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Kunstversicherungsmarkt: „Bereit sein, Entwicklungen zu folgen“

Seit über 35 Jahren versichert das Maklerhaus Zilkens Fine Art Kunst und begleitet den Kunstmarkt in all seinen Facetten. Die langfristigen Entwicklungen kennt das Unternehmen genauso gut wie Trends und Hypes und was diese für die Absicherung bedeuten.

Interview mit Dr. phil. Stephan Zilkens, Geschäftsführer der Zilkens Fine Art Insurance Broker GmbH
Herr Dr. Zilkens, wie sehr hat sich der Kunstmarkt in der Corona-Pandemie verändert?

Der Kunstmarkt hat sich letztlich in der Pandemie behauptet. Anfänglich versuchten die Galerien und Auktionshäuser verstärkt über soziale Medien und Internetangebote die Aufmerksamkeit hoch zu halten. Es fehlten ja plötzlich die Messen, um dort Kunden auf die Programme der einzelnen Galerien aufmerksam zu machen. Aber 2022 drehte sich die Situation wieder Richtung zurück zum Normalen. Es sind auch heute gerade im Auktionswesen vermehrt Internetangebote festzustellen. Aber der Handel und das Sammeln von Kunst braucht das Original in direkter Anschauung. Parallel zu den klassischen Kunstformen hat sich in der Pandemie ein kurzer NFT- (Non-Fungible-Token-)Kunsthype entwickelt. Das wird zwar bleiben, aber in dem Sektor haben einige Menschen viel Geld verbrannt.

Welche Folgen hatte das auf den Umsatz im Versicherungsgeschäft?

Im Bereich der Galerien gab es weniger Risiko, keine Messen, weniger Transporte – also wurden die Beiträge gesenkt – in dem Segment 2020 vielleicht 20%. Schlimmer hat es die Ausstellungen in Museen getroffen. Die wurden ja in Deutschland und anderen Ländern nicht als systemrelevant eingestuft und mussten monatelang schließen. Auf das Gesamt­portefeuille der Kunstversicherung dürfte das mit 15 bis 25% Beitragsrückgang im Jahr 2020 durchgeschlagen haben. Andererseits haben die Auk­tionsergebnisse 2021 und 2022 hervorragende Ergebnisse gebracht, was sich dann wiederum auf die Bewertung von Sammlungen überträgt und 2022 lief der Markt auch – von den Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine abgesehen – fast normal. Die Umsatzverluste sind ausgeglichen und neue Wettbewerber am Kunstversicherungsmarkt stabilisieren die niedrigen Beitragssätze der Branche.

Wo liegt Ihr Schwerpunkt – auf der Versicherung einzelner Kunststücke oder auf der Versicherung von Künstlern, Galerien und Museen?

Wir fokussieren uns auf alles, was mit Kunst zu tun hat: Künstler, Sammler, Galerien, Restauratoren, Kunsthistoriker, und das völlig unabhängig von deren geschlechtlicher Selbsteinschätzung. Auch Kunstspeditionen spielen bei unseren Kunden eine große Rolle. Aufgrund der gängigen Ausschreibungspraxis der öffentlichen Hand – „Wir wollen nur billig, die Qualität ist uns egal“ – halten wir uns in diesem Bereich der Kunstversicherung sehr zurück.

Wie hat sich Ihr Unternehmen auf den Bereich spezialisiert und wie sind Sie aufgestellt?

Am Anfang meines Berufs­lebens stand die Kunstabteilung der Nordstern Versicherung, bei deren Aufbau ich mithelfen durfte. Insofern war für mich das Thema Kunst und Versicherung immer präsent. Mit der Gründung meines Unternehmens habe ich dann den alten Fokus wieder aufgenommen, nachdem ich festgestellt habe, dass Sammler und Galerien Ansprechpartner wünschen, die etwas von ihrem Sammelgebiet und ihrem Geschäft verstehen. Unsere Schweizer Kunden und einige Kunden außerhalb der EU bedienen wir über unsere Tochtergesellschaft in der Schweiz. Neben Versicherungskauffrauen sind bei uns auch Kunsthistorikerinnen und Kulturmanagerinnen beschäftigt, die im Versicherungswesen eine Zusatzausbildung absolviert haben.

Ist der Wettbewerb im Maklermarkt intensiv in der Zielgruppe?

Im Bereich der Versicherung von Museen und öffentlichen Institutionen ist der Wettbewerb schon heftig. Es gibt einen Platzhirsch, der seit den 90er-Jahren sein Terrain verteidigt. Ehemalige Mitarbeiter von ihm haben eigene Unternehmen gegründet, die dort in den Wett­bewerb eingreifen. In der Privatwirtschaft wird das Thema deutlich diskreter behandelt. Hier zählen Kompetenz, Vertraulichkeit und Schnelligkeit auf der einen Seite – der persönliche Zugang zum Kunden ist aber letztlich der alles entscheidende Faktor.

Nun hören wir immer wieder von Rekordpreisen auf dem Kunstmarkt. Was hat das für Wirkungen auf die Versicherung, die Ver­sicherungssumme und andere Kennwerte?

Auktionsergebnisse sind Indi­katoren – aber eben nur das. Wir bewerten in Abstimmung mit unseren Kunden die Sammlungen individuell. Und nur weil gerade ein Warhol für 195 Mio. US-Dollar versteigert wurde, heißt das noch nicht, dass alle Warhols mit ähn­lichem Motiv und Größe so zu bewerten sind. Andererseits wirken die Ergebnisse schon auf die Bewertungen, denn letztlich geht es bei der Bestimmung des richtigen Versicherungswertes ja darum, den Besitzer oder die Besitzerin eines Kunstwerkes in die Lage zu versetzen, vergleichbare Qualität am Markt wiederzubeschaffen, wenn eine vom Schaden betroffene Arbeit untergegangen ist.

Man kann daher nicht einfach pauschal vorgehen und nur, weil die Presse berichtet, der Kunstmarkt habe um 15% zugelegt, die Ver­sicherungssummen nach oben fahren. Bei Biedermeiermöbeln wäre das aktuell grundfalsch. In diesem Bereich sind die Preise in den letzten Jahren massiv eingebrochen. Es geht darum, für jedes einzelne Werk den richtigen Wert zu bestimmen – und das setzt tiefe Kenntnisse sowohl beim Makler als auch beim Versicherer voraus.

Finden Sie ausreichend Deckung am Versicherungsmarkt?

Grundsätzlich ja – auch wenn es ein paar Hotspots im Lager­bereich – wie zum Beispiel den Freeport in Genf – gibt, in denen Deckungen sehr teuer geworden sind. Da richtet sich der Preis nur nach Angebot und Nachfrage. Zurzeit können bis zu 5 Mrd. Euro Kapazität auf dem Weltmarkt beschafft werden. Die Frage ist allerdings, wen man als Führungsversicherer auswählt und wie dessen Schadenkompetenz zu werten ist. Da gibt es leider gewaltige Unterschiede und im Gegensatz zu vielen Kunden haben Versicherer Zeit.

Die durch falsch verstandene Compliance-Regeln eingeführte strikte Trennung zwischen Betrieb und Schaden – hier muss man auch der Politik wegen ihrer ideologischen Verblendung im Hinblick auf die Einschätzung des Versicherungswesens einen Vorwurf machen – führt oft zu streitigen Auseinandersetzungen, insbesondere bei größeren Schäden. Da dürfen einem die Underwriter leidtun, deren ursprünglicher Deckungswille oft nicht mehr zählt.

Stellen Fälschungen, Diebstähle und vor allem auch die Attacken von Klimaaktivisten Makler und Versicherer vor steigende Herausforderungen?

Fälschungen sind eigentlich erst ein Thema, wenn sich im Schadenfall herausstellt, dass es eine solche war. Diebstähle von Kunst kommen vor, insbesondere dann, wenn es sich um Arbeiten aus Gold, Silber und anderen leicht verwertbaren Materialien mit hohem Eigenwert handelt. Gemälde und Skulpturen sind da deutlich weniger gefährdet, denn das Art Loss Register und die neue Interpol-App ID-Art blockieren den Markt für gestohlenes Kunstgut. Den Sammler, der sich seine Werke zusammenklauen lässt, um sich dann im bombensicheren Keller daran zu ergötzen, gibt es nur in schlechten Fernsehfilmen – ich habe jedenfalls in fast 40 Jahren noch keinen kennengelernt.

Vandalismus ist da leider schon eher ein Thema. Wenn frustrierte Kriminelle nicht das finden, was sie suchen, kommt es zu Zerstörungen. Die Attacken der Klimaaktivisten sind da schon eher ein Problem, weil sie nicht jedes Bild in jeder Ausstellung hinter Glas schützen können. Die Versicherungswirtschaft hat hier aber noch keine einheitliche Linie und viele Objekte in Museen fallen unter die Staatshaftung, das heißt, wir alle zahlen die Folgen dieser Beschädigungen mit unseren Steuern.

Haben Sie für uns ein besonderes Beispiel eines Schadenfalls und dessen Regulierung?

Ein Sammler gibt eine Porzellanskulptur in eine Ausstellung eines großen internationalen Museums. Beim Auspacken werden Risse in der Bodenplatte festgestellt. Die Versicherung der Institution will den Schaden ablehnen, weil nicht feststeht, ob die Risse nicht schon vor Beginn des Transportes existiert haben. Das Weltmuseum hatte sich die Kosten für ein Zustandsprotokoll gespart und der Sammler war davon ausgegangen, dass ein solches erstellt würde. Letztlich konnte durch zähe Verhandlungen erreicht werden, dass die nicht unerheblichen Restaurierungskosten vom Ausstellungsversicherer übernommen wurden – eine Wertminderung wurde allerdings nicht gezahlt. Hätte der Eigentümer seine eigene Versicherung genommen und das Museum den Beitrag zahlen lassen, wäre er besser entschädigt worden.

Wie versichert man eigentlich ein NFT?

Eigentlich gar nicht! Die klassischen Kunstversicherer trauen sich – zu Recht – an diese Risiken nicht ran und die Cyberversicherer wollen berechtigterweise auch keine hohen Deckungssummen zur Verfügung stellen. Manches Wallet wurde ja schon geknackt – also ist auch dieser Bereich nicht jungfräulich und die Schadenbeispiele motivieren die Risikoträger nicht – was letztlich auch an der problematischen Bewertung der NFTs liegt.

Gibt es sonstige Trends, die den Kunstversicherungsmarkt beeinflussen?

Globale Lieferketten sind auch im Kunstmarkt wichtig. Russische Sammler waren in der Vergangenheit gerne gesehen. Dieser Teil des Marktes fällt in den Ländern, die sich an die Sanktionen halten, komplett aus. Auch die Entwicklung in Hong Kong bleibt abzuwarten, möglicherweise verschiebt sich das Gewicht nach Südkorea. Insgesamt wird der Markt noch internationaler werden, weil Kunst auch als Botschafter für viele Länder gilt. So hat Saudi-Arabien nach Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten angefangen, jetzt auf Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst zu setzen. Entsprechend müssen Versicherer bereit sein, diesen Entwicklungen zu folgen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 34 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Claudia Ast u. Ralf Jürgens

 
Ein Interview mit
Dr. phil. Stephan Zilkens

Wie Versicherer in einer neuen Risikolandschaft unterstützen

Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Versicherung von Kunstobjekten. Jüngste Herausforderungen haben den spezifischen Bedarf der Kunden stark verändert. Versicherer können an vielen Stellen unterstützen – bis hin zur Sanierung von Museen.

<h5>Ein Artikel von Christina Dopplinger, Underwriting Manager Fine Art & Private Clients bei AXA XL</h5><p>Im Fokus der Kunstversicherung steht stets das Kunst­objekt und der Erhalt des Kulturgutes. Die jeweiligen Bedürfnisse der Versicherungsnehmer können sich jedoch deutlich voneinander unterscheiden. Gehen Kunstobjekte beispielsweise zeitweilig als Leihgabe auf Reisen, um national oder international ausgestellt zu werden, sind sie anderen Risiken ausgesetzt, als wenn sie stets an einem Ort verbleiben. Um die jeweils beste Lösung im Sinne des Kunden zu finden, bietet sich die enge Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Kunstver­sicherer an, der nicht erst im Falle einer Schadenregulierung in Erscheinung tritt.</p><p>Kunstspezialversicherer wie AXA XL verfügen über Inhouse-Experten, zum Beispiel Kunsthistoriker, die weit über eine professionelle Schadenregulierung hinaus in allen relevanten Bereichen der Wertschöpfungskette unterstützen können. Dem Fokus der Kunstversicherung entsprechend haben sie Spezialisten für Einbruch-, Diebstahl-, Elementarschaden- und Transportrisiken, kennen sich aber zum Beispiel auch detailliert mit administrativen Anforderungen im internationalen Leihverkehr, Staatshaftungen und lokalen Pflichtdeckungen aus. Mit ihrer fachlichen Expertise im Underwriting und Risikomanagement können sie zudem bei Fragen zu Um- und Anbauten sowie Sanierungen in Ausstellungshäusern beratend zur Seite stehen.</p><p>Eine Vernetzung der Kunstversicherungsexperten mit vielen anderen in der Kunstbranche maßgeblichen Akteuren kann auch im Schadenfall sehr nützlich für den Kunden sein. Schließlich geht es vielen Besitzern von Kunstobjekten im Schadenfall nicht ausschließlich um finanzielle Aspekte, sondern um die möglichst perfekte Restaurierung des betroffenen Kulturgutes durch qualifizierte Fachleute, die auf die jeweilige Kunstrichtung und Materialart spezialisiert sind. Eine schnelle und unkomplizierte Auszahlung berechtigter Ansprüche ist somit nur ein Element unter vielen, wenn Makler im Auftrag ihrer Kunden den optimalen Versicherungspartner suchen.</p><h5>Turbulente Jahre für den Kunstmarkt</h5><p>Die Kunstwelt und mit ihr der Kunstversicherungsmarkt hat, wie viele andere Branchen, turbulente Jahre hinter sich. Angefangen mit der Corona-Pandemie, dem Ukrainekrieg und der daraus resultierenden Energiekrise bis hin zu Menschen, die sich im Namen des Klimaschutzes an Gemälde kleben oder diese mit Farbe, Öl und anderen Materialien bewerfen.</p><p>Die Auswirkungen der Pandemie haben fast alle Akteure im Kunstmarkt vor große Herausforderungen gestellt. So mussten Ausstellungshäuser sowie Museen vorübergehend schließen und dem Kunsthandel wurde es somit verwehrt, im persönlichen Kundenkontakt in Galerien oder auf Kunstmessen sowie in Auktionshäusern dem Bedarf seiner Kundschaft hinsichtlich ihrer Sammlungen wie gewohnt nachzukommen. Gerade der Kunsthandel sah sich mit der wirtschaftlichen Herausforderung konfrontiert, gerade in der Zeit verringerten Absatzes stärker in die Digitalisierung seiner Prozesse zu investieren. Hierbei konnten die Kunstversicherer ihre etablierten Lösungen, angepasst an die neuen Verkaufsprozesse, zur Verfügung stellen. Etwas komplexer gestalteten sich die Auswirkungen der Schließung und damit Verlegung geplanter Kunstausstellungen. Hier war die Expertise eines Kunstversicherers hinsichtlich des Managements von Warehouse-Kapazitäten, der Organisation von Übergangslösungen zwischen neu zu terminierenden Ausstellungen sowie der Anpassung von Leihverträgen und Zertifikaten von großer Wichtigkeit.</p><!--text-long-pagebreak--><!--sub-title||Sanierungsstau bei Museen und Ausstellungshäusern: Unterstützung bei Umbau--><h5>Sanierungsstau bei Museen und Ausstellungshäusern: Unterstützung bei Umbau</h5><p>Museal genutzte Gebäude vieler Kommunen, insbesondere die im 20. Jahrhundert eröffneten Häuser, sehen sich zudem aufgrund des vorhandenen Sanierungsstaus zu Investitionen gezwungen. Die Zeit der Schließungen während der Pandemie hat diesen Effekt der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Sanierungs- und Umbaumaßnahmen verstärkt. Die Nutzung des Fachwissens eines Kunstspezialversicherers kann sich in diesem Zusammenhang auch Investitions- und Unterhaltskosten reduzierend auswirken. Die Experten sind mit den Risikoanforderungen einer Vielzahl von Ausstellungshäusern vertraut und können ihr Wissen zum Vorteil des Kunden in die Baugenehmigungsplanung und Ausschreibungen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse eines Museumsbetriebes einbringen. Fragen zur Abstimmung von Fluchtwegskonzepten im Einklang mit Sicherheitsbereichen von Einbruchmeldeanlagen stellen eine große Herausforderung für die Kommunen dar und bedürfen immer Einzelfalllösungen, ohne die Zielmotive einschlägiger baurechtlicher und technischer Regelwerke außer Acht zu lassen. Die Mitwirkung an der Konzeption derartiger Einzelfalllösungen ist für einen Kunstspezialversicherer täglich gelebte Praxis.</p><p>Neben dem erwähnten Sanierungsstau ergeben sich für alle Kunstakteure, insbesondere aber für die öffentlich-rechtlich organisierten Häuser, verstärkt durch die Energieknappheit als Folge des Ukrainekrieges, neue Anforderungen an energetisch optimierte Bauweisen und das Betreiben von Institutionen. So werden Museen mit geänderten Anforderungen an Temperatur- und Luftfeuchtigkeitskorridore konfrontiert oder gar zur Abstellung von Beleuchtungsanlagen aufgerufen. Auch bei diesen Fragen ist es besonders empfehlenswert, auf das partnerschaftliche Zusammenwirken mit den Experten seiner Kunstversicherung zurückzugreifen. Diese helfen bei der Überprüfung der Konzepte gegen Einbruch und Diebstahl (zum Beispiel Funktionalität Videoüberwachung bei abgeschalteter Beleuchtung), beim Abgleich der neuen klimatischen Empfehlungen mit den Anforderungen an das jeweilige Kunstmedium sowie beim Abgleich der in Leihverträgen vertraglich zugesicherten Rahmenbedingungen.</p><h5>Klimaaktivisten: Neue Risikolandschaften</h5><p>Trotz der Häufung von Angriffen auf Kunstwerke durch Klimaaktivisten kam es bislang glücklicherweise nicht zu erheblichen Beschädigungen der betroffenen Kulturgüter. Dies ist unter anderem auf zusätzliche Präventionsmaßnahmen wie verschärfte Einlasskontrollen und Verglasung von Kunstobjekten zurückzuführen. Sofern sich keine drastische Zunahme von Schäden ergibt, ist diesbezüglich nicht mit einer Steigerung der Prämien, umfassenderen vertraglichen Obliegenheiten oder gar Ausschlüssen in Allgefahrenversicherungskonzepten zu rechnen.</p><p>Die ausgeführten Veränderungen in der Risikolandschaft Kunstwelt sind so vielfältig wie das Kundenspektrum. Um frühzeitig bedarfsgerechte Lösungen herbeizuführen, ist ein enger Austausch zwischen Kunde, Makler und Versicherer unerlässlich.</p><p>Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 30 f., und in unserem <a href="https://epaper.asscompact.de/de/profiles/53e4066999da-asscompact/editio…; target="_blank" >ePaper</a>.</p><p><i class="font-twelve-italic" >Bild: © Seventyfour – stock.adobe.com</i></p><div id="bbgreadlog-getimage"><img src="/bbgreadlog/getimage/FE65C96E-7D6B-4512-9F72-1C2B612B28AA"></div>

 
Ein Artikel von
Christina Dopplinger

Kunst zwischen Authentizität, Echtheit und Fälschung

Nicht jedes authentische Kunstwerk ist echt und nicht jedes echte Kunstwerk ist noch authentisch. Ein unechtes Kunstwerk ist nicht unbedingt eine Fälschung. Gerade wenn es um hohe Versicherungssummen geht, können multidisziplinäre Untersuchungen zur Aufklärung dieser Fragen beitragen.

Ein Artikel von Dr. Martin Pracher, selbstständiger Kunstsachver­ständiger und Dozent für Technische Kunstgeschichte und Präventive Konservierung sowie öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schadenbewertung bei Gemälden und Skulpturen

Ein interessanter Streit beschäftigt derzeit die Museumswelt. Das Amsterdamer Rijksmuseum zeigt ab Februar 2023 eine Vermeer-Ausstellung. Über den berühmten Delfter Maler Jan Vermeer (1632–1675) ist wenig bekannt. Er starb relativ jung und hinterließ weniger als 50 überlieferte Gemälde.

Unter den Exponaten in Amsterdam ist das „Mädchen mit Flöte“, 1669/1675, Öl auf Holztafel, aus der National Gallery of Art, Washington. Das erst 1906 entdeckte Bild war bisher, trotz einiger Unsicherheiten, dem Meister selbst zugeschrieben. Nach intensiver Untersuchung in den letzten Jahren kamen nun die Washingtoner Kunsthistoriker, Restaurierungs- und Materialwissenschaftler zum Schluss, dass das „Mädchen mit Flöte“ lediglich von einem Künstler aus dem engsten Umfeld Vermeers gemalt worden sei. Spekuliert wurde über einen unbekannten Werkstattmitarbeiter und auch Vermeers älteste Tochter wurde in Betracht gezogen. Diese ist aber noch nicht als Malerin nachgewiesen worden. Die Argumentation aus Washington stützt sich unter anderem darauf, dass die Pigmente in der obersten Farbschicht vergleichsweise grob gemahlen seien. Bruchstücke von Pinselhaaren in der Farbe deuteten auf ungewöhnlichen Druck beim Malen oder auf schlechte Pinsel und einen ungelenken Duktus hin.

Ein echter Vermeer oder nicht?

Ob das Rijksmuseum Amsterdam der jüngsten Abschreibung folgt oder das Werk aufgrund eigener Erkenntnisse als eigenhändig ausstellt, ist noch unklar. Das „Mädchen mit Flöte“ ist ein authentisches Bild des 17. Jahrhunderts. Stilistisch Vermeer zuordenbar, mit passenden Materialien aus der Zeit, mit dem richtigen Alter und einer glaubwürdigen Provenienzgeschichte. Ist es aber ein „echter Vermeer“?

Eine zusätzliche Wendung im Fall wurde gerade von einem unabhängigen Londoner Kunstexperten proklamiert: Das Bild sei durch zwei intensive Reinigungen so stark verändert worden, dass die Echtheit ohnehin nicht mehr festzustellen sei.

Das wäre dann ein Verlust der Echtheit durch Verlust der Authentizität. Genau hier greift bei Ver­sicherungsfragen das Konzept der „Wertminderung nach Restaurierung“. Egal wie gut eine Konservierung und Restaurierung nach einem Schaden ist, das Werk ist nicht mehr unversehrt. Diese Veränderung der Integrität eines Kunstwerks im Teilschadenfall wird dann monetär ausgeglichen.

Versicherungswert bei angezweifelter Echtheit?

Der Wert eines Kunstwerks wird also maßgeblich durch seine Echtheit geprägt. Wie verändert sich der Versicherungswert bei einer plötzlich unsicheren oder angezweifelten Echtheit? Wer ist haftbar, wenn sich das Millionenobjekt bei erneuter Untersuchung als Fälschung oder zumindest als falsche Zuschreibung herausstellt?

Besonders wenn es um hohe Werte geht, sollten alle verfügbaren Recherche-, Untersuchungs- und Analysemöglichkeiten ausgeschöpft werden. Es reicht oft nicht, sich auf eine Expertenmeinung oder Untersuchungsart zu verlassen. Im Sachverständigenwesen kommen bei Echtheitsfragen drei bzw. vier Disziplinen zum Einsatz:

  • Stilkritik
  • Materialanalyse
  • Provenienzforschung
  • Oft wird die Kunsttechnologie unterstützend hinzugezogen.
Was hinter den Begriffen steckt

Die Stilkritik ist meist der erste Weg der Echtheitsüberprüfung. Kunsthistoriker, Connaisseure und Kunstsachverständige betrachten das Werk und ordnen es stilistisch ein. Dabei werden Merkmale wie Komposition, Farb- und Formgebung sowie Kunsttechnik betrachtet. Verglichen wird mit bekannten Werken des angenommenen Künstlers oder mit Stücken aus derselben Epoche. Die Treffsicherheit des Ergebnisses hängt dabei naturgemäß von der Erfahrung und dem Fachwissen des Untersuchenden ab.

Um zu sehen, ob die verwendeten Materialien zur angenommenen Entstehungszeit überhaupt bekannt waren und verwendet wurden, können naturwissenschaftliche Materialanalysen durchgeführt werden. Meist werden kleinste Proben aus dem Kunstwerk entnommen und, je nach Fragestellung, mit bildgebenden, spektroskopischen oder chromatografischen Methoden analysiert. Bei organischen Materialien wie Leinwand und Holz kann das Entstehungsalter dendrochonologisch und radiometrisch, bei anorganischen Materialien wie Ton lumineszent nachgewiesen werden. Fälschern sind die Nachweismethoden natürlich bekannt. Sie versuchen den untersuchenden Naturwissenschaftler durch Verwendung von alten oder veränderten Materialien zu täuschen. Auch hier steht und fällt das Ergebnis mit der Erfahrung und Fachkunde des Materialwissenschaftlers.

Einen anderen Weg geht die Provenienzforschung. Sie beschäftigt sich mit der Herkunft und dem Besitzwechsel eines Kunstwerks. Anhand von Vermerken, Ausstellungsaufklebern und anderen Beschriftungen, meist auf der Rückseite eines Kunstwerks, wird seine Geschichte rekonstruiert. Historische Ausstellungs- und Auktionskataloge, Galerie- und Museumsbücher, aber auch Nachlassverzeichnisse, Kaufverträge, Künstlerbriefe und viele andere Quellen werden in detektivischer Recherche ausgeforscht. Im günstigsten Fall lässt sich damit ein Kunstwerk bis ins Künstleratelier zurückverfolgen. Bekannt sind aber auch Fälle, bei denen Provenienzen gefälscht wurden, um ein zweifelhaftes Werk echt erscheinen zu lassen.

Die Disziplin Kunsttechnologie fragt nach der Verwendungsart und der Kunsttechnik des Materials. Ist die Maltechnik typisch für den angenommenen Künstler oder ist der Pinselduktus ungelenk, wie beim „Mädchen mit Flöte“ angemerkt wurde? Welche Werkzeugspuren finden sich in der Rückseitenhöhlung einer mittelalterlichen Figur und passen diese zum angenommenen oder analysierten Alter? Gewonnen werden diese Informationen meist durch bildgebende, multispektrale und mikroskopische Untersuchungen. Überprüft wird mit gesicherten Werken und anhand von mal- und kunsttechnischen Quellen.

Das Tempelmodell im Sachverständigenwesen

Wichtig bei jeder Echtheitsüberprüfung ist es, Fragen zur Verifika­tion, aber auch zur Falsifikation zu stellen. Das bedeutet, dass nicht nur Nachweise zur Echtheit des Kunstwerks gesucht werden, sondern auch danach, dass es sich um ein unechtes, aber authentisches Werk oder gar um eine Fälschung handeln könnte. Gerne neigt man dazu, nur Übereinstimmung zu Vergleichskunstwerken zu suchen und zu sehen. Die Frage, was nicht ins Gesamtbild passt, ist aber oftmals die entscheidendere. Eine Fälschung lässt sich im günstigsten Fall eindeutig nachweisen – einen zweifelsfreien Echtheitsnachweis zu erbringen, ist deutlich komplizierter und manchmal sogar unmöglich.

Im Sachverständigenwesen wird für die Darstellung der drei bzw. vier Disziplinen gerne ein Tempelmodell verwendet. Auf einem Sockel mit Verifizierung und Falsifizierung ruhen vier Säulen. Jede der Säulen stellt eine Disziplin der Echtheits-/Fälschungsuntersuchung dar. Im Giebel steht das Kunstwerk. Wackelt eine der Säulen nach Untersuchung, müssen die anderen Säulen mehr Gewicht tragen oder aber der Tempel stürzt ein. Diese etwas plakative Vereinfachung soll daran erinnern, dass eine einzelne positive Aussage nur begrenzt Gewicht hat.

Der Satz „Laut Materialanalyse spricht nichts gegen die Zuschreibung an Rembrandt“ bedeutet nur, dass alle Materialien zur Lebzeit Rembrandts bekannt waren und verwendet wurden. Es sagt nichts über die Echtheit des Werks als eigenhändige Arbeit des Meisters aus. Die Aussage des Connaisseurs: „Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung kann ich sagen: Es ist ein Vincent van Gogh“ ist eine wenig belastbare und auch gefährliche Tatsachenbehauptung.

Der Versicherungswert eines Kunstwerks ist eng mit Echtheit, Unechtheit, Authentizität und Fälschung verknüpft. Bei hochwertigen Werken ist es daher sinnvoll, nicht nur auf eine Disziplin der Echtheitsüberprüfung zu setzen, sondern multidisziplinäre Untersuchungen und Recherchen durchführen zu lassen. Um bei dem Bildnis des Tempels zu bleiben: Jedes Ergebnis ist ein notwendiger Baustein, der zur Belastbarkeit oder auch zur Destabilisierung einer Aussage beitragen kann.

Hinweis zum Kunstsachverständigentag

Am Samstag, 29.04.2023, findet im Filmforum des Museums Ludwig in Köln der Kunstsachverständigentag des Bundesverbands der Kunstsachverständigen, BVK, zum Thema „Wege zur Wahrheit: Stil – Provenienz – Material und Technik“ statt. Zielpublikum der eintägigen Veranstaltung sind Kunstsachverständige, Kunsthistoriker, Restauratoren, Versicherungen, Museen, Galerien und Sammler. Weiterführende Informationen finden sich unter: bv-kunst.de

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 38 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Hojabr Riahi, Meerbusch bzw. © BillionPhotos.com – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Martin Pracher

Dinos, Uhren und Design: Kunst und Sammlungen versichern

Neben den klassischen Kunstwerken hat es die Mannheimer immer öfter auch mit Sammlungen von Designermoden und naturwissenschaftlichen Exponaten zu tun. Neben den Produkten unter der Marke ARTIMA setzt die Mannheimer aber in der Kunstversicherung vor allem auf Know-how und Betreuung.

Interview mit Birgit Rolfes, Kunsthistorikerin M.A. und Leiterin ARTIMA bei der Mannheimer Versicherung
Frau Rolfes, die Mannheimer zählt zu den ältesten Kunstversicherern in Deutschland. Geben Sie uns doch bitte einen kurzen Abriss zur Geschichte.

Die Mannheimer Versicherung wurde im 19. Jahrhundert als Transportversicherer von den hier ansässigen Kaufleuten gegründet, die für den eigenen Bedarf eine Transportversicherung für ihre Schiffsladungen und Schiffe benötigten, die vom Mannheimer Hafen aus in die Welt fuhren. Mittlerweile gehört die Mannheimer zum Continentale Versicherungsverbund und hat sich auf die Bedarfe besonderer Zielgruppen spezialisiert. Seit über 30 Jahren lebt sie eine Markenphilosophie, in der Service und Know-how für die Preziosen der Kunden im Vordergrund stehen. Wir versichern unter verschiedenen Marken besondere Zielgruppen. So ist beispielsweise die Marke BELMOT unser Spezialist für Oldtimer, ARTIMA für die Kunstversicherung und NAUTIMA für Boote.

ARTIMA ist heute in Bezug auf Fachpersonal, hier meine ich insbesondere unsere Underwriter, als auch in Bezug auf Kapazitäten und Produkte einer der wichtigsten Kunstversicherer in Deutschland. Wir beschäftigen zehn Kunsthistoriker bundesweit, die sich auf Augenhöhe mit unseren Kunden und Vertriebspartnern austauschen. Sie sind zudem gut in der Sicherungs- und Versicherungstechnik ausgebildet, damit sie unsere Kunden engmaschig und serviceorientiert betreuen können.

Wie sieht die Produktwelt von ARTIMA aus?

Wir beschäftigen uns mit allen Komponenten des Kunstmarktes. Wir versichern Künstler, Restauratoren, Museen und andere Ausstellungsinstitutionen sowie, sehr wichtig für uns, private Sammler. Und das jeweils mit einem speziellen Bedingungswerk.

Für eine besondere Gruppe innerhalb der Sammler haben wir kürzlich ein weiteres eigenes Produkt aufgelegt: eine Allgefahrenversicherung für Modellfahrzeuge aller Art. Das erschien uns notwendig, um den besonderen Versicherungsbedarf für die Modelllandschaften und die Außenbahnen passgenau abzubilden. In Zusammenarbeit mit Spezialisten aus der Modellbahnwelt sind wir in diesen ganz eigenen spannenden Kosmos der historischen und aktuellen Spielwelten eingetaucht.

Sie sagten vorhin, Sie seien einer der personalstärksten und ältesten Kunstversicherer. Ist denn der Wettbewerb relativ stabil oder ändert sich das Angebot stetig?

Der Kunstversicherungsmarkt ist nicht wirklich transparent, da Versicherer Kunstkunden in verschiedensten Sparten und Produkten absichern, bei denen nicht immer gleich der Bezug zur Kunstversicherung ersichtlich ist. Einige Entwicklungen lassen sich trotzdem beschreiben. Es gibt nach wie vor große Player, die wie ARTIMA kontinuierlich seit langer Zeit am Markt präsent sind. Daneben tauchen immer mal wieder neue Namen auf und manchmal verschwinden sie dann auch wieder. Hier kann man gut beobachten, was sich im Wettbewerb tut und wer sich etabliert.

Simpel gefragt: Ist es schwer, Kunst zu versichern?

Es kommt auf die Perspektive an. Für uns ist es nicht schwer, „Kunstkunden“ zu versichern. Manche Versicherungsberater oder Kunden sind aber noch unerfahren und haben deshalb großen Respekt vor dem Know-how, das mit der Kunstversicherung einhergehen muss. Aber da stehen wir immer mit all unserem Fachwissen zur Seite. Unsere Vertriebspartner werden geschult und einige Maklerhäuser sind selbst sehr spezialisiert. Für den weniger geübten Vermittler scheint es dagegen schwer zu sein, den Spezialbedarf eines „Kunstkunden“ zu erkennen. Da besteht die große Gefahr, dass Sammlungen, Galerien oder Restauratoren auf Basis von ganz normalen Sachinhaltsbedingungen versichert werden oder im Rahmen von Standard-Hausratdeckungen.

Gehen Ihre Underwriter denn bei der Risikoanalyse mit?

Ja, in Zusammenarbeit mit einem Vertriebspartner führen wir eine Besichtigung bei einem Neukunden durch. Bei Sammlern nehmen wir zusammen mit dem Kunden dessen Kunstgegenstände auf. Im Nachgang erarbeiten wir eine Liste, in der wir Versicherungswerte vorschlagen, die wir mit dem Sammler besprechen, um gemeinsam vereinbarte Versicherungswerte festzulegen. Ein weiterer wichtiger Aspekt während der Besichtigung ist die Begutachtung der vorhandenen Sicherungen. Wir beraten hier gerne, damit der Kunde und sein Besitz bestmöglich geschützt sind und wir damit auch die besten Beiträge anbieten können.

Teilweise bieten Maklerunternehmen selber solch eine umfangreiche Betreuung und arbeiten dafür mit eigenen Kunsthistorikern am Markt. Wenn der Spezialmakler bereits die Risikoeinschätzung und die Kunst-Listen erstellt hat, kann unsere Besichtigung dann entsprechend kürzer ausfallen.

Sammler machen den Großteil Ihrer Kundengruppe aus. Gibt es bei den Sammlungen große Veränderungen?

Hier ist tatsächlich eine interessante Veränderung zu beobachten. Kunden haben ihr Kaufverhalten deutlich in Richtung gezielter Investition gewandelt und sammeln verschiedenste Objekte, die zu ihrem Lifestyle passen. Vor 20 Jahren hat ein Großteil der Kunden beispielsweise eher auf traditionelle Wohnkultur mit Korpussilber, umfangreichem Silberbesteck, Antiquitäten und historischen Bildern Wert gelegt. Heute umgeben sich die Menschen eher mit modernen Klassikern des 20. Jahrhunderts, zeitgenössischer Kunst und drücken in ihrem Alltagsumfeld durch Designermoden, Handtaschen und Uhren ein anderes Sammlungsbewusstsein aus. So ist bekanntermaßen um Sneaker und teure Handtaschen ein großer Hype entstanden.

Wird es nicht schwieriger, die Abgrenzung zwischen Hausrat und Kunst zu finden?

Diese Schwierigkeit ist schon manchmal gegeben, da sehr viel mehr als nur bildende Kunst gesammelt wird und Sammlungsobjekte im Alltag genutzt werden. Das hängt dann von mehreren Faktoren wie zum Beispiel der Nutzung, Aufbewahrung, Wertigkeit ab. Die Sammlungsobjekte sollten mit Blick auf Mindestbeiträge einen Wert ab 30.000 Euro haben, damit eine Kunstversicherung zum Tragen kommen kann.

Der Wert eines Kunstwerkes kann schnell fallen oder steigen. Was bedeutet das für die Versicherungswerte?

Jetzt sprechen Sie das spannende Thema Neubewertung für gelistete Sammlungsobjekte an. Im Allgemeinen ist es sinnvoll, wiederkehrend etwa alle drei Jahre eine Prüfung der einzelnen Versicherungssummen vorzunehmen. In diesem Zeitraum entwickelt sich der Markt einzelner Künstler und Objekte manchmal erheblich nach oben oder unten und teilweise bleiben Werte auch stabil.

Informationen zu positiven Wertentwicklungen nehmen die Kunden im Allgemeinen freudig auf. Es braucht jedoch etwas Fingerspitzengefühl, seinem Sammler zu erklären, wenn das Gegenteil eingetreten ist. Aber es ist unser Verständnis von Seriosität, in beide Richtungen zu beraten, und dann stellt es sich als großer Vorteil heraus, dass unsere Underwriter die Kunden und deren Sammlungen persönlich kennen.

Hat sich mit der Veränderung der Sammlungen auch die Zielgruppe erweitert?

Uns erreichen mittlerweile viele Sammlungsanfragen auch aus dem gehobenen Design- als auch technischen und naturwissenschaftlichen Bereich. Auch hier hat sich ein gut verlaufender Markt mit Rekordverkäufen von zum Beispiel Dinosaurier-Skeletten entwickelt. Wissenschafts- und technikbegeisterte Sammler bereichern unseren Bestand und führen uns spannende Sammlungsgebiete vor. Insofern beantworte ich Ihre Frage entschieden mit ja.

Planen Sie aktuell Überarbeitungen Ihrer Konzepte?

Wir sind gerade dabei, unsere beiden „dienstältesten“ Bedingungswerke zu überarbeiten, damit Restauratoren und Künstler zukünftig auf breiterer Basis versichert werden können. Für Künstler gibt es nun Bausteine für die Versicherung von Medienkunst; Betriebseinrichtungen von Restauratoren und Künstlern sind zukünftig umfangreicher abgesichert und die automatisch mitversicherten Kosten sind erweitert und angehoben worden.

Unsere Produkte für private Sammler werden regelmäßig überarbeitet. Neben dem reinen Bedingungswerk – Allgefahrendeckung, großzügige Kostenpauschalen, weltweiter Geltungsbereich und Transporte – macht in der Kunstversicherung aber eigentlich die Betreuung den Unterschied. Die Produkte sind vergleichbar, in der Betreuung kann sich die Mannheimer positiv absetzen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 32 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Birgit Rolfes, Mannheimer Versicherung

 
Ein Interview mit
Birgit Rolfes

„RNext-Schadenservice bietet sehr großen Mehrwert für Makler“

In der Schadenbearbeitung setzt ERGO auf das neue BiPRO-Normenmodell RNext. Welche Vorteile es für Makler und Schadenabteilungen bietet und welche Bedeutung das Thema Schadenregulierung im Maklervertrieb des Versicherers einnimmt, dazu hat AssCompact bei ERGO nachgefragt.

<h5>Interview mit Peter Koßmann, Leiter Maklervertrieb Schaden/Unfall bei der ERGO Versicherung AG, und Karin Brandl, Bereichsleiterin Schaden KOMPOSIT bei der ERGO Versicherung AG</h5><h5>Frau Brandl, der Wert einer Versicherung zeigt sich im Schadenfall. Kunden und Makler wollen eine schnelle Regulierung, Versicherer eine effiziente Abwicklung. Das könnte gut zusammenpassen, klappt aber nicht immer, oder?</h5><p><b>Karin Brandl</b> Nein, nicht immer. Manchmal liegen die Erwartungen von Kunden bzw. Maklern anders als die des Versicherers. Eines ist jedoch gewiss: Der Schadenfall ist entscheidend, um den Vertrauensvorschuss des Kunden zu bestätigen. Dies gelingt uns immer besser, da wir alle unsere Produkte und Prozesse am Kunden ausrichten und so die Interessenlagen immer mehr zueinander führen können.</p><h5>Wo sehen Sie bislang die größten Baustellen in der Praxis – auch in der Zusammenarbeit mit Maklern?</h5><p><b>KB</b> Aus Schadensicht ist dies eindeutig die Kommunikation: Verzögerungen können an vielen Stellen des Prozesses auftreten. Durch die besondere Dreier-Konstellation – Kunde-Makler-Versicherer – dauert es oftmals länger, bis wirklich alle benötigten Informationen vom Kunden über den Makler zu uns gelangen. </p><p><b>Peter Koßmann</b> In diesem Bereich benötigen wir strukturierte Datenmodelle und automatisierte Prozesse, um noch effizienter zu werden. Auch die Regulierung könnte an manchen Stellen einfacher ablaufen. Hieran arbeiten wir aktuell. Zudem gibt es noch komplexe Bedingungen und Sonderregelungen in unseren Produkten, die wir angehen. Wir kennen unsere Baustellen und sind auf einem guten Weg, diese zu beheben.</p><h5>Die Digitalisierung bietet Lösungen an – von Schaden-Apps bis KI ist alles dabei. Die Möglichkeiten für die Schadenregulierung sind vermutlich noch lange nicht ausgeschöpft?</h5><p><b>KB</b> KI-Technologien bergen noch ein enormes ungenutztes Potenzial. Bereits heute ist absehbar, dass sie die Versicherungsbranche ordentlich auf den Kopf stellen werden. Der Bereich, in dem sie potenziell ihre größte Wirkung entfalten werden, ist das Kundenerlebnis. Die ersten Auswirkungen der Digitalisierung sind aktuell schon sichtbar: Der Datenaustausch über digitale Schnittstellen und die Entwicklung weg vom Papier haben viele Prozesse revolutioniert und deutlich effizienter gemacht. Wichtig ist, dass wir uns gemeinsam mit unseren Maklern weiterentwickeln, um den Mehrwert solcher digitalen Lösungen auf beiden Seiten nutzbar zu machen.</p><h5>Diese Visionen sind manchmal noch weit weg von der täglichen Kommunikation zwischen Versicherern und Maklern. BiPRO soll das ändern, mittlerweile sprechen wir von der Generation RNext. Was verbirgt sich hinter? </h5><p><b>PK</b> BiPRO RNext ist ein neues Normenmodell. Die BiPRO hat damit auf die sich wandelnden Anforderungen bei der Einführung agiler Methoden, der Entwicklung cloudbasierter Dienste sowie neuer Tools und Programmiersprachen reagiert. Diese Normen nutzen wir, um künftig die Schadenmeldungen online und in einem strukturierten Datenformat zu erhalten. Bisher lief dies über den klassischen Mail-­Versand, was regelmäßig zu Ungenauigkeiten in den zugelieferten Daten führte und eine maschinelle Verarbeitung erschwerte.</p><p>RNext bietet jetzt die Möglichkeit der Online-Meldung über eine Schnittstelle direkt im Maklerverwaltungsprogramm (MVP), was dazu führt, dass wir als Versicherer die Daten im „richtigen“ Format erhalten und diese digital verarbeiten können. Neben der Möglichkeit, den Schaden bequem aus dem MVP zu melden, bietet der RNext-Schadenservice noch weitere Vorteile: Zu jedem Schaden kann eine Detailabfrage angefordert werden, die Informationen zum gewünschten Schaden liefert. Dabei handelt es sich z. B. um den aktuellen Status, erfolgte Zahlungen, das Schadendatum oder den zuständigen Sachbearbeiter. Diese volldigi­tale und auf Knopfdruck mögliche Schadeninformation erspart den Maklern und uns zeitaufwendige Telefonnachfragen und ist somit ein Effizienzgewinn für beide Seiten.</p><!--text-long-pagebreak--><!--sub-title||Welche Bedeutung hat die Schadenregulierung für den Maklervertrieb Schaden/Unfall? Lange war Schaden bei BiPRO gar kein Thema.--><h5>Welche Bedeutung hat die Schadenregulierung für den Maklervertrieb Schaden/Unfall? Lange war Schaden bei BiPRO gar kein Thema.</h5><p><b>PK</b> Die Schadenregulierung war für den ERGO Maklervertrieb natürlich auch bisher ein Erfolgstreiber, konnte jedoch nicht stringent End-to-End betrachtet werden. 2020/21 haben wir dann den Aufbau einer BiPRO-Schadenschnittstelle priorisiert und entsprechend fokussiert vorangetrieben. Mit der RNext-Schnittstelle zahlen wir auf unser Werteversprechen ein, unseren Maklern exzellente Serviceprozesse zur Verfügung zu stellen, die schnell, digital und intuitiv sind. Gerade im schaden­intensiven Kfz-Bereich, etwa dem Flottengeschäft, bietet der neue Schadenservice einen großen Mehrwert für unsere Makler und eine Entlastung für die Schadenabteilungen. Ziel ist es, unseren gesamten Wertschöpfungsprozess schneller und digi­taler zu machen und dabei die Bedürfnisse unserer Makler in den Mittelpunkt zu stellen. Die neuen RNext-Normen tragen einen wichtigen Teil zur Erreichung dieses Ziels bei.</p><h5>Geht es hauptsächlich um den Bereich Kfz-Versicherung? Oder ist das nur der Start?</h5><p><b>KB</b> Kfz ist der Startpunkt, da wir hier schon sehr viel in den FolgeJourneys finalisiert haben. Aber natürlich werden wir dieses Jahr spartenübergreifend weitere Journeys umsetzen. Im Fokus stehen Sparten mit hohen Schadenzahlen wie Sach oder Haftpflicht. </p><p><b>PK</b> Gemäß dem Grundsatz „Die Norm ist der Code“ ist der Anbindungsprozess von RNext-Schnittstellen deutlich zeit- und kosteneffizienter geworden. Als Pioniere im Markt stellt uns das Projekt vor besondere Herausforderungen. Ziel für die nächsten Jahre ist es, die RNext-Services weiter auszubauen und diese Services möglichst vielen Maklern zur Verfügung zu stellen.</p><h5>Könnten Sie den Prozess anhand eines Beispiels erläutern? </h5><p><b>KB</b> Angenommen, ein Kunde hat einen Tierschaden und meldet bei seinem Makler, dass das Fahrzeug nicht mehr fahrtüchtig ist und besichtigt werden soll. Dabei steht ein möglicher Totalschaden im Raum. Der Makler gibt zunächst eine Meldung im MVP ein und diese geht bei uns per BiPRO ein. Gleichzeitig erfolgt eine automatisierte Schadenanlage und eine Deckungsprüfung wird angestoßen. </p><p>Über die Schnittstelle erhalten Kunde und Makler innerhalb von wenigen Minuten eine Rückmeldung mit Schadennummer und im Idealfall eine Deckungsbestätigung. Bei uns wird der Schaden automatisiert in die weitere Verarbeitung gegeben, das heißt, ein Auftrag geht an einen Sachverständigen raus. Dann meldet sich der Sachverständige auf Wunsch beim Makler oder Kunden und vereinbart einen Besichtigungstermin.</p><p>Nach der Besichtigung erfolgt die Erstellung des Gutachtens. Dies kann der Makler in BiPRO verfolgen und ist damit jederzeit auskunftsfähig gegenüber seinem Kunden. Je nach Entscheidung und Gutachtenhöhe zahlen wir entweder nach Gutachten aus oder beauftragen die Reparatur.</p><!--text-long-pagebreak--><!--sub-title||Was sind denn die Voraussetzungen, um als Makler eine RNext-Schnittstelle nutzen zu können?--><h5>Was sind denn die Voraussetzungen, um als Makler eine RNext-Schnittstelle nutzen zu können?</h5><p><b>PK</b> Voraussetzung ist zunächst eine Mitgliedschaft im BiPRO e. V. Um die Schnittstelle nutzen zu können, müssen die Makler sie implementieren. Die meisten mittelständischen Makler sind bereits BiPRO-Mitglieder, da sie schon andere Normen nutzen. Bei Interesse lohnt es sich immer, seinen Maklerbetreuer anzusprechen.</p><h5>Um einen neuen Standard zu eta­blieren, braucht es ja möglichst viele Mitstreiter in der Branche. Wie sehen Sie RNext hier bislang aufgestellt? Wer ist denn aktuell bereits an Bord? </h5><p><b>PK</b> Derzeit dürften wir mit RNext einer der Frontrunner sein. Aber auch große Mitbewerber haben sich bereits auf den Weg gemacht, die neue Normengeneration zu implementieren. </p><h5>Wie sieht denn der Fahrplan für das laufende Jahr aus? </h5><p><b>PK</b> Wir werden die BiPRO-­Services konsequent weiter ausbauen und diese möglichst vielen Maklern zur Verfügung stellen. Gleichzeitig werden wir unsere Services optimieren und auf die übrigen Kompo­sit-Sparten ausdehnen. Ziel ist es, unseren Kunden die beste Schadenregulierung am Markt zu bieten.</p><p>Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 24 f., und in unserem <a href="https://epaper.asscompact.de/de/profiles/53e4066999da-asscompact/editio…; target="_blank" >ePaper</a>.</p><p><i class="font-twelve-italic" >Bild: © </i><i class="font-twelve-italic" >Peter Koßmann und Karin Brandl, ERGO Versicherung AG</i></p><div id="bbgreadlog-getimage"><img src="/bbgreadlog/getimage/1DAFC750-15F4-4CA5-9FC2-51757BA8818D"></div>

 
Ein Interview mit
Karin Brandl
Peter Koßmann

Kunst: Im Schadenfall geht es um mehr als Sachschaden

Kunstversicherung: Wie ersetzt man etwas Unersetzliches, das einen hohen emotionalen Wert hat? Die Antwort ist hart: Der finanzielle Wert eines Kunstwerkes kann abgesichert werden, den emotionalen Wert bekommt man nicht wieder zurück. Für Versicherungsmakler ergeben sich daraus besondere Anforderungen.

<h5>Ein Artikel von Jennifer Donath, Kundenberaterin Fine Art bei der ARTUS GRUPPE</h5><p>Der Kunstversicherungsmarkt ist seit Jahren stabil, und dennoch blicken nur wenige Makler und Versicherer auf eine langjährige Erfahrung in der Kunstversicherung zurück. Know-how in der Kunst ist vielseitig und wird über lange Zeit gewonnen. Der Versicherungsgegenstand unterscheidet sich stark von den klassischen Sparten wie Sach- oder Haftpflicht. Zum einen ist Kunst im Versicherungskontext ein weiter Begriff, der neben Gemälden auch Skulpturen, Schmuck und alte Bücher fasst. Zum anderen ist jedes Kunstwerk ein Unikat. Um Deckungssummen richtig kalkulieren zu können und auch, um einschätzen zu können, ob Versicherer die Werteermittlung im Sinne des Kunden vornehmen, gehört neben Fachkenntnis auch Leidenschaft. Dazu kommt: Nicht jeder Versicherer bietet auch Kunstversicherungen an. Als Makler kommt es darauf an, die Versicherungen und ihre Unterschiede zu kennen. Im Idealfall hat man eine gute Beziehung zu den Kunstversicherern aufgebaut.</p><h5>Große Unterschiede auf Kundenseite</h5><p>Beim Versicherungsgegenstand wird es knifflig, die Versicherung selbst unterscheidet sich schon auf Kundenseite – man muss besonders darauf achten, ob es sich um private Sammlungen handelt oder beispielsweise um Restauratoren oder Museen – jeder Kunde hat spezielle Anforderungen, die ein Makler kennen und verstehen sollte. „Bei ARTUS haben wir zum Beispiel eigene Wordings mit Deckungs­erweiterungen und vereinfachten Obliegenheiten verhandelt. Bei einigen Versicherern arbeiten wir mit Zeichnungsvollmachten, damit wir den Kunden einen Versicherungsabschluss anbieten können, wenn es mal schnell gehen muss“, erklärt Geschäftsführerin der ARTUS Berlin, Annett Luth. Bei privaten Sammlungen werden sogenannte „defective titles“ mitversichert. Kauft der Kunde ein vermeintlich gestohlenes Kunstwerk oder Kunstwerk unbekannten Ursprungs und muss es an den rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden, bekommt er eine vereinbarte Entschädigungsgrenze zuzüglich der anfallenden Rechtskosten erstattet. Ohne Versicherung würde der Käufer völlig leer ausgehen.</p><p>Bei Kunstwerken gilt meist eine Allgefahrendeckung. Versichert sind in diesem Rahmen zum Beispiel auch der Verlust sowie die einfache Beschädigung. Ein Kunstwerk ist gerade für Sammler in den meisten Fällen mit emotionalen Werten verbunden, die mit Geld so leicht nicht ersetzt werden können. Wo es vor einiger Zeit noch häufig zu Kunstdiebstählen kam, wirkt heute die Digitalisierung entgegen. Vor allem durch das Art-Loss-Register nehmen Diebstähle ab – hier erfolgen Eintragungen gestohlener Werke nach Bekanntwerden des Diebstahles, gleichzeitig sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Wiederverkaufs. Dadurch konnten bereits viele verschwundene Exponate wieder ausfindig gemacht werden.</p><!--text-long-pagebreak--><!--sub-title||Netzwerk und Kooperations­verträge mit Maklern--><h5>Netzwerk und Kooperations­verträge mit Maklern</h5><p>Als Makler ist man nicht nur in Fragen zur Versicherungspolice erster Ansprechpartner, sondern auch wenn es um Instandsetzungs- oder Restaurierungsvorhaben geht. Vor allem im Schadenfall ist ein vertrauensvolles Verhältnis von Vorteil, da Schäden auch vor Ort begutachtet werden. Zum Repertoire gehört aber auch die Bewertung von Einbruchdiebstahlsicherungen, die für einige Kunstwerke durchaus wichtig sind – ob sie notwendig sind oder nicht, kann ein Makler nach einer Analyse vor Ort beurteilen. Grundsätzlich ist ein Netzwerk außerhalb der Versicherungsbranche von Vorteil. Hierzu zählen zum Beispiel Restauratoren für Kunst jeder Art und Sachverständige, die wissen, wie ein bestimmtes Kunstwerk instand gesetzt werden muss, damit es nur einen geringen oder möglichst keinen Wertverlust erleidet.</p><p>„Auch Kooperationsverträge zwischen Maklerhäusern kommen durchaus infrage“, erklärt Annett Luth. In solchen Verträgen sind die Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Entgelt, Wettbewerbsverbote und Tätigkeitsfelder geregelt. Durch eine Kooperation profitiert der Kunde daher am meisten, denn nicht jeder Makler kann sich auch in Nebensparten perfekt auskennen und ein Netzwerk mitbringen. Fachmakler im Bereich Kunst arbeiten oft mit Rahmenverträgen und erhalten andere, bessere Konditionen, als wenn Risiken einzeln ver­sichert werden. Ein Vorteil, der bei Kooperationen erst dem Makler, letztendlich aber auch den Kunden zugutekommt. Gleichzeitig können durch Kooperationen bestehende Ansprechpartner gleich bleiben und das Vertrauensverhältnis von Makler und Kunde bleibt unangetastet.</p><p>Maklerhäuser haben so die Möglichkeit, einen Kunden komplett abzubilden. Das ist auch dann von Vorteil, wenn nur ein bis zwei Bilder im Büro versichert werden sollen oder wenn es um das Aufstellen einer hochwertigen Skulptur geht. Ein gutes Netzwerk – das auch andere Makler beinhaltet – wirkt sich positiv auf das Image, aber auch auf die Zufriedenheit der Kunden sowie deren Erhalt aus.</p><!--text-long-pagebreak--><!--sub-title||Professionell, aber auch sehr emotional--><h5>Professionell, aber auch sehr emotional</h5><p>Bei einer Kunstversicherung geht es aber um viel mehr als die Versicherung selbst. Die Beziehung zu Kunden ist daher eine ganz besondere – vor allem wenn es Privatkunden sind. Neben der Beratung, welche Deckungssumme angebracht ist, geht es auch darum, Standorte der Kunstwerke zu sichten und Risiken zu minimieren. Kunst ist nicht nur stationär – oft reisen besondere Stücke auf Ausstellungen oder Messen, dann gilt es, einen vollwertigen Versicherungsschutz für den Transport zu finden.</p><p>Der private Bereich ist emotionaler. ARTUS hat einige Sammler im Kundenstamm, die ihre Kunst bereits seit den 50ern besitzen. Da herrscht eine andere Verbundenheit. Wenn ein Teil einer großen Sammlung verloren geht, macht das etwas mit den Menschen. Und gerade das macht die Kunstver­sicherung zu einer besonderen Sparte: Nicht jeder ist kunstverbunden, aber wer es ist, der fühlt eine Verbundenheit zu den Kunstwerken oder Schmuckstücken, die kein Zweiter empfindet. Etwas, auf das man sich als Makler einlassen muss. Denn im Schadenfall geht es um mehr als einen Sachschaden. Es geht um Emotionen und Gefühle, die durch Geld nicht ersetzbar sind. Das Unersetzbare kann daher keiner wiederbringen – der Makler kann aber dabei helfen, die Risiken für Schäden zu minimieren.</p><h5>Über die ARTUS GRUPPE</h5><p>Die ARTUS GRUPPE betreut vorwiegend Kunden aus der Industrie. In der Sparte der Kunstversicherung zählen neben Privatpersonen auch Antiquare, Galerien und Auktionshäuser zu den Kunden, die beispielsweise einzelne Bilder oder große Sammlungen gut versichert wissen möchten. Die ARTUS GRUPPE ist seit 1981 ein unabhängiger Makler mit 14 Unternehmen in Deutschland und der Schweiz. Das Maklerhaus deckt alle Sparten ab und hat sich an einzelnen Standorten spezialisiert – am Standort Berlin mit der ARTUS Berlin Versicherungsmakler GmbH auf Kunst, Immobilien und Industrie.</p><h5>Über die Autorin</h5><p>Die Versicherungskauffrau Jennifer Donath hat sich auf die Sparte Kunst als Teil der Transportversicherung spezialisiert. Sie betreut Kunden im Bereich Fine Art, verhandelt Wordings und unterstützt ihre Klienten dabei, diverse Kunstgegenstände umfassend zu versichern.</p><p>Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 36 f., und in unserem <a href="https://epaper.asscompact.de/de/profiles/53e4066999da-asscompact/editio…; target="_blank" >ePaper</a>.</p><p><i class="font-twelve-italic" >Bild: © mariesacha – stock.adobe.com</i></p><div id="bbgreadlog-getimage"><img src="/bbgreadlog/getimage/23773BDC-CB22-4268-9ABB-85BC9DBDACDF"></div>

 
Ein Artikel von
Jennifer Donath

GDV: Beitragseinnahmen 2022 leicht gesunken

Am Vormittag des 26.01.2023 fand die Jahresmedienkonferenz des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft statt. Darin informierte Präsident Norbert Rollinger über den Geschäftsverlauf im vergangenen Jahr 2022 und prognostizierte auch die Umsätze für 2023.

2022 war aus wirtschaftlicher Sicht in vielerlei Dingen herausfordernd, vor allem aber schwer vorherzusehen. Vor allem der Krieg in der Ukraine sorgte europaweit und global für viele Fragen in Sachen Sicherheit und Energieversorgung, auch steigende Preise waren allgegenwärtig. Und hinzu kamen die ökologischen Sorgen, bedingt durch die immer weiter fortschreitende Klimakrise. 2022 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, nur ein Jahr nach der Flutkatastrophe „Bernd“.

Mit dieser Einleitung moderierte Dr. Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) die GDV-Jahresmedienkonferenz am Vormittag des 26.01.2023 an. Darin informierte Rollinger über den Verlauf des Geschäftsjahres 2022 für die Versicherer und wagte auch einen Blick in die Zukunft. Das Fazit dürfte angesichts der aktuellen Lage lauten: Glück im Unglück.

So lief 2022 für den GDV

Nimmt man alle Sparten zusammen, so seien die Beitragseinnahmen im vergangenen Jahr um 0,7% gesunken – ein „ordentliches Ergebnis“, wie Rollinger findet. Nicht von der Hand zu weisen sei jedoch, dass die realen Einkommensverluste und die große Verunsicherung vor allem das Geschäft der Lebensversicherer belasten. In der Schaden- und Unfallversicherung sowie der privaten Krankenversicherung gebe es aber weiterhin Beitragszuwächse.

Schaden- und Unfallversicherung

Auf den ersten Blick entwickelte sich der Bereich der Schaden- und Unfallversicherungen für den GDV positiv. Nach einem Verlustjahr wurden hier wieder schwarze Zahlen geschrieben mit 4% gestiegenen Einnahmen und 5,6% gesunkenen Ausgaben – dies entspricht einem versicherungstechnischen Gewinn von 5%.

Doch der Vergleich mit dem Vorjahr hinkt. Denn 2021 war das teuerste Naturgefahrenjahr seit Beginn der GDV-Statistik, betonte Rollinger. Die Ausgaben hätten noch weiter sinken müssen. Der Grund dafür sei wohl die Inflation, die mit fast 8% so hoch war wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Die höheren Preise schlagen in so gut wie allen Sparten der Schaden- und Unfallversicherung auf die Ausgaben durch. Die Kosten für Ersatzteile und Werkstattleistungen in der Kfz-Versicherung steigen und die Preise für Baustoffe wie Ziegel, Dämmstoffe, Beton und Stahl schießen bei der Wohngebäudeversicherung in die Höhe. Die Rechtsschutzversicherung sei hier ebenfalls nicht zu vergessen, wo die Inflation zu höheren Streitwerten und somit höheren Gerichts- und Anwaltskosten führt. Kurzum: Ein und derselbe Schadenfall kostet aufgrund der Inflation heute „viel mehr Geld“, so Rollinger, als vor einem Jahr.

 

GDV: Beitragseinnahmen 2022 leicht gesunken

 

Dass – insgesamt betrachtet – 2022 in diesem Bereich nicht so günstig verlief, wie man im ersten Moment denken könnte, zeigt auch der Blick auf die Combined Ratio bei bspw. Sachversicherungen. Diese lag 2022 bei 98% und damit deutlich niedriger als letztes Jahr (2021), aber immer noch höher als 2020 (94,5%).

Lebensversicherung

Den Bereich der Lebensversicherungen, Pensionskassen und -fonds hat es wohl am schwersten getroffen. Dort gingen die Einnahmen 2022 insgesamt deutlich um 6% zurück. Bemerkenswert ist dabei der Unterschied zwischen Versicherungen gegen laufenden Beitrag und Versicherungen mit Einmalbeitrag. Bei laufenden Beiträgen gab es mit +0,6% leicht positive Entwicklungen, gegen Einmalbeitrag mussten die Unternehmen letztes Jahr allerdings einen Rückgang von knapp 18% verzeichnen.

Positiv ist aber, dass auch bei den aktuellen unsicheren Verhältnissen, in denen viele Menschen durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten weniger Geld für Altersvorsorge übrig haben, dennoch an bestehenden Verträgen festgehalten wird. Dies ist in der niedrigen Stornoquote von voraussichtlich 2,6% repräsentiert.

Gegensätze bei bAV und Riester-Rente

Zwei Gegensätze lassen sich bei den Themen betriebliche Altersvorsorge und Riester beobachten. Denn die Versicherer konnten 2021 bei den bAV-Beitragen ein Plus von 3,7% einfahren. Das Neugeschäft stieg um 13% auf gut 650.000 Verträge. Anders sieht es jedoch bei der Riester-Rente aus. Für diese gebe es laut Rollinger kaum noch Angebote, bedingt durch die gesetzliche Verpflichtung zu einer 100%-Garantie gepaart mit dem zuletzt noch einmal deutlich abgesenkten Höchstrechnungszins von 0,25%. Das Neugeschäft mit Riester-Verträgen ist letztes Jahr um satte 60% zurückgegangen.

Private Krankenversicherung

In der PKV haben sich die Beitragseinnahmen 2022 um 3,1% auf rund 46,8 Mrd. Euro erhöht. 41,7 Mrd. Euro fallen davon auf die Krankenversicherung, 5 Mrd. Euro auf die Pflegeversicherung, wobei es sich bei Letzterem um ein Plus von satten 14,7% handelt. Dies sei insbesondere auf starke Leistungsausweitungen durch die gesetzlichen Pflegereformen zurückzuführen. Die ausgezahlten Versicherungsleistungen der PKV lagen 2022 bei 33 Mrd. Euro – 3,8% mehr als im Vorjahr. 30,8 Mrd. Euro fallen davon auf die Krankenversicherung, 2,3 Mrd. Euro auf die Pflegeversicherung.

So blickt der GDV auf 2023

In diesem Jahr soll es wieder ein Beitragswachstum geben. 3% soll es Rollinger zufolge in etwa betragen, allerdings mit unterschiedlichen Entwicklungen in den verschiedenen Geschäftsbereichen.

„Spürbares Beitragsplus“ in der Kfz-Versicherung

Gerade in der Kfz-Versicherung rechnet der GDV-Präsident mit einem guten Beitragsjahr. Entspannungen in den Lieferketten dürften für mehr Neuzulassungen sorgen und steigende Ersatzteilpreise sowie Werkstattkosten würden zu einem höheren Schadenaufwand führen. Diesen erwartet Rollinger auch in der Wohngebäudeversicherung, wo sich steigende Material- und Handwerkerkosten besonders deutlich bemerkbar machen würden. Selbst bei einer Abkühlung der Baukonjunktur stelle sich Rollinger am Ende ein Beitragsplus von 16% vor.

Insgesamt soll das Beitragswachstum in der Schaden- und Unfallversicherung bei etwa 6% liegen, bei einem leichteren Wachstum in der Unfall-, der Rechtsschutz- und der Allgemeinen Haftpflichtversicherung. Die Inflation werde sich weiterhin bei Versicherungssummen und Beiträgen niederschlagen. Auf der anderen Seite dürften der starke Wettbewerb und die schwierige finanzielle Situation vieler Haushalte die Beitragsentwicklung dämpfen.

Hohe Unsicherheit in der Lebensversicherung

Bei den Lebensversicherungen werde es, wie in der Schaden- und Unfallversicherung, zwei gegenläufige Entwicklungen geben. Die Zinsentwicklung befördert, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bremst das Geschäft. Auf der einen Seite dürften weiter steigende Zinsen allmählich zu attraktiveren Konditionen der Lebensversicherer führen, auf der anderen Seite aber seien die privaten Haushalte durch die wirtschaftliche Unsicherheit weiter belastet – weniger Geld für private Altersvorsorge dürfte die Folge sein.

Rollinger sieht allerdings im zweiten Quartal einen „vorsichtigen Erholungsprozess“ durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen und Lohnerhöhungen, und auch die Inflationsraten würden allmählich sinken. Insgesamt rechnet der GDV-Präsident also in der Lebensversicherung mit einer unveränderten Geschäftsentwicklung von „plus minus null“. Im Einzelnen werde erwartet, dass sich die Lebensversicherungen gegen Einmalbeiträge und die Einnahmen der Pensionsfonds im Jahr 2023 stabil entwickeln. Bei den Pensionskassen dürften die Einnahmen wiederum um 4% schrumpfen, die Lebensversicherungen gegen laufende Beiträge hingegen um 0,3% geringfügig wachsen.

Erhöhungen bei der privaten Krankenversicherung

In der PKV wurden zum 01.01.2023 die Beiträge in der privaten Pflegeversicherung und bei einem Drittel der privat Krankenvollversicherten erhöht. Grund dafür seien die laufend steigenden Behandlungskosten im Gesundheitssystem. Auch mit einem weiteren Wachstum privater Zusatzversicherungen rechnet der GDV. Unter dem Strich glaubt Rollinger an ein Beitragsplus von 3,5% in der PKV.

Schlussendlich, findet Rollinger überzeugt, erfüllen Versicherer eine wichtige Aufgabe als verlässlicher und solider Stabilitätsanker – gerade in solch unsicheren Zeiten, die derzeit vorherrschen. Weiterhin werde es immer wichtiger, sich dem Klimawandel entschlossener entgegenzustemmen und sich gleichzeitig besser an die Klimafolgen anzupassen. (mki)

Mehr Daten zum Geschäftsjahr 2022 des GDV sind hier zu finden.

Bild: © utah51 – stock.adobe.com

Tabelle: © GDV

 

ALH Gruppe setzt Wachstumskurs fort

Die ALH Gruppe veröffentlicht erste Geschäftszahlen für das Jahr 2022. Demnach wächst das Unternehmen weiter. Die Hallesche Kranken verzeichnete ein hohes Neugeschäftswachstum. Sehr positiv verlief auch das Sach- und das Bauspargeschäft.

Nach vorläufigen Geschäftszahlen hat die ALH Gruppe auch 2022 einen weiteren Wachstumsschub erfahren. Insbesondere im Krankenversicherungsgeschäft erreichte das Neugeschäft deutliche Zuwächse. In der Produktion hat die Hallesche mit 5,2 Mio. Euro Monatssollbeitrag den Vorjahreswert um 50% übertroffen und damit das zweitbeste Neugeschäftsergebnis ihrer Geschichte erzielt, wie die ALH Gruppe berichtet.

In der Vollversicherung nahm das Neugeschäft um 75% gegenüber dem Vorjahr zu. Und das bKV-Neugeschäft lag 2022 mit 1,1 Mio. Euro Monatssollbeitrag 21%. Darüber hinaus hat die Hallesche ihre gebuchten Bruttobeiträge gegenüber dem Vorjahr um 4,4% auf 1,4 Mrd. Euro gesteigert.

Laufender Neuzugang in der Lebensversicherung

Das Neugeschäft der Lebensversicherung bewegt sich 2022 erneut oberhalb der 1-Mrd.-Euro-Marke. Die gebuchten Bruttobeiträge liegen voraussichtlich bei rund 3 Mrd. Euro und damit um 2,2% höher als im Vorjahr. Die ALH-Gruppe hebt hervor, dass sich auch der laufende Neuzugang gut dargestellt habe, der sich mit über 200 Mio. Euro auf dem Niveau der Vorjahre befindet. Somit konnte die Alte Leipziger Leben ihre Mittelzuflüsse 2022 weiter steigern.

Steigerung in der Sachversicherung

Für die Alte Leipziger Versicherung wiederum vermeldet die Versicherungsgruppe eine Produktionssteigerung von rund 21% gegenüber dem Vorjahr. Damit liegt die Produktion 2022 bei 70,6 Mio. Euro. Auch die gebuchten Bruttobeiträge der Sachversicherung stiegen um 6,2% auf 417,3 Mio. Euro. Und trotz der belastenden Inflation bleibt die Brutto Combined Ratio der Sachversicherung auch 2022 deutlich unter 100% bei 93,3%.

Gesamtumsatz wächst weiter über 5 Mrd. Euro hinaus

Der Gesamtumsatz der Gruppe ist 2022 weiter gestiegen und wird nun bei 5,2 Mrd. Euro erwartet. Das entspricht einem Wachstum von 3% gegenüber dem Vorjahr.

Ein erfreuliches Ergebnis erzielte dabei auch die Alte Leipziger Bauspar AG: Mit 1,7 Mrd. Euro Bausparsumme hat es sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. (bh)

Bild: © Andrey Popov – stock.adobe.com

 

Warum die technische Versicherung die Inflation so fürchtet

Technische Versicherungen als Versicherer des technologischen Fortschritts befanden sich trotz großer Schritte in der Technologie meist in ruhigem Fahrwasser. Das jährliche Prämienwachstum und die Schadenquoten brachten kaum jemanden um den Schlaf. Seit 2022 ist das anders.

<h5>Ein Artikel von Stephan Schmitz, Produktmanager für technische Versicherungen Industriekunden bei der Gothaer Allgemeine Versicherung, und Andreas Knittel, Produktmanager für technische Versicherungen bei HDI</h5><p>Es sind derzeit nicht weniger als vier Themenbereiche, die sich teils gegenseitig beeinflussen, aber auch unabhängig voneinander für gehörige Unruhe sorgen: die Inflation, Lieferkettenrisiken und Insolvenzen, politische Risiken und Naturgefahren.</p><p>Vermisst man hier nicht zwei Themen, die noch vor Kurzem (fast) alles in den Schatten stellten? Wie hat es die Inflation geschafft, (Silent) Cyber und Pandemie-Folgeschäden an den Rand der Aufmerksamkeit zu drängen? Natürlich besteht noch die Sorge, dass die russische Kriegsführung sich bald auch virtuell gegen die Unterstützer der Ukraine wendet, jedoch ist dies noch nicht im Bereich der Sachschäden für die Anbieter technischer Versicherungen (TV) Realität geworden. </p><p>Was ist also so bedrohlich an der Inflation, dass sie sogar russische Hacker-Banden im Vergleich harmlos wirken lässt? Und ist es nicht so, dass durch die Indizierung, zum Beispiel auf den Wert 3,71, inflationäre Preisentwicklungen aufgefangen werden und Vermittler wie Versicherte nichts zu tun brauchen? Nein, ganz und gar nicht. Und zwar aus folgenden Gründen. </p><p>Ob es im privaten Bereich um Butter für Weihnachtsplätzchen oder in der Industrie um die Beschaffung von Rohstoffen oder den Kauf von Baumaterialien geht: Die Auswirkung der weltweiten Inflation sind für alle spürbar. Betrachtet man nur die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte, sah man im April 2022 alarmierende 34% höhere Preise als ein Jahr zuvor. Eine vergleichbare Entwicklung gab es zuletzt während der Ölkrise 1973/74. </p><h5>Wie trifft die Teuerung Kunden und Versicherer?</h5><p>Auch die Sparten der technischen Versicherung leiden – unter anderem – unter Naturkatastrophen. Nach dem Rekordjahr 2021 – allein Sturm „Bernd“ sorgte mit rund 10 Mrd. Euro an versicherten Schäden für den größten Schaden der deutschen Versicherungsgeschichte – ging es 2022 mit Schrecken weiter: Nach GDV-Schätzung summieren sich allein die Schäden nach den Februar-Stürmen in Deutschland bereits auf rund 1,4 Mrd. Euro. Beim Beheben dieser Schäden spürt die Versicherungswirtschaft die enteignende Wirkung der Inflation. Kaum eine Versicherungssparte bleibt von dieser Entwicklung verschont. </p><h5>Entspricht Versicherungssumme den gestiegenen Preisen? </h5><p>Bleiben wir jedoch zunächst bei den technischen Versicherungen und bewerten zunächst getrennt nach Bestands- und Projektdeckungen. In den Bestandssparten – zuvorderst Maschinen- und Elektronikversicherung – wirkt sich die Inflation direkt und unmittelbar auf die Versicherungswerte aus. Im Schadenfall wird geprüft, ob die gestiegenen Preise ihre Entsprechung in der Versicherungssumme gefunden haben. Ist die Versicherungssumme nicht mehr auf dem Niveau des Versicherungswertes, erfolgt die „Einrede der Unterversicherung“. Ist diese durch besondere Vereinbarung abbedungen, bleibt dennoch die Versicherungssumme das Limit der Auszahlung. Glück in diesem Fall für Teilschäden, doch Pech gehabt bei Totalschäden, wenn die Entschädigung die Versicherungssummenmarke überschreitet.</p><p>Für fahrbare und stationäre Maschinen, für Baugeräte und die Elektronikversicherung besteht in Deutschland die Möglichkeit, die Versicherungssummen mithilfe von Indizes anzupassen. Die aktuellen Werte hat der GDV am 20.10.2022 veröffentlicht. Und wie erwartet sind die Indizes gestiegen, berücksichtigen diese doch im Bereich der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte die Investitionsgüterproduzenten, Maschinen für die Bauwirtschaft und elektrische Ausrüstungen.</p><p>Ebenfalls werden Bruttostundenverdienste der Arbeitnehmer von Investitionsgüterproduzenten einbezogen. Eine Kopplung an diesen Index ist sinnvoll, lässt aber im Einzelfall befürchten, dass die tatsächliche und im vergangenen Jahr außergewöhnliche Preisentwicklung im konkreten Schaden höher ausfällt. Aufgrund der hohen Inflation kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Standardklauseln die Realität der benötigten Versicherungswerte in allen Branchen und bis ins letzte Ersatzteil tatsächlich und regelmäßig widerspiegeln. Denn auch die Verknappung gewisser Güter und die damit marktwirtschaftlich einhergehende Preisspirale lässt sich mit diesen Indizes nicht prognostizieren. </p><h5>Überprüfung erforderlich</h5><p>Ohne eine individuelle und aufwändige Überprüfung der Versicherungssummen und Versicherungswerte des eigenen Elektronik- oder Maschinenparks geht es nicht. Nicht nur die in den Bestandssparten versicherten Sachwerte sind höher zu bewerten, Gleiches gilt für gelagerte Vorräte sowie Rohstoffe wie Metalle, Öl und Gas (mit Relevanz für die Versicherungssumme der AMBUB). Zu bedenken ist, dass nicht nur die reinen (erhöhten) Materialkosten zu berücksichtigen sind: Auch die höheren Lohnkosten spielen bei den Reparaturkosten eine relevante Rolle. Die Versicherungssummen müssen also den marktwirtschaftlichen Realitäten angepasst werden. Der Versicherer nimmt diesen Abgleich bei der Schadenbearbeitung vor. Täte er es nicht, würde er die Interessen des Versichertenkollektives nicht ausreichend vertreten.</p><!--text-long-pagebreak--><!--sub-title||Sonderfall Multiline--><h5>Sonderfall Multiline</h5><p>Die Inflation trifft auch Multiline-Produkte, also verbundene Versicherungen, in denen auch häufig Elektronik- oder Maschinendeckungen enthalten sind. Da dies meist Umsatzprodukte sind, steigen zwar aufgrund der Inflation und der Teuerung der Produkte die Umsätze und damit die Höchstentschädigungen, im Zweifel reichen diese aber nicht aus, um beispielsweise bei einem Totalverlust eines Maschinenparks diesen wiederzubeschaffen. Hier hilft auch nur die Überprüfung der Höchstentschädigungssummen und eine Anpassung der Summen. Dies gilt insbesondere, da in vielen Multiline-Wordings Maschinen generell zum Neuwert – also anders als in der AMB-Einzeldeckung – versichert sind. </p><h5>Auswirkungen auf die Betriebsunterbrechungsversicherung </h5><p>Mit einer kritischen Prüfung der Versicherungswerte der Sachsubstanz ist es allerdings nicht getan: Auch die Betriebsunterbrechungsversicherung muss zum Stresstest.</p><p>Viele Gründe spielen eine Rolle: So haben sich die Strompreise massiv geändert; sowohl auf der Bezugs- als auch auf der Einspeiseseite müssen die Versicherungssummen angepasst werden. Zudem benötigen viele produzierende Unternehmen Gas im Herstellungsprozess mit entsprechenden Abnahmeverpflichtungen. Die stark gestiegenen Preise müssen in die Versicherungssumme einkalkuliert werden. Schließlich dauern aufgrund von Verfügbarkeitsengpässen und Lieferkettenstörungen Unterbrechungen länger. Die Gründe für Störungen der Lieferketten sind mannigfaltig: Die Zero-Covid-Strategie in China mit rigiden Lockdowns, Container-Mangel, AdBlue-Knappheit, die im Sommer 2022 durch lange Trockenheit bedingte Flussschifffahrtskrise, fehlende Lkw-Fahrer, weiterhin Krankheitsausfälle infolge von Corona und natürlich die Krise in der Ukraine. </p><h5>Haftzeiten unter die Lupe nehmen </h5><p>Aus aktuellen Schäden lernt man, dass sich die Dauer der Betriebsunterbrechungen regelmäßig über das zuvor errechnete und prognostizierte Schadenausmaß hinaus verlängert. Prophylaktisch kann man hier nur jedem Vermittler und Versicherungsnehmer dringend anraten, die vereinbarten Haftzeiten zu hinterfragen und bei Bedarf zu verlängern. Gestiegene Schadenvolumina führen darüber hinaus zu einem weiteren Umstand: Die Höchstschadenschätzungen (PML) müssen angepasst werden. O Dies wiederum wirkt sich nicht nur auf die Erst-, sondern auch auf die Rückversicherer aus. Diese hatten bereits zuvor begonnen, sorgfältig ihre Kapazitäten nachzujustieren.</p><h5>Steigende Schäden sorgen für höhere Kosten </h5><p>Sind Erstversicherer am Ende ihrer Kapazitäten der jeweiligen Treatys angelangt, wird es unrentabel: teure fakultative Rückversicherung nachordern oder doch (riskante) höhere Volumina im Eigenbehalt? Die Schadenhistorie bedingt nun sowohl in der Erst- als auch in der Rückversicherung höhere Preise. Es gerät eine Logikkette in Bewegung: Steigende Schäden bedingen höhere Kosten der Versicherer. Erstversicherer nutzen daraufhin verstärkt die Kapazitäten der Rückversicherer. Marktwirtschaftlich und versicherungsmathematisch folgerichtig erhöhen daraufhin die Rückversicherer ihre Prämienkonditionen für die Erstversicherer. Die Erstversicherer sind nun ihrerseits gezwungen, diese erhöhten Kosten bei den Prämien ihrer Kunden einzukalkulieren.</p><!--text-long-pagebreak--><!--sub-title||Post von der BaFin--><h5>Post von der BaFin</h5><p>Dies forderte auch jüngst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in einer Nachricht an die Versicherer. Die BaFin ruft die Versicherer darin auf, ihre Prämien im Neu-und Bestandsgeschäft an die „galoppierende“ Inflation anzupassen und ihre Rückstellungen zu erhöhen. Hintergrund: Die steigende Inflation – so prognostiziert durch die Bundesbank – ist kein Thema allein für dieses Jahr, sondern wird uns noch für mehrere Jahre beschäftigen. Die im Raum stehende Befürchtung der BaFin: Ohne diese Maßnahmen drohe den Versicherern eine finanzielle Schieflage.</p><h5>Folgen für das Bauleistungs- und Montagegeschäft </h5><p>Welche Auswirkungen zeigen sich bei Projektdeckungen, also dem Bauleistungs- und Montagegeschäft? Zuletzt waren verschiedene Phänomene zu beobachten: Begonnene Projekte geraten ins Stocken, wobei Bauunterbrechungen stark risiko­steigernd wirken, und bei noch nicht begonnenen Projekten wird die Pausetaste gedrückt. Bauexperten sind sich sicher, dass die Anzahl der Projekte wieder steigen und Investitionen nachgeholt werden. Aber die Preis- und die Bauzinsentwicklung entfalten eine dämpfende Wirkung.</p><p>Weiterhin ist zu beobachten, dass die Prämientendenz – insbesondere der Bauleistungsversicherung – bereits nach oben geht. Einige Versicherer haben nach einigen Jahren unauskömmlicher Schadenquoten reagiert und ihre Konditionen angepasst. Gleiches gilt auch für Baukombideckungen, also die umfassende Bündelung von Bau- und Haftpflichtdeckungen für ein Bauprojekt. Diese Entwicklung könnte man als Vorboten auffassen, hat sie doch noch nichts mit der besonderen aktuellen Situation zu tun – diese kommt nun noch „on top“. Denn die Versicherungssumme wird auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erwarteten Bau- bzw. Kontraktsumme gebildet. Eine Indizierung oder Anpassung an Kennwerte wie Inflation erfolgt nicht.</p><p>Nun zeigt sich aktuell, dass sich Bauleistungs- und Montagevorhaben in der Realisationsphase stark verteuern und ausdehnen. Die Gründe auch hier: Massive Kostensteigerungen und Materialknappheit aufgrund von Lieferproblemen.</p><h5>In Deckung genommene Projekte auf den Prüfstand stellen</h5><p>Bereits in Deckung genommene Projekte sollten überprüft werden: Stimmen Versicherungssummen – auch für Nebenrisiken wie Altbauten, Sachen im Gefahrenbereich, beigestelltes Material oder Ähnliches? Sind Bau- und Montagezeiten nach derzeitiger Lage ausreichend bemessen? Passen Dauer und Versicherungssummenhöhe von vereinbarten Projekt-Betriebsunterbrechungsdeckungen? Projektdeckungen – sofern nicht auf Umsatzsummenbasis – haben in aller Regel ein festgelegtes Enddatum. Es kann sicher nicht schaden, frühzeitig die Konditionen für eventuell benötigte Verlängerungen zu verhandeln.</p><h5>Ausländische Projekte</h5><p>Welche indirekten Auswirkungen auf Bauleistung oder Montage sind denkbar, wenn der Risikoort nicht in Deutschland liegt? Zunächst sollte die am Ort des Projektes festgestellte Inflation ermittelt werden. Verhält sich diese ähnlich zu der deutschen – oder liegt sie noch darüber? Neben den offensichtlichen Konsequenzen der verteuerten Ersatz­materialbeschaffung dürfen auch mögliche und durchaus drastischere Auswirkungen nicht übersehen werden. </p><p>Historisch und weltweit sind Folgen hoher Inflationen nicht selten Streik, innere Unruhen oder Schlimmeres gewesen. Mögliche Währungsdifferenzen sind natürlich ebenfalls einzukalkulieren.</p><h5>„Technische Versicherungen – Leitfaden für die Praxis“</h5><p>In ihrem aktuellen Buch „Technische Versicherungen – Leitfaden für die Praxis“ analysieren Stephan Schmitz und Andreas Knittel die Sparten der technischen Versicherungen, nehmen für jede Sparte eine kurze historische Einordnung vor, zeigen den Aufbau des jeweiligen Wordings und stellen wichtige Klauseln vor. Das 2021 erschienene Buch richtet sich an alle, die Wissen im Bereich der technischen Versicherungen aufbauen oder aktualisieren möchten.</p><p>Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2023, S. 30 ff., und in unserem <a href="https://epaper.asscompact.de/de/profiles/53e4066999da-asscompact/editio…; target="_blank" >ePaper</a>.</p><p><i class="font-twelve-italic" >Bild: © jeson – stock.adobe.com</i></p><div id="bbgreadlog-getimage"><img src="/bbgreadlog/getimage/2E69BA18-6386-43EB-BEF3-19DF6777BDD6"></div>

 
Ein Artikel von
Andreas Knittel
Stephan Schmitz