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29. Oktober 2020
Warenkreditversicherung: Die Absicherung von Lieferketten

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Warenkreditversicherung: Die Absicherung von Lieferketten

Nachdem der Vortrag von Dr. Arnd Böhmer auf der DKM digital.persönlich leider ausfallen musste, möchte AssCompact seinen Beitrag zur Warenkreditversicherung erneut aufgreifen. In ihm verdeutlicht der Rechtsanwalt der Kanzlei Voigt unter anderem, was Vermittler über Warenkreditversicherungen wissen sollten.

„Die Zahlungsmoral der Firmen sinkt“, titelten am 11.08.2020 die Ruhrnachrichten. Dabei stützten sie sich auf die Analysen namhafter Wirtschaftsauskunfteien, denen zufolge die Corona-Krise zu einem spürbaren Druck auf die Liquidität der Unternehmen geführt habe, und das obgleich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in den letzten Monaten signifikant zurückgegangen sei. Was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, lässt sich durch einen Blick ins Gesetz erklären. Grundsätzlich sind zahlungsunfähige Unternehmen nach § 15a InsO verpflichtet, unverzüglich einen Insolvenzantrag zu stellen. Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie hat diese Pflicht aber bis auf Weiteres ausgesetzt. Also nehmen Firmen, die eigentlich überschuldet sind, weiterhin am Marktgeschehen teil und tätigen rechtswirksam Wareneinkäufe, von denen niemand weiß, ob sie bei Fälligkeit überhaupt bezahlt werden können.

Anders als bei Verkäufen an Endverbraucher werden bei Handelsgeschäften regelmäßig Zahlungsziele gewährt. Diese können zwischen 30 und 180 Tagen liegen. Während dieser Zeit wird die gekaufte Ware regelmäßig bereits weiterveräußert oder verarbeitet, obgleich sie noch nicht bezahlt ist. Die einkaufenden Unternehmen erhalten dadurch deutlich mehr Liquidität als durch Bankkredite. Bei den Lieferanten hingegen wachsen die Außenstände und Unsicherheiten.

Ein Blick auf den Umfang von Warenkrediten zeigt die volkswirtschaftliche Relevanz dieses Risikos. Die Summe der gewährten Warenkredite beträgt in Deutschland ca. 350 Mrd. Euro pro Jahr. Das entspricht in etwa dem Bundeshaushalt. Das Risiko des Verkäufers besteht darin, dass der Käufer vor Ablauf des Zahlungsziels zahlungsunfähig wird. Er kann sich zwar durch Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes schützen. In der Praxis läuft dies aber regelmäßig ins Leere – beispielsweise wenn die Ware zeitnah weiterverkauft werden soll. Dann verbleibt nur die Möglichkeit der Warenkreditversicherung.

Warenkreditversicherung

In der Warenkreditversicherung können Einzelfallgestaltungen individuell geregelt werden, da dieser Versicherungszweig zum einen keine zwingenden Vorgaben durch den zweiten Teil des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) erfährt. Da es sich bei dieser Versicherungsform zweifelsfrei um eine laufende Versicherung im Sinne der § 53 ff. VVG handelt, müssen zum anderen auch die halbzwingenden Versicherungsnehmerschutzvorschriften nicht beachtet werden (§ 210 VVG).

Die Absicherung gegen einen möglichen Forderungsausfall geschieht grundsätzlich im Rahmen eines zweistufigen Verfahrens. Im ersten Schritt muss der Versicherungsinteressent sehr konkrete Angaben über die Art des zu versichernden Geschäftes, sein Debitorenmanagement und die Forderungsausfälle der Vergangenheit machen, damit sich der Versicherer überhaupt ein Bild von dem zu versichernden Risiko machen kann. Dieser Prozess wird Vordeklaration genannt. Einigen sich die Parteien über die Details des Versicherungsschutzes, kommt der sogenannte Mantelvertrag zustande. Sodann muss der Versicherungsnehmer alle seine Kunden im Rahmen der Anbietungspflicht dem Versicherer benennen, denn es ist nur der gesamte Kundenstamm versicherbar.

Wenn eine Forderung versichert werden soll, deren Volumen oberhalb der Selbstprüfungsgrenze liegt, muss der Versicherungsschutz konkret für dieses Geschäft und diesen Abnehmer beantragt werden. In diesem Fall prüft der Warenkreditversicherer zunächst die Bonität des Kunden seines Versicherungsnehmers. Anschließend teilt er mit, ob er die Forderung uneingeschränkt, eingeschränkt oder gar nicht versichert. Uneingeschränkt bedeutet dabei nicht, dass er die gesamte ausgefallene Forderung ersetzt. Selbstbehalte von 30% sind marktüblich. Sie dienen dazu, den Versicherungsnehmer von zu sorglos ausgewählten Geschäftsbeziehungen abzuhalten. Es ist daher auch unzulässig, diese Deckungslücke bei einem anderen Versicherer abzusichern.

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Ein Artikel von
Dr. Arnd Böhmer