Aufsichtsratsmitglieder tragen eine hohe Verantwortung und stehen bei Pflichtverletzungen in der Haftung. Eine Directors-&-Officers-(D&O)-Versicherung dient dazu, diese Risiken finanziell abzusichern. Der jüngste Vergleich im Fall Arcandor zeigt, welche Dimensionen solche Verfahren erreichen können.
Weiterführende Verhandlungen zahlen sich aus
Wie der Insolvenzverwalter Hans-Gerd H. Jauch von der Kanzlei JDL mitteilt, haben die D&O-Versicherer von sechs ehemaligen Mitgliedern des Arcandor-Aufsichtsrats insgesamt 76,5 Mio. Euro an die Insolvenzmasse der ehemaligen Arcandor AG überwiesen. Die Namen der D&O-Versicherer nennt Jauch nicht, laut früheren Berichten handelt es sich dabei um ein Konsortium aus Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS), Chartis (früher AIG), Zurich und Axa XL. Mit dem kürzlich geschlossenen Vergleich endet ein jahrelanger Rechtsstreit, der als einer der umfangreichsten Fälle in der Geschichte des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm gilt.
Bereits im April 2022 hatte der 8. Zivilsenat des OLG Hamm nach zwölf Jahren Prozessdauer entschieden, dass die Schadensersatzansprüche des Insolvenzverwalters gegen sechs frühere Aufsichtsräte im Zusammenhang mit der Veräußerung und Anmietung von Warenhaus-Immobilien in den Jahren 2004 und 2005 in Höhe von 53,6 Mio. Euro zuzüglich Zinsen begründet sind.
Sowohl der Insolvenzverwalter als auch die Beklagten hatten anschließend Nichtzulassungsbeschwerden beim Bundesgerichtshof (BGH) eingereicht, um das Urteil überprüfen zu lassen. Parallel dazu wurden Vergleichsverhandlungen mit den D&O-Versicherern geführt – mit dem nun erzielten Ergebnis.
Hintergrund: Milliardenverlust aus Immobilien-Deal
Im Sommer 2010 machte der Insolvenzverwalter der Arcandor AG Schadensersatzansprüche in Höhe von 175 Mio. Euro gegen insgesamt elf ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder geltend. Hintergrund waren die Veräußerung und die anschließende Anmietung von fünf Warenhaus-Immobilien in Karlsruhe, Leipzig, München, Potsdam und Wiesbaden.
Die betreffenden Warenhäuser stammten aus der Übernahme von Hertie und erwiesen sich als wirtschaftlich unrentabel. Im Jahr 2002 entschied der damalige Vorstand, die Objekte gemeinsam mit Oppenheim-Esch über Projektgesellschaften zu entwickeln. Ziel war es, die Immobilien unter Marktwert zu erwerben, zu sanieren und anschließend an Karstadt zu deutlich über den üblichen Marktmieten zurückzuvermieten. Auf Veranlassung der Bilanzprüfer wurde der daraus resultierende Schaden vorsorglich mit 175 Mio. Euro als drohender Verlust in der Bilanz berücksichtigt. Bereits zuvor hatte die interne Immobilienabteilung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Geschäft nachteilig für Arcandor sei.
Der Insolvenzverwalter argumentierte, dass die 2006 amtierenden Aufsichtsräte verpflichtet gewesen wären, die damals verantwortlichen Organe von Arcandor auf diese 175 Mio. Euro Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Eine Pflicht, der sie jedoch nicht nachkamen.
Erstes Vergleichsangebot lag noch bei 18 Mio. Euro.
In diesem Zusammenhang betont der Insolvenzverwalter, dass der frühere Vergleichsvorschlag des Gerichts über 18 Mio. Euro sorgfältig geprüft wurde. Nach eingehender Analyse empfahl er dem Gläubigerausschuss, den Vergleich trotz der damals bereits neun Jahre andauernden Prozessdauer abzulehnen und den Rechtsstreit fortzuführen. (bh)
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