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16. Juli 2022
„In der Provisionszahlung steckt selbst eine Art Versicherung“

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„In der Provisionszahlung steckt selbst eine Art Versicherung“

Wie ist die EIOPA-Konsultation angelegt und wie praxistauglich waren die Fragen?

Es ist völlig sachgerecht, dass von Zeit zu Zeit Vorschriften wie die EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD evaluiert werden. Die EIOPA hat diese Befragung sehr breit gezogen, denn es hätte jeder, also auch eine Vertriebsgesellschaft oder dergleichen, dazu Stellung nehmen können. Der BDVM hat über den europäischen Vermittlerdachverband BIPAR dazu Stellung genommen. Und wir wissen, dass andere Verbände auch Stellung genommen haben. Die Konsultation war sehr intellektuell angelegt. Die Fragen waren in vielen Fällen leitend. Die EIOPA hat versucht, mit der Frage gleich die Antwort ein Stück weit vorzuformulieren. Da hatte der Verband schon seine liebe Mühe, die eigene Position korrekt darstellen zu können.

Der BDVM glaubt aber auch, dass die Befragung zu diesem Zeitpunkt zu schnell gekommen ist. Zum einen sind die europäische Finanzmarktrichtlinie MiFID und die IDD vergleichsweise kurzfristig in Gang. Zum anderen herrscht gegenwärtig mit dem Ukraine-Krieg und der Pandemie eine ganz besondere Situation, die auch den Vermittleralltag erheblich beeinflusst. Daher wäre ein anderer Konsultationsfokus sicherlich begrüßenswerter gewesen.

Warum hat der BDVM über den Vermittlerdachverband Stellung genommen und nicht eine eigene Antwort eingereicht?

Der BDVM fühlt sich bei EU-Umfragen wohler, wenn er gemeinsam mit anderen Verbänden Stellung beziehen kann. Wenn wir als deutscher Maklerverband dort vortragen würden – zumal die BDVM-Mitglieder ihren Schwerpunkt eher nicht im Lebensversicherungsbereich haben –, dass eine Änderung im Vergütungssystem unseren Berufsstand gefährden würde, dann würde die EIOPA vermutlich nur genügsam lachen. Nur eine gemeinsame und untereinander geteilte Stimme ist eine starke Stimme!

Hierzulande bekommt man ja den Eindruck, dass gerade das Ver­gütungssystem in Deutschland stark provisions­basiert ist. Trifft das auch auf weitere europäische Länder zu?

Das provisionsbasierte Vergütungssystem herrscht in vielen Staaten Europas, gerade auch in den großen Volkswirtschaften Italien und Frankreich. Es gab und gibt auf nationaler Ebene immer mal Versuche, auf ein rein honorarbasiertes System umzustellen. In Finnland beispielsweise hat man im Komposit-Bereich auf Honorar umgestellt mit dem Ziel, die Makler aus dem Markt zu drängen. Das ist dort auch ein bisschen gelungen, aber die Makler haben sich mittlerweile wieder berappelt. Man sieht: Auf Dauer setzt sich Beratungsqualität eben durch!

Aber nur weil die Umstellung auf ein anderes Vergütungssystem nicht immer gleich klappt, kann den BDVM doch die EIOPA-­Konsultation nicht gänzlich unbeeindruckt lassen, oder?

Sicher, solche Konsultationen setzen den unabhängigen Sachwalter unter Druck. Und deshalb sehen BDVM gemeinsam mit BIPAR diese Befragungen und Vorhaben seitens der EIOPA äußerst kritisch. Gerade auch, weil in noch jüngeren Märkten wie Lettland, Estland oder Litauen, wo überwiegend kleine Maklerbüros tätig sind, diese dann besonders unter Druck geraten würden. Solche Konsultationen haben immer eine internationale Dimension. Daher ist es ja so wichtig, auch die gesamteuropäischen Folgen für unseren Berufsstand abzuschätzen.

Auch die Förderung eines einfachen, vermehrt digitalisierten Zugangs zu Versicherungsanlageprodukten soll analysiert werden: Wie lauten hierzu die Ideen des BDVM?

Der BDVM in Verbindung mit BIPAR plädiert dafür, dass es ein einfaches und vernünftig zu beratendes Produkt gäbe. Noch dazu möglichst kostengünstig, auch was die Vermögensanlage betrifft, aber mit Versicherungsmodulen ausgestattet. Wie es nicht gehen kann, zeigt aktuell der erfolglose Vertriebsstart des Paneuropäischen Pensionsprodukts (PEPP). Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass es so ein Produkt auf europäischer Ebene geben kann. Und dann ist klar, dass diejenigen, die das unbedingt wollen, es auch digital abschließen können. Nur: Der BDVM und BIPAR sind der Auffassung, dass der Abschluss eines solchen Produktes in die fachmännischen Hände eines Maklers gehört. Das kann ich nicht zwischendurch mal eben schnell vom Bildschirm aus erledigen.

Immer nur gegen ein Provisionsverbot zu sein, ist recht einfach. Welchen konstruktiven Lösungsvorschlag hat denn der BDVM bzw. BIPAR an EIOPA und EU-Kommission?

Natürlich fragen wir uns, wie wir konstruktive Angebote machen können. Die vernünftige Deckelung der Provision wäre ein Vorschlag. Es ist aber aussichtslos, zu einer einheitlichen Linie innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten zu gelangen. Ein anderer Punkt wäre – um Interessenkonflikte bereits während der Vermittlung zu erkennen und diese Erkennbarkeit auch zu ermöglichen –, von „soft disclosure“ auf „hard disclosure“ umzusteigen. Kurz: Die Vergütung muss offen und vor allem ungefragt ausgewiesen werden, am besten ausgedruckt auf der Police!

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 06/2022 und in unserem ePaper.

Bild: © wabeno – stock.adobe.com

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Dr. Hans-Georg Jenssen