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21. Oktober 2020
Wann ein Sturz beim Skifahren ein Arbeitsunfall ist

Wann ein Sturz beim Skifahren ein Arbeitsunfall ist

Ein Unfall beim Skifahren während einer betrieblichen Veranstaltung kann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Dies hat das LSG Stuttgart in einem Urteil deutlich gemacht.

Eine Verletzung, die sich ein Kläger beim Skifahren auf einer vom Arbeitgeber organisierten Reise zugezogen hat, muss seine Berufsgenossenschaft laut Urteil des LSG Stuttgart als Arbeitsunfall anerkennen. Das LSG hat damit das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts aufgehoben. Im konkreten Fall nahm der Kläger, ein Entwicklungsingenieur, gemeinsam mit anderen Mitarbeitern an einer von seinem Arbeitgeber traditionell im März initiierten fünftägigen Reise nach Österreich teil. In drei Gruppen (Wandern, Rodeln, Skifahren) wurden gemeinsame Aktivitäten unternommen. Die Einteilung der Gruppen richtete sich nach Können und Ausdauer. An jeder Gruppe nahm mindestens eine Führungskraft aus der erweiterten Geschäftsführung teil. Nach den Gruppenaktivitäten trafen sich täglich alle Teilnehmer auch durchmischt zum gemeinsamen Austausch. Betriebsfremde nahmen nicht teil.

BG: Private Freizeitinteressen im Vordergrund

Während der Reise stürzte der Kläger beim Skifahren und brach sich hierbei den rechten Unterschenkel und das Steißbein. Seine Berufsgenossenschaft (BG) lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Es liege, so die BG, kein Versicherungsfall vor, weil der Kläger zur Zeit des Sturzes keine versicherte Tätigkeit verrichtet habe. Die zum Unfall führende Teilveranstaltung „Skifahren“ habe nicht allen an der Reise teilnehmenden Beschäftigten offen gestanden. Denn das Skifahren verlange Fertigkeiten, über die nicht alle Teilnehmer verfügten. Ein Gemeinschaftserlebnis mit der Möglichkeit des gegenseitigen Austauschs und der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls sei beim Skifahren im Gegensatz zu anderen möglichen Freizeitveranstaltungen (wie etwa Bowling oder Wanderungen) nur bedingt zu erreichen. Im Vordergrund hätten für den skifahrenden Teil der Belegschaft private Freizeitinteressen gestanden.

Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht (SG)blieb für den Kläger erfolglos, aber im Berufungsverfahren hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen.

LSG Stuttgart: Betriebliche Zwecke auch während Freizeitgestaltung erreicht

Die Auslegung des LSG Stuttgart weicht in wichtigen Punkten von der Sichtweise der BG ab: Mit seiner freiwilligen Teilnahme an der Reise und damit auch am Skifahren habe der Kläger zwar keine Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis als Entwicklungsingenieur erfüllt. Jedoch sei die mehrtägige Reise und das hiervon umfasste Skifahren als versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu werten. Bei natürlicher Betrachtungsweise habe es sich auch um eine einheitliche betriebliche Gesamtveranstaltung gehandelt. Deshalb seien während der Reise vorgesehene Aktivitäten wie das Skifahren versichert gewesen. Durch die Organisation unterschiedlicher Interessengruppen (Skifahren, Wandern, Rodeln) und dem anschließenden gruppenübergreifenden Austausch habe eine Teilnahme möglichst vieler Beschäftigter an der Gesamtveranstaltung gewährleistet werden können.

Hierdurch hätten die betrieblichen Zwecke, nämlich Förderung des Gemeinschaftsgedankens und Stärkung des Wir-Gefühls innerhalb der Belegschaft, erreicht werden können. Gruppenintern sei dies auch in der Skifahrergruppe erreichbar gewesen. So könne das Skifahren bereits auf der Piste durch die gemeinsame Abfahrt zu einer Stärkung des Wir-Gefühls beitragen. Hinzu kämen gemeinschaftliche Aufenthalte an den Liften und Einkehr in Skihütten, bei denen ebenfalls Erfahrungsaustausch, Diskussionen und näheres Kennenlernen möglich gewesen seien. Die privaten Interessen der Skifahrer bzw. deren individuelles sportliches Erleben hätten daher hier nicht im Vordergrund gestanden. Zudem habe die Reise mit einer Beteiligungsquote von über 50% den betrieblichen Zweck erreicht. (ad)

LSG Stuttgart, Urteil vom 28.05.2020, Az.: L 10 U 289/18

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Bild: © Jan – stock.adobe.com