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22. Mai 2023
Über die Quotelung bei grober Fahrlässigkeit

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Über die Quotelung bei grober Fahrlässigkeit

Seit der Reform des VVG ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung zu kürzen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Die Leistungskürzung bemisst sich nach der Schwere des Verschuldens (Quotelung). Mittlerweile gibt es zahlreiche Gerichtsentscheidungen zur Bemessung der Quotelung.

Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler

Seit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung zu kürzen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat (§ 81 Abs. 2 VVG). Die Leistungskürzung bemisst sich nach der Schwere des Verschuldens (Quotelung). Nach der davor geltenden Gesetzeslage führte eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls dagegen regelmäßig zur kompletten Leistungsfreiheit des Versicherers. Mittlerweile gibt es zahlreiche Gerichtsentscheidungen zur Bemessung der Quotelung. Eine Bestandsaufnahme.

Hintergrund

Die Aufgabe des Alles-oder-nichts-Prinzips war einer der zentralen Punkte der VVG-Reform. Die frühere Rechtslage sanktionierte die Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Obliegenheiten und des Verbots der Gefahrerhöhung sowie von Anzeigepflichten unter bestimmten Voraussetzungen regelmäßig mit Leistungsfreiheit des Versicherers und Verlust des Versicherungsschutzes beim Versicherungsnehmer. Dem lag das sogenannte Alles-oder-nichts-Prinzip zugrunde: Entweder volle vertragliche Versicherungsleistung oder Leistungsfreiheit des Versicherers. Eine scheinbar einfache Regelung, weil die Leistungsfreiheit nach Feststellung einer Vertragsverletzung und eines hinreichenden Verschuldens des Versicherungsnehmers ohne Weiteres und insgesamt eintrat.

Im Ergebnis führte dieses Prinzip aber bei ähnlich gelagerten Fällen mit nur graduellen Unterschieden im Verschulden zu gegensätzlichen Rechtsfolgen: In dem einen Fall voller Versicherungsschutz und in dem anderen, fast identischen Fall völlige Leistungsfreiheit. Zur Vermeidung systembedingter Rechtsfolgen, die den Umständen des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden konnten, hat die Rechtsprechung in solchen Situationen die Schwelle der groben Fahrlässigkeit teilweise nach oben verschoben.

Mit der VVG-Reform wurde deshalb das Alles-oder-nichts-Prinzip aufgegeben und durch ein für sämtliche Verletzungen vertraglicher Pflichten und Obliegenheiten des Versicherungsnehmers weitgehend einheitliches System von Rechtsfolgen ersetzt, das für alle Beteiligten verständlich sein und ihre Interessen angemessen berücksichtigen sollte. Zentrale Inhalte des neuen Systems sind:

  • Einfache Fahrlässigkeit bleibt folgenlos.
  • Vorsatz führt stets zur Leistungsfreiheit.
  • Bei grob fahrlässigen Verstößen des Versicherungsnehmers (VN) gegen Obliegenheiten kann der Versicherer seine Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens kürzen (Quotelung).
  • Grundsätzliches Kausalitätserfordernis für Leistungsfreiheit (Ausnahme: betrügerisches Verhalten des VN).
  • In einigen Fällen wird Leistungsfreiheit durch Kündigungs- und Prämienerhöhungsrechte ersetzt.
  • Belehrungspflichten des Versicherers und einheitliche Beweislastregeln.

Mit der Neuregelung sollen so Versicherungsnehmer bei grob fahrlässigem Verhalten vor dem Komplettverlust ihres Versicherungsschutzes geschützt werden.

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Erwin Daffner … am 23. Mai 2023 - 08:33

„… zu Deckungskonzepten raten, bei denen der Versicherer auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichtet...“

1. Warum soll die Versichertengemeinschaft für ein sorgloses Verhalten eines Kunden aufkommen wollen? Das entspricht nicht dem Versicherungsgedanken.

2. Was passiert, wenn der Versicherer dann bedingten Vorsatz einwendet?