten. Sodann wird die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU erfolgen und damit auch der Startschuss für die Umsetzungsfristen. Geltung entfalten sollen die neuen Vorgaben ohnehin erst 30 Monate nach Inkrafttreten, das heißt voraussichtlich Ende 2016/Anfang 2017.
Die Erfahrung zeigt aber, dass es sich mehr als auszahlt, wenn man sich frühzeitig der möglichen Änderungen und des internen Umsetzungsaufwandes bewusst ist. Angesichts der vielen „Baustellen“ und Großprojekte, die Wertpapierdienstleister schon jetzt haben (CRD IV, EMIR, AIFMD), besteht die Gefahr, MiFID II erst mal hinten an zu setzen. Aber es sollte wirklich schon bald damit begonnen werden, MiFID-Projekte aufzusetzen, (erhebliche) Kosten einzuplanen und Ressourcen – intern wie extern – zu sichern.
Unsere Kanzlei informiert daher schon seit einiger Zeit ihre Mandanten umfassend über die Neuerungen und gibt Hilfestellung bei der Vorbereitung der Umsetzung. Wissen um das, was kommt, ist unseres Erachtens zentral.

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