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29. März 2019
Provisionsdeckel: Fehlanreize wiegen mehr als verfassungsrechtliche Bedenken

Provisionsdeckel: Fehlanreize wiegen mehr als verfassungsrechtliche Bedenken

Eine zu hohe Abschlussprovision könne Versicherungsvermittler dazu verleiten, anstatt eine ergebnisoffene Beratung zu führen auf einen Vertragsabschluss hinzuwirken, heißt es im „Entwurf eines Gesetzes zur Deckelung der Abschlussprovisionen von Lebensversicherungen und von Restschuldversicherungen“. Deshalb sei ein Provisionsdeckel gerechtfertigt. Die Gefahr von Fehlanreizen wiege so schwer, dass damit der Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Positionen vertretbar sei.

Das Bundesfinanzministerium will einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung. So steht es nun auch in einem seit Mittwoch vorliegenden Gesetzesentwurf. In einem begleitenden Schreiben steht, dass zu üppige Vergütungen bei der Vermittlung von Lebensversicherungen zu Fehlanreizen zu Lasten der Verbraucher führen. Sie stünden im Konflikt mit dem Versicherungsaufsichtsgesetz und der IDD, wo es heißt, dass Vermittler im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln haben. Eine ergebnisoffene Beratung würde durch hohe Provisionen beeinträchtigt.

Provisionsdeckel verfassungsrechtlich vertretbar

Die Gefahr durch Fehlanreize sieht das Finanzministerium so hoch an, dass ein Eingriff in eine verfassungsrechtlich geschützte Position wie die der freien Vereinbarung von Provisionshöhen vertretbar sei. Damit will der Entwurf entsprechenden Rechtsgutachten direkt den Wind aus den Segeln nehmen (AssCompact berichtete: Provisionsdeckel: Rechtsgutachten halten ihn für verfassungswidrig). Vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase, des demographischen Wandels und im Hinblick auf das Altersvorsorgesparen sei ein Eingriff von höchster Bedeutung, so die Einschätzung aus dem Ministerium. Das LVRG aus dem Jahr 2014 habe zwar zur Reduzierung von Abschluss- und Vertriebskosten geführt, aber die tatsächliche Senkung der Vermittlervergütungen, die den größten Teil der Abschluss- und Vertriebskosten ausmachen, sei unzureichend ausgefallen.

BMF will Korridor-Lösung: 2,5% plus 1,5%

Der vorliegende Entwurf will einen Korridor einführen, der Abschlussprovisionen auf maximal 2,5% der Bruttobeitragssumme begrenzt. Wenn bestimmte qualitative Merkmale erfüllt sind, kann die Abschlussprovision auf 4% der Bruttobeitragssumme angehoben werden. Damit sollen qualitativ hochwertige Beratungen und Dienstleistungen durch Versicherungsvermittler honoriert und gefördert werden. Eingeschränkt werden sollen auch sonstige Vergütungen, die für Dienstleistungen wie Bestandspflege und -verwaltung beim Vertragsabschluss zusätzlich in Rechnung gestellt werden. Der Entwurf lässt auch nicht gelten, dass etwa ein Versicherungsmakler mehr Aufwendungen hat als ein Versicherungsvertreter, sondern gibt vor, dass jede Berufsgruppe gleichbehandelt wird, weil sie im Wesentlichen gleiche Leistungen im Rahmen des Abschlusses von Lebensversicherungen erbringe.

Erste Reaktionen zum Provisionsdeckel in der Lebensversicherung

Erste Reaktionen auf den Referenten-Entwurf ließen nicht lange auf sich warten. Der GDV schreibt, dass er einen Provisionsdeckel weiterhin ablehne. Der Versichererverband kritisiert, dass auch Einmalbeiträge einbezogen werden. Der BVK stellt sich klar gegen den ordnungspolitischen Eingriff und der Fehlanreiz-Argumentation. Der Bund der Versicherten (BdV) wiederum erkennt im Entwurf die Lobby-Arbeit der Versicherer: Die Regelungen würden es den Gesellschaften erlauben, letztlich noch höhere Provisionen auszukehren, als nach einer strengen aufsichtsrechtlichen Auslegung jetzt erlaubt wären. Zudem würden die Regelungen immer intransparenter, da „die Unternehmen zukünftig selbst einschätzen sollen, wie hochwertig und zufriedenstellend die Vermittler arbeiten“. Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale Bundesverband äußerte sich dagegen gegenüber dem Handelsblatt dahingehend, dass sie sich über den Provisionsdeckel freue. (bh)

Was der Referentenentwurf zur Deckelung der Abschlussprovisionen in der Restschuldversicherung enthält, lesen Sie hier.

Lesen Sie auch Finanzministerium legt Referentenentwurf mit Provisionsdeckel vor

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Steffen Reck am 29. März 2019 - 10:00

Pauschal wird jedem Berater dadurch unterstellt, seine Kunden zu betrügen, denn ohne die Kappung bestehen falche Anreize. Danke dafür! Dass man als ehrlicher Berater von seiner Tätigkeit auch leben mus, scheint keinen zu interessieren. Werden dann im Gegenzug die Provisionen für SHUK verzehnfacht oder wird da weiterhin vom Berater verlangt, quasi umsonst zu beraten? Muss der Kunde auch für die Beratung bezahlen, wenn er am Ende wegen 30 Cent weniger bei Check24 abschließt? Werden wir beim Autokäufer, Immobilienbau und überall sonst auch durch Einkommenskappungen der jeweiligen Händler und Gewerbetreibenden geschützt? Es ist alles einfach nur noch pervers!

Gespeichert von Andreas Orth (… am 29. März 2019 - 11:06

Mal davon abgesehen, dass ein Immobilienmakler durchaus 7,0% Provision für seine Vermittlung berechnen darf und sogenannte Premium-Automobile zu überhöhten Preisen verkauft werden, ist dies ein schwerwiegender Eingriff in die Gewerbefreiheit. Wie bereits von Steffen Reck treffend erwähnt, wird hier ein kompletter Berufsstand unter Generalverdacht gestellt, aus reinen Provisionsinteressen Produkte zur Altersversorgung an die Bevölkerung zu verkaufen. Eine Bevölkerung, die durch die Unfähigkeit der Regierung mit Altersarmut zu rechnen hat, ist dringend auf professionelle Beratung angewiesen, am besten aber zum Nulltarif.

Die Politik spricht von "Fehlanreizen." Dagegen könnte man einwenden, dass durch die üppigen Diäten, steuerfreie Pauschalen, exorbitante Pensionsansprüche und Zuwendungen der allgegenwärtigen Lobby ein Fehlanreiz geschaffen wird, auch als fachlich unkompetenter Mensch in die Politik zu gehen. Beispiele von Studienabbrechern und Fälschern von Doktorarbeiten gibt es ja zur Genüge unter den Volksvertetern. Aber statt die Verantwortlichen des "Ex-Cum-Skandals", die eine Steuerhinterziehung von rund 50 Mrd. Euro verursacht haben,zur Rechenschaft zu ziehen, macht man lieber Jagd auf einen Berufsstand, der eigentlich unverzichtbar ist.

Man kann nur hoffen, dass dieses Gesetz vom Bundesverfassungsgericht wieder gekippt wird.

Deutschland hat fertig !

Gespeichert von Henning Jordan am 29. März 2019 - 15:46

Liebe Kollegen, ich kann mich den o.g. Meinungen nur anschließen! Nachdem wir mit Überregulierung, DSGVO, etc. schon genug Hürden zu überwinden haben, sollen wir jetzt auch noch für lau arbeiten...!
Ich denke, es ist der große Plan, dass die Bürger von uns nicht mehr aufgeklärt werden sollen. Schließlich möchte sich der Staat entschulden und dies müssen alle Bürger bezahlen, also darf möglichst keiner dem System entkommen!
Am besten stecken die Versicherer viel Geld in Technik, damit Robo-Berater den Kunden online das Geld abknöpfen können, ohne objektive Beratung - viel Spaß dabei...!