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18. September 2020
Ansehen, Wertschätzung – und die Realität von Berufen

Ansehen, Wertschätzung – und die Realität von Berufen

Wieder einmal gibt es eine Umfrage, die den Versicherungsvertretern die rote Laterne in Sachen Ansehen der Berufsgruppe in der Bevölkerung bescheinigt. Doch was sagt eine Platzierung in diesem Ranking über die Alltagswirklichkeit der jeweiligen Jobs aus – fragt AssCompact-Redakteurin Adele Dietl.

Kommentar von Adele Dietl, AssCompact

Als Kind wollte ich unbedingt Tagesschausprecherin werden. Weil ich dachte, meine Aufgabe sei es dann, freundlich lächelnd und möglichst fehlerfrei Texte – deren Sinn ich nicht verstand, weil sie aus meiner Sicht nur aus aneinandergereihten Floskeln bestanden – vor einer Kamera vorzulesen. Täglich von 20.00 Uhr bis 20.15 Uhr. Mein kleiner Bruder wollte eine Zeit lang Pfarrer werden. Bis man ihm dann erklärt hat, dass ein Pfarrer nicht nur Sonntagmorgens von 09:30 Uhr bis 10.30 Uhr arbeiten muss.

Hinter beiden ehemaligen Berufswünschen steckte die kindliche Annahme, dass ein Job nur aus den nach außen sichtbaren Aufgaben besteht. Sie waren also relativ realitätsfremd, da komplett ausgeblendet wurde, dass ein „Beruf“ zumeist ein komplettes Berufsfeld bedeutet und aus vielen unterschiedlichen Jobbeschreibungen mit breit gefächerten Aufgaben besteht – nach außen gut wahrnehmbaren und solchen, die eher im Verborgenen erledigt werden, aber genauso wichtig sind.

Ebenso verhält es sich mit den in schöner Regelmäßigkeit wiederkehrenden Umfragen über das Ansehen bestimmter Berufsgruppen in der Bevölkerung. Jüngst haben dbb beamtenbund und tarifunion wieder eine solche Umfrage veröffentlicht, die „Bürgerbefragung öffentlicher Dienst 2020“. „Besser Müllmann als Vertreter“ textet das Versicherungsjournal in einer Sonderausgabe und spielt damit darauf an, dass in der dbb-Befragung die „Versicherungsvertreter“ mit lediglich 8% der Nennungen bei hohem oder sehr hohem Ansehen – wieder einmal – das Schlusslicht bilden. Der Müllmann rangiert in der aktuellen Umfrage mit 70% der Nennungen unter den Top-Ten-Berufsgruppen, was das Ansehen in der Bevölkerung angeht; nicht weit hinter den Kranken- und Altenpflegern oder den Erziehern in Kindergarten und Kita.

Klar, die wichtigen und systemrelevanten Aufgaben von Pflege- und Erziehungspersonal sind nicht zuletzt durch die Corona-Krise wieder verstärkt ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt. Und dass die Müllabfuhr einen guten und zuverlässigen Job macht, weiß jeder zu schätzen, der regelmäßig seinen Abfall entsorgt und sich immer wieder über eine frisch geleerte Tonne freuen kann – oder sogar über einen schön gesäuberten öffentlichen Park nach nächtlichem Gelage, alles anonym. Und wie steht es mit den Versicherungsvertretern? Vertreter sind doch diejenigen, die an der Haustür klingeln und einem ganz dreist Dinge andrehen wollen, die man nicht braucht, oder? Und was hat die Frage nach dem Ansehen der Berufsgruppen in der Bevölkerung dann mit der Realität dieser Berufsgruppen zu tun?

Bedeutet Ansehen gleichzeitig auch Wertschätzung?

Die Fragen, die wir uns anstatt dessen alle stellen sollten: „Sind Sie bereit, einen finanziellen Beitrag zu leisten, damit die hoch angesehenen Berufsgruppen der Kranken- und Altenpfleger und des Erziehungspersonals in Kindergärten auch entsprechend entlohnt werden?“ Oder: „Können Sie sich selbst vorstellen, in der kommunalen Abfallentsorgung tätig zu werden?“ Oder: „Ist Ihnen der Unterschied zwischen einem Versicherungsvertreter und einem Versicherungsmakler bekannt? Wissen Sie, dass sich insbesondere letztere auch als Problemlöser und Lebensbegleiter für ihre Kunden verstehen? Dass es auch noch junge Leute gibt, die aus dieser Motivation heraus den Beruf ergreifen? Und dass das Engagement dieser jungen Leute alljährlich im Rahmen einer Brancheninitiative gewürdigt wird?“ (Siehe: Gewonnen: Das sind die Jungmakler 2020)

Die angesprochene „Bürgerbefragung öffentlicher Dienst 2020“ gibt es übrigens hier.

Bild: © Klaus Eppele – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Adele Dietl