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16. März 2024
„Kostenloses“ Ersatzfahrzeug im Schadenfall: Zeit für neuen Ansatz

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Woman handing over car keys outside

„Kostenloses“ Ersatzfahrzeug im Schadenfall: Zeit für neuen Ansatz

In der Theorie steigert ein für den Kunden kostenloses Ersatzfahrzeug im Schadenfall die Kundenzufriedenheit. In der Praxis bietet das aktuell weitverbreitete Modell der Ersatzmobilität auch Nachteile für die Kunden, für die Werkstattbetriebe und für die Versicherer. Höchste Zeit für einen neuen Ansatz ...

Ein Artikel von Alexander Backhaus, Bereichsleiter Ersatzwagengeschäft bei Enterprise in Deutschland

Es ist mittlerweile Standard in der Kfz-Versicherung, dass der Geschädigte im Schadenfall einen Ersatzwagen für die Zeit erhält, in der das eigene Auto repariert wird. Immer mehr Versicherungspolicen sehen kostenlose Mobilität für ihre Kunden auch im Kasko- oder selbst verschuldeten Schadenfall vor.

In der Regel übertragen die Versicherer die Verantwortung für die Bereitstellung der Ersatzmobilität auf die Werkstattbetriebe und kalkulieren die Kosten dafür in die Reparatur- und Lohnkosten der Werkstattbetriebe ein. Auf den ersten Blick erscheint diese Praxis sinnvoll und effizient: Die Werkstätten können sich vor Ort um die Mobilitätsbedürfnisse der Kunden kümmern und die Versicherer sparen sich den Organisations- und Verwaltungsaufwand.

Auf den zweiten Blick jedoch wirkt sich diese weitverbreitete Vorgehensweise negativ auf alle an dem Schadenprozess beteiligten Parteien aus: Die Versicherer haben deutlich geringere Realisierungsquoten und höhere Kosten, die Werkstätten sind überlastet und die Kunden sind verärgert.

Situation der Werkstätten

Um die Gründe dafür zu verstehen, muss man die Situation der Werkstattbetriebe nachvollziehen. Der Ersatzwagen war lange ein Geschäftsfaktor, den Werkstätten in Zeiten niedriger Kosten für Leasing, Reparatur und Verwaltung sowie geringeren Drucks auf die Kapazitäten der Werkstätten akzeptieren konnten. Heute ist die Unterhaltung dieser Fahrzeuge wesentlich aufwendiger. Die Kosten für den Besitz oder das Leasing von Fahrzeugen sind deutlich gestiegen. Zudem gibt es immer weniger Kleinwagen, da die Hersteller ihren Fokus auf größere Fahrzeuge und Elektromodelle (EVs) legen.

Bei Investitionen in EVs kommt zur Anschaffung der Wagen auch die Installation von Ladeinfrastruktur hinzu, was die Kosten zusätzlich treibt. Geleaste Fahrzeuge stehen in der Bilanz, binden Kapital, während längere Leasingzeiträume zusätzliche Herausforderungen in Bezug auf Service, Wartung und Reparaturen mit sich bringen. Die Kosten für die Administration, Verkehrsverstöße, Schäden und Reinigung sind weitere Faktoren, die zum finanziellen und organisatorischen Aufwand beitragen. Waren Ersatzfahrzeuge früher für eine Woche bei einem Kunden, sind sie jetzt zum Teil drei Wochen oder länger unterwegs. In einigen Fällen dehnen sich die Reparaturzeiten für Fahrzeuge aufgrund von Problemen bei der Ersatzteilversorgung sogar auf mehrere Monate aus. So lange können weder Versicherungsnehmer auf ein Fahrzeug verzichten noch können die Werkstattbetriebe es kostendeckend vorhalten.

Lange Wartezeiten

Die Werkstätten benötigen also mehr Fahrzeuge denn je, um die Anforderungen von Kunden und Versicherern zu erfüllen. Die Vorlaufzeiten für Reparaturen mit einem Ersatzwagen können beträchtlich sein und manchmal müssen Werkstätten sogar Aufträge ablehnen, weil sie kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung haben und auch keines auf eigene Kosten bei einem Mietwagenpartner mieten möchten. Ersatzmobilität und Reparaturtermin stehen entsprechend in einem direkten Zusammenhang. Das wiederum wirkt sich negativ auf das Geschäft der Versicherer aus: Je länger der Kunde auf einen Reparaturtermin bei einem Werkstattpartner des Versicherers warten muss, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde eine Werkstatt außerhalb des Partnernetzwerks des Versicherers wählt. Dadurch steigt der Aufwand für den Kunden und der Versicherer verliert die Möglichkeit der Schadensteuerung. Das führt dazu, dass der Kunde verärgert ist und der Versicherer neben sinkender Kundenzufriedenheit höhere Kosten und einen höheren administrativen Aufwand hat.

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Ein Artikel von
Alexander Backhaus