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19. September 2023
„Das Thema Provision bleibt ein Dauerthema“

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„Das Thema Provision bleibt ein Dauerthema“

AssCompact feiert die 25 und fragt anlässlich des Jubiläums bei Branchenvertretern nach, die AssCompact schon lange begleiten oder auch erst neu für sich entdecken. Diesmal ist das Prof. Dr. Matthias Beenken, Fachhochschule Dortmund.

Interview mit Prof. Dr. Matthias Beenken, Fachhochschule Dortmund
Herr Beenken, Sie waren sieben Jahre Chefredakteur der deutschen Ausgabe des VersicherungsJournals – das in unserer Branche meist­gelesene Online-Medium. Also, so was wie eine Benchmark für unsere Website. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?

Das ist lange her. Kennengelernt habe ich das VersicherungsJournal schon kurz nach seiner Gründung als einer der ersten Anzeigenkunden. Als ich mich 2004 ein zweites Mal selbstständig machte, sprach mich Claus-Peter Meyer an, in sein Team zu kommen. Damals hatte ich zwar Fachkenntnisse und etwas Erfahrung im Schreiben von Büchern und Artikeln in Fachzeitschriften, aber Online-Tagesjournalismus war eine neue Herausforderung. Dafür musste ich durch eine harte, aber lehrreiche Schule gehen.

Gelernt habe ich vor allem, dass man als Führungskraft nicht nur per Weisung führen kann, denn in einem Team von Freiberuflern hatte ich keine Weisungsmacht. Es ging nur über Motivation und Engagement – das aber sehr gut. Allerdings durfte man dabei nicht über geregelte Arbeits- und Urlaubszeiten oder freie Wochenenden nachdenken. Unternehmerisch war die Tätigkeit eine Herausforderung, denn die Honorare waren schmal und man musste sich mehrere Standbeine aufbauen. Das hat es sehr erschwert, Nachwuchskräfte für den Beruf des freien Versicherungsjournalisten zu gewinnen.

Geärgert hat mich das manchmal, wenn Branchenlobbyisten über schlechten Wirtschaftsjournalismus schimpften, aber nicht auf die Idee kamen, zum Beispiel im brancheneigenen Verlag regelmäßig Volontäre auszubilden und ihnen eine finanziell ausreichende Basis für eine Karriere im Versicherungsfachjournalismus zu verschaffen.

Wie hat sich denn aus Ihrer Sicht die Mediennutzung im Maklermarkt geändert?

Als ich beim VersicherungsJournal startete, gab es nach meiner Erinnerung nur den Newsletter des Versicherungsmagazins, für den ich heute noch schreibe. Dann aber kamen zahlreiche neue, gut gemachte Newsletter auf den Markt. Heute gibt es eine Vielfalt von Pressemitteilungsdiensten bis hin zu journalistischen Angeboten. Auch spielen Portale eine wichtige Rolle. Was sich leider nicht geändert hat, ist die geringe Bereitschaft, für guten Journalismus Geld zu bezahlen – Paid Content hat sich nicht durchgesetzt. Gerade Makler müssten eigentlich in ihrer Rolle als Sachwalter der Kunden an unabhängiger und objektiver Information interessiert sein. Sobald es aber etwas kostet, wird es schwierig. Das habe ich schon in meiner Zeit als Verlagsleiter vor 20 Jahren erlebt.

Wird ein renommierter Experte für den Versicherungsvertrieb gesucht, ist man bei Ihnen an der richtigen Stelle. Was sind denn aktuell die wichtigsten Treiber?

Eigentlich gibt es „Evergreens“ wie die demografische Entwicklung, den Schwund an selbstständigen Vermittlern, Fachkräftemangel, die nicht enden wollende Lust der Politik an der Regulierung der Branche, die Suche nach der „richtigen“ Digitalisierung sowie nach Marktpotenzialen in verteilten Märkten. In den letzten Jahren hat die Nachhaltigkeit stark an Bedeutung gewonnen. Die mag zwar Vermittlern noch etwas abstrakt vorkommen oder gar als Angriff auf bestimmte Lebenskonzepte missverstanden werden. Aber sie wird die Branche meiner Meinung nach mehr durchschütteln als alle anderen Trends.

Vermutlich haben Sie in den frühen Jahren ihrer Redaktionsarbeit auch schon von einem Provisionsverbot geschrieben. Wird dies ein Dauerthema bleiben?

Das Thema Provision bleibt ein Dauerthema, solange es sie in der heutigen Ausgestaltung gibt. Persönlich bin ich dabei hin- und hergerissen. Einerseits kennt man mich dafür, dass ich selbst aus dem Provisionsvertrieb komme und ihm wohlwollend gegenüberstehe. Die Gegner der Provision zeichnen Idealbilder von finanzrationalen und hochdiszipliniert über Jahrzehnte sparenden Kunden, die mir in der Praxis nie begegnet sind. Andererseits sehe ich kritisch, dass die Branche sich eisern an einer Existenzgründungshilfe aus dem 19. Jahrhundert, der gezillmerten Abschlussprovision in der Lebensversicherung, festklammert. Damit werden unnötige Angriffsflächen geboten.

Wenn wir vorhin über den Ver­sicherungsvertrieb allgemein gesprochen haben, wie fällt Ihr Blick auf den Maklermarkt aus?

Ich beobachte eine zunehmende Aufteilung in einen traditionellen, aber demografisch aussterbenden Markt der regional verwurzelten Kleinmakler mit unklarem Geschäftsmodell auf der einen Seite und einem finanziell, personell und technologisch hochgerüsteten Markt spezialisierter Geschäftsmodelle auf der anderen Seite. Die Kleinmakler sind oft aus dem Umstieg aus der Ausschließlichkeit in den 1980er- bis 1990er-Jahren im Westen oder Grüne-Wiese-Gründungen aus Mangel an Berufsperspektiven nach der Wende im Osten entstanden. Das sind leider oft Betriebe, die selbst die Kinder dieser Makler nicht übernehmen wollen.

 
Ein Interview mit
Prof. Dr. Matthias Beenken