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28. Oktober 2020
Betreuung: Für welche Sachverhalte besteht Geschäftsfähigkeit?

Betreuung: Für welche Sachverhalte besteht Geschäftsfähigkeit?

Kann jemand für einfache Sachverhalte geschäftsfähig sein, wenn er für komplexe Sachverhalte auf einen Betreuer angewiesen ist? Das musste der BGH in einem Fall entscheiden, in dem ein kognitiv eingeschränkter Mann eine übertragene Generalvollmacht auf seinen Sohn abändern lassen wollte.

Stück für Stück die eigenen kognitiven Fähigkeiten einzubüßen, ist eine beängstigende Situation. Unweigerlich ist in einem solchen Fall irgendwann auch der Punkt gekommen, ab dem der Betroffene nicht mehr selbstständig in der Lage ist, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern. Der Betroffene ist dann unter Umständen froh, dass er noch selbst bestimmen kann, wer zukünftig seine Betreuung übernehmen soll. Doch kann eine Entscheidung von derartiger Tragweite überhaupt noch von jemandem getroffen werden, der auf Betreuung angewiesen ist? Dazu musste der Bundesgerichtshof (BGH) nun eine Entscheidung treffen.

Mann will Vollmacht auf Sohn übertragen

Ein Mann, der an einer kognitiven Störung litt, hatte einer Frau 2015 eine General- und Vorsorgevollmacht erteilt. 2018 widerrief er seinen Entschluss jedoch und erteilte stattdessen seinem Sohn beide Vollmachten. Die Frau wollte sich damit nicht abfinden und strengte die Einrichtung der Betreuung des Mannes vor dem Amtsgericht Bremen-Blumenthal an. Dort konnte die ehemals Bevollmächtigte jedoch nur einen Teilerfolg erringen.

Gericht stellt Mann unter Betreuung

Das Amtsgericht entschied sich für einen Kompromiss. Es setzte zwar einen Betreuer ein, wählte dafür aber nicht die klagende Frau, sondern einen Berufsbetreuer. Das Gericht war zu der Überzeugung gelangt, der Mann sei durch seine Erkrankung bereits so stark eingeschränkt, dass er die Vollmacht nicht mehr wirksam auf seinen Sohn habe übertragen können. Andererseits hatte der Mann unmissverständlich den Wunsch zum Ausdruck gebracht, nicht von besagter Frau betreut werden zu wollen.

Landgericht verwirft Einschätzung der Expertin

Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Bremen sah es anders aus. Hier setzte sich der Mann durch und konnte die Aufhebung der Betreuung erreichen. Im Verfahren hatte zwar eine Sachverständige die Meinung vertreten, dass der Mann zwar noch einfache Sachverhalte regeln könne, aber weitreichende Entscheidungen wie eine Vollmachtserteilung nicht mehr überblicken könne. Das Landgericht folgte der Einschätzung der Expertin jedoch nicht, da es die Aufspaltung der Geschäftsfähigkeit nach Tragweite der zu entscheidenden Sache nicht überzeugend fand. So landete der Fall letztlich vor dem BGH.

Keine Geschäftsfähigkeit abhängig von der Tragweite der Entscheidung

Die Bundesrichter bekräftigten im Revisionsverfahren die Entscheidung des Landgerichts. Eine partielle Geschäftsunfähigkeit sei zwar durchaus möglich, aber nur in Fällen, in denen bezogen auf ein bestimmtes Gebiet kein freier Wille mehr gebildet werden könne. Eine Aufspaltung der Geschäftsfähigkeit nach Tragweite der zu entscheidenden Sache sei jedoch nicht zulässig. Die Voraussetzung für eine wirksame Geschäftsfähigkeit sei, einen freien Willen bilden zu können. Nach Ansicht der Bundesrichter sei es hingegen nicht notwendig, dass der Mensch die Tragweite seiner so gebildeten freien Entscheidung bis zum Ende abschätzen könne. Der Mann darf seinem Sohn dementsprechend wirksam eine Generalvollmacht übertragen. Er war zum Zeitpunkt der Übertragung geschäftsfähig. (tku)

BGH, Beschluss vom 29.07.2020, Az.: XII ZB 106/20

Bild: © liderina – stock.adobe.com

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