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30. Juni 2021
Betriebsschließungsversicherung: Zwei gegensätzliche Urteile

Betriebsschließungsversicherung: Zwei gegensätzliche Urteile

Karlsruhe hat in zwei Fällen zur Leistungspflicht von Versicherern im Zusammenhang mit einer Betriebsschließungsversicherung geurteilt. Die Urteile stammen noch nicht vom BGH, sondern vom OLG Karlsruhe. In einem Verfahren entschied das OLG im Sinne des Versicherers, im anderen zugunsten des Versicherten.

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat mit zwei Urteilen darüber entschieden, ob eine Betriebsschließungsversicherung auch dann greift, wenn die Schließung eines Gaststättenbetriebs im Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie erfolgt ist. In einem Fall bejahte das Gericht den Leistungsanspruch. Im zweiten Fall, in dem die Versicherungsbedingungen anders formuliert waren, wurde ein Anspruch des Betriebsinhabers verneint.

Beschränkungen klar und verständlich genug?

Für die Urteilsfindung kam es dem OLG darauf an, ob es den Versicherern bei der Ausformulierung ihrer AVB gelungen war, die gewollte Beschränkung des Versicherungsschutzes auf einen Katalog von Krankheiten und Erregern ausreichend klar und verständlich – und somit wirksam – zu regeln.

Verweis auf das Infektionsschutzgesetz

Im ersten Fall ging es um die pandemiebedingte Schließung eines Hotels mit angeschlossener Gaststätte (Az.: 12 U 4/21). In den betreffenden Versicherungsbedingungen wird mehrfach auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) Bezug genommen und bestimmt, dass eine Entschädigung „beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)“ geleistet wird. Der unter Nr. 2 enthaltene Katalog verweist auf die „folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger“. Weder COVID-19 noch der Erreger SARS-CoV-2 waren Bestandteil dieses Katalogs.

Verstoß gegen Transparenzgebot

Die Begrenzung des Versicherungsschutzes ist hier nach der Beurteilung des Gerichts nicht hinreichend klar und verständlich erfolgt. Die Einschränkung verstößt folglich gegen das gesetzliche Transparenzgebot für Allgemeine Geschäftsbedingungen und ist unwirksam.

Bezugnahme auf IfSG vermittelt falschen Eindruck

Durch die in den Versicherungsbedingungen mehrfach erfolgte Bezugnahme auf das Infektionsschutzgesetz werde dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer der Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes vom Versicherungsschutz erfasst sei. Der Katalog in den Versicherungsbedingungen habe aber bereits bei seiner Erstellung nicht mehr dem Stand des Infektionsschutzgesetzes entsprochen.

Revision zum BGH zugelassen

Das OLG hat den beklagten Versicherer antragsgemäß zur Zahlung von ungefähr 60.000 Euro verurteilt. Die Revision zum BGH wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung und unter Berücksichtigung abweichender Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Keine Bezugnahme auf IfSG

Das zweite Verfahren vor dem OLG Karlsruhe ging jedoch anders aus (Az.: 12 U 11/21). Auch hier war eine Hotel- und Gaststättenanlage betroffen. Die Versicherungsbedingungen in diesem Fall erwähnen das Infektionsschutzgesetz jedoch an keiner Stelle und enthalten die ausdrückliche Regelung, dass meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieses Vertrags nur die in einem nachfolgenden Katalog aufgezählten sind. Weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 sind in dem Katalog enthalten.

Eindeutig gefasste Klausel

Das OLG Karlsruhe entschied in diesem Fall, dass kein Versicherungsschutz für eine Betriebsschließung in Folge der Corona-Pandemie besteht. Angesichts der eindeutig gefassten Klausel sei die Risikobegrenzung weder mehrdeutig noch überraschend. Die Klausel stelle auch keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Sie entspreche den Anforderungen des Transparenzgebotes und weiche auch darüber hinaus nicht vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. In diesem Fall hat das OLG auch keine Revision zum BGH zugelassen. Der Versicherungsnehmer hat aber noch die Möglichkeit, sich per Nichtzulassungsbeschwerde an das oberste deutsche Zivilgericht zu wenden. (tku)

OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.06.2021 – 12 U 4/21; 12 U 11/21

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