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3. Januar 2021
Altersvorsorge: „Man sollte zur aktuellen Lebenserwartung einen zusätzlichen Puffer einrechnen“

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Altersvorsorge: „Man sollte zur aktuellen Lebenserwartung einen zusätzlichen Puffer einrechnen“

Altersvorsorge darf auch in Rezessionen oder Bärenmärkten nicht in Vergessenheit geraten. Wer in solchen Phasen entspannt bleibt und vorausschauend plant, hat Torsten Reidel von Grüner Fisher Investments zufolge tendenziell nicht viel zu befürchten. Bei ihrem Vorsorgeplan sollten Kunden aber nicht zu knapp kalkulieren. Interview mit Torsten Reidel, Geschäftsführer von Grüner Fisher Investments.

Herr Reidel, in einem Jahr von Lockdown und Crashs könnte man annehmen, dass Altersvorsorge in den Hintergrund gerückt sei. Wirken sich ein Bärenmarkt oder eine Rezession tatsächlich negativ auf die Altersvorsorge aus?

Rezessionen und Bärenmärkte stellen in der Regel einschneidende Erlebnisse im Leben eines Investors dar. Hierbei hängen die direkten Auswirkungen auf die persönliche Situation von verschiedenen Einflussfaktoren ab. Beispielsweise sind lokale Rezessionen viel häufiger als ihre globalen Pendants. Wer also regional betrachtet zu eingeschränkt investiert, muss in der Regel viel härtere Einschläge aushalten und wird womöglich deutlich häufiger in die Versuchung kommen, zum falschen Zeitpunkt zu verkaufen. Der Weg von Investoren mit dem sogenannten Home-Bias ist deutlich härter als der mit einer globalen Aufstellung und einem diversifizierten Portfolio. Zusätzlich hängen die Auswirkungen vor allem von der jeweiligen Reaktion des Investors ab. Während das eigentliche Prinzip davon ausgeht, dass man niedrig kauft und hoch verkauft, sieht die Realität anders aus. Viel zu oft verkaufen Menschen in der Nähe des Tiefpunkts. Das richtet erhebliche Schäden für Anleger an, die die langfristig überlegene Aktienmarktrendite in ihrer Ruhestandsplanung ausnutzen wollen. Wer dagegen entspannt bleibt und vorausschauend plant, hat tendenziell nicht viel zu befürchten.

Wie schafft man es, die Menschen in solchen Phasen zu beruhigen und von der Altersvorsorge zu überzeugen?

Wir müssen Menschen nicht grundsätzlich von der Bedeutung der Altersvorsorge überzeugen. Ruhe ist jedoch weitaus schwieriger zu erlangen als das Wissen über die Notwendigkeit, etwas zu tun – in Zeiten von Nullzinsen und steigender Geldmenge sicherlich kein Wunder. Aus unserer Sicht hängt das Emotionsmanagement stark mit Informationen zusammen. Wir investieren unglaublich viel Arbeit und Zeit in die Wissensvermittlung. Jeder Kunde bekommt einen für ihn zuständigen Investmentberater an die Hand, den er sprichwörtlich Tag und Nacht kontaktieren kann. Denn Wissen ist der beste Schutz vor Ängsten. Wir initiieren digitale Kunden-Events und versuchen dabei jeden dort abzuholen, wo er emotional steht. In der Folge fällt es vielen einfacher, nicht zum falschen Zeitpunkt ihr Vermögen mit einer großen Fehlentscheidung zu gefährden.

Sie fordern, dass Finanzpläne regelmäßig und damit unabhängig von Krisen an die verfolgten Ziele angepasst werden sollen. Was bedeutet regelmäßig?

Jeder Mensch hat finanzielle Ziele, die bedingt durch seine Lebensumstände individuellen Beweggründen folgen. Grundsätzlich ist es zunächst zwingend notwendig, seine Anlagestrategie auf diese Ziele und die dazu notwendigen Kapitalflüsse anzupassen. Das klingt tendenziell einfacher, als es ist, da viele Zusammenhänge von Anlageklassen meist nicht verstanden werden. Beispiels­weise gelten Anleihen in der öffentlichen Wahrnehmung als risikoloser im Vergleich zu Aktien. Kurzfristig ist das richtig. Die Schwankungsbreite im Endergebnis ist jedoch höher, wenn sich der Anlagehorizont verlängert. Gold gilt als Krisenschutz, hat aber tatsächlich keine hohe inverse Korrelation zu Aktien. Insofern gilt es, gemeinsam mit dem Anleger ein Verständnis für Anlageklassen zu entwickeln, eine Strategie zu erarbeiten und dabei auf seine persönliche Situation einzugehen. Regelmäßige Anpassungen sind unvermeidlich, wobei die Zeitabstände von individuellen Gegebenheiten abhängig sind. An dieser Stelle gilt, lieber einmal zu viel die Rahmenbedingungen zu überprüfen. Schließlich möchte man nicht im Alter die Situation erleben, dass das Geld ausgeht. Spätestens dann, wenn sich Ziele ändern oder externe Einflüsse auf die Vermögensverhältnisse wirken, ist jedoch eine zusätzliche Überprüfung aus unserer Sicht zwingend notwendig.