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22. Mai 2023
Über die Quotelung bei grober Fahrlässigkeit

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Über die Quotelung bei grober Fahrlässigkeit

Bedeutung in der Praxis

Mittlerweile sind zahlreiche Entscheidungen auch der Instanzgerichte zur Bemessung der Quotelung bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer ergangen. Die Ergebnisse sind durchaus vielfältig. In manchen Entscheidungen kommt es zu keiner Leistungskürzung, in anderen wiederum zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers. Dazwischen viele Fälle mit Leistungskürzungen von 20% bis 90%. Den meisten Entscheidungen gemeinsam ist das erkennbare Bemühen der Gerichte, die Umstände des jeweiligen Einzelfalls gründlich abzuwägen und so die gesetzlichen Vorgaben in Einzelfallgerechtigkeit umzusetzen. Dennoch schlägt manchen Entscheidungen auch herbe Kritik entgegen. Demnach kürzen Versicherer Ansprüche auf Versicherungsleistung im Rahmen der Quotelung häufig unverhältnismäßig. Die Gerichte sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, diesem Verhalten mancher Versicherer nicht genügend Einhalt zu gebieten. So sei beispielsweise eine in einem Verfahren festgesetzte Leistungskürzung um 70% unangemessen hoch. Vielmehr erscheine eine Kürzung um höchstens 20% angemessen. Schon dieses eine Beispiel von vielen macht deutlich, dass die subjektive Einschätzung des Gerichts und die der Kritiker für das jeweilige Ergebnis von erheblicher Bedeutung sind und zu deutlichen Unterschieden in der Bewertung führen können. Dies hat bereits die Gesetzesbegründung zur VVG-Reform zugestanden. Tatsächlich könne Verschulden nur aufgrund einer Bewertung festgestellt werden, die nie frei von subjektiven Einschätzungen desjenigen sei, der sie vornehme.

Fazit für Versicherungsmakler

Die Quotelung bei grober Fahrlässigkeit in den Fällen der Herbeiführung des Versicherungsfalls und in anderen Bereichen der Verletzung von Obliegenheiten und Anzeigepflichten kann im Einzelfall zu gerechten und angemessenen Lösungen führen, ist für Kunden und Makler aber gleichzeitig auch eine Wundertüte, deren Inhalt niemand vorhersehen kann. Jeder Kunde ist je nach den Umständen der Gefahr einer vollständigen Leistungskürzung ausgesetzt. Deshalb sollten Makler dieses Risiko dem Kunden deutlich vor Augen führen und, soweit möglich, zu Deckungskonzepten raten, bei denen der Versicherer auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichtet.

Über Hans-Ludger Sandkühler

Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2023, S. 78 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Tiko – stock.adobe.com

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Erwin Daffner … am 23. Mai 2023 - 08:33

„… zu Deckungskonzepten raten, bei denen der Versicherer auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichtet...“

1. Warum soll die Versichertengemeinschaft für ein sorgloses Verhalten eines Kunden aufkommen wollen? Das entspricht nicht dem Versicherungsgedanken.

2. Was passiert, wenn der Versicherer dann bedingten Vorsatz einwendet?