Ein Artikel von Alexander Siegmund, Geschäftsführer der KPM Pensions & Benefits GmbH
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) gilt als zweite Säule der Altersvorsorge in Deutschland, und doch stagniert ihre Verbreitung seit Jahren. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bleibt sie weit hinter ihrem Potenzial zurück. Nur rund ein Viertel der Mitarbeitenden in Kleinstbetrieben hat Zugang zu einer bAV. Der Grund? Nicht ein Mangel an Produkten, sondern ein Mangel an Struktur, Vertrauen und Verständlichkeit. Während die Politik auf kosmetische Symbolpolitik setzt, bleibt die bAV ein sperriges System, das Arbeitgeber:innen überfordert und Arbeitnehmer:innen verunsichert.
Dabei könnte die bAV zur Lösung vieler Probleme werden – wenn man sie denn endlich richtig einsetzt.
Systemfehler, alte Rechenmodelle und falschen Anreize
Wer die Ursachen der geringen bAV-Verbreitung verstehen will, muss bei drei Akteuren ansetzen: Gesetzgeber, Versicherungswirtschaft und Unternehmenspraxis.
1. Die Politik: Gute Absicht, falsche Ausführung
Die Bundesregierung und auch Arbeitsministerin Bärbel Bas versprechen die Stärkung der Betriebsrente – mit Digitalisierung, Entbürokratisierung und besserer Portabilität. Doch konkrete Maßnahmen bleiben aus. Vieles wirkt wie Symbolpolitik: Die geplante Anhebung der Geringverdienergrenze ist richtig, aber reicht nicht. Denn nach wie vor fehlen:
- ein echtes Auto-Enrolment mit Opt-out-Option statt Opt-in, unabhängig von Tarifbindung,
- der Wegfall der Schriftformerfordernis,
- die rechtssichere Klärung der Mindestbeitragsgarantie bei der BOLZ,
- die Abschaffung der Doppelverbeitragung bei Kranken- und Pflegeversicherung,
- eine fairere Geringverdienerförderung, auch jenseits von klassischen Versicherungsprodukten.
2. Die Versicherungswirtschaft und die Kalkulation der Lebenserwartung
Viele der klassischen bAV-Produkte rechnen mit einer Lebenserwartung bis zum 130. Lebensjahr. Dabei legt die durchschnittliche Lebenserwartung aktuell bei 83 Jahren. Das Resultat: unnötig hohe Beitragssummen und sinkendes Vertrauen. Bei einer Zielrente von 1.000 Euro sind bei klassischen Versicherern bis zu 450.000 Euro Kapital nötig. Im Modell smart pension hingegen reichen rund 240.000 Euro, aufgrund einer realitätsnahen Kalkulation bis 94 Jahren. Der Unterschied kommt direkt Unternehmen und Beschäftigten zugute.
3. Der Mittelstand: Kein Produktproblem, sondern ein Umsetzungsdefizit
Besonders in KMUs fehlt es an personellen, fachlichen und zeitlichen Ressourcen, um sich durch das Dickicht der bAV-Regelungen zu kämpfen. Viele Arbeitgeber:innen vermeiden das Thema aus Unsicherheit, fehlender Transparenz und Übersichtlichkeit, oder weil sie ausschließlich Produktverkauf erleben. Beratung wird zum Verkauf und die bAV damit zur Blackbox.
Durch mehr Struktur bessere Produkte schaffen
Die bAV braucht keine neuen Etiketten – sondern endlich verlässliche Spielregeln und einfache Umsetzungsmöglichkeiten:
- Rechtsklarheit schaffen: Die beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) braucht eine gesetzlich definierte Mindestgarantie. Solange unklar bleibt, wie viel von den Beiträgen wirklich sicher ist, wird Vertrauen verspielt.
- Steuerrecht modernisieren: Der Rückstellungszins von 6% in § 6a EStG stammt aus den 1980ern – und gehört ebenso wie die Vervielfältiger aus dem Jahr 1946 bei Unterstützungskassen auf ein marktnahes Niveau angepasst.
- Versorgung statt Verkauf denken: Beratung muss unabhängig, zertifiziert und verständlich sein. Nicht das Produkt, sondern die Versorgung der Menschen muss im Zentrum stehen. Und hierzu gehört ebenso eine effiziente Kalkulation mit fairen Lebenserwartungen und vollständiger Kapitalverwendung im Unternehmen, als eine transparente Übersicht und Kommunikation für alle Beteiligten.
- KMU durch Digitalisierung entlasten: Ein digitales bAV-Ökosystem mit standardisierter Benutzerführung, flexiblen Schnittstellen und Förderzugängen kann den Mittelstand erreichen. So wie es das Onlinebanking im Finanzbereich getan hat.
- bAV und Aktivrente kombinieren: Wenn ab 2026 die Aktivrente kommt, muss § 6 BetrAVG angepasst werden. Nur wenn auch bei Teilrente eine Auszahlung der bAV möglich ist, entsteht ein flexibler, planbarer Übergang in den Ruhestand. Andernfalls bleibt die Aktivrente Symbolpolitik mit Blockadewirkung.
Fazit: Nicht mehr Produkte, sondern bessere Bedingungen
Die bAV ist kein gescheitertes Modell – sie wurde nur jahrzehntelang falsch gespielt. Wer Altersvorsorge ernst meint, muss die Strukturen reparieren: steuerlich, rechtlich und kulturell. Der Staat muss moderne Rahmenbedingungen schaffen, Versicherer müssen ihre Kalkulationen der Realität anpassen, und Unternehmen brauchen einfache, faire Wege zur Umsetzung. Denn: Die Altersvorsorge von morgen entsteht nicht im Versicherungsprospekt – sondern im Zusammenspiel von Gesetz, Arbeitgeberverantwortung und echtem Versorgungsgedanken.
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