Eine Einkommensteuererklärung schieben viele Privatpersonen gerne vor sich her. Die Tätigkeit gilt nicht nur als langatmig, sondern auch als fehleranfällig. Schnell hat sich ein Versehen eingeschlichen und Nachforderungen flattern ins Haus. Doch was ist, wenn dem Finanzamt ein Versehen unterlaufen ist und nicht dem Bürger? Dann muss sich unter Umständen sogar der Bundesfinanzhof (BFH) mit der Frage befassen, ob ein Steuerbescheid wirksam bleibt oder korrigiert werden darf.
Korrekte Angaben und vollständige Unterlagen
Ein Mann hatte seine Einkommensteuererklärung elektronisch beim Finanzamt eingereicht. Im Rahmen der Erklärung führte er Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen auf. Die Angaben waren korrekt und die maßgeblichen Unterlagen hatte er vollständig eingereicht.
Sechs-Augen-Prinzip
Der Sachbearbeiter im Finanzamt hatte den Fall daraufhin als sogenannten „Intensiv-Prüfungsfall“ gehandhabt. Als solcher unterliegt er einem Sechs-Augen-Prinzip. Das bedeutet, dass nicht nur der Sachbearbeiter und sein Vorgesetzter die Einkommensteuererklärung prüfen, sondern auch eine Qualitätssicherungsstelle hinzugezogen wird, die den Fall kontrollieren muss.
Händische Eintragung fehlerhaft
Im Zuge der maschinellen Verarbeitung der Erklärung kam es zu einem Fehler und der Vorgang wurde abgebrochen. Das hatte zur Folge, dass der Sachbearbeiter einige Werte händisch selbst eintragen musste. Als ermittelter, steuerfreier Veräußerungsgewinn wurde dabei versehentlich der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn von 79.740 Euro eingetragen.
Fehler bleibt unentdeckt
Folglich wurden die Einkünfte des Mannes aus Gewerbebetrieb in Höhe von 0 Euro bemessen. Der Fall durchlief auch die Prüfung durch die Qualitätssicherungsstelle, ohne dass etwas zu beanstanden war. Auch nachdem der Mann Angaben bezüglich seiner Kinderbetreuungskosten nachgereicht hatte, fiel der Fehler nicht auf. Im Oktober 2013 wurde schließlich der geänderte Einkommensteuerbescheid erlassen und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Finanzamt fordert Nachzahlung
Als im Jahre 2014 jedoch eine Außenprüfung bei der GmbH durchgeführt wurde, deren Anteile der Mann veräußert und daraus den Gewinn erwirtschaftet hatte, fiel der Fehler letztlich doch auf. Daraufhin folgte ein weiterer geänderter Einkommenssteuerbescheid, der eine Nachzahlung des Betrags verlangte. Dagegen legte der Mann Einspruch ein. Das Finanzamt wies den Einspruch zurück, worauf der Mann Klage gegen das Finanzamt erhob.
Prozess vor dem Finanzgericht
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Es habe sich dabei lediglich um einen mechanischen Fehler gehandelt, der auch bei der Qualitätssicherung unentdeckt geblieben war. Nur weil ein Steuerfall intensiv geprüft werden soll, heißt dies nicht, dass er auch intensiv geprüft wird, begründete das Finanzgericht sein Urteil. Mechanische Fehler dürften jederzeit nachträglich korrigiert werden.
BFH erkennt kein „mechanisches Versehen“
In der Revision vor dem BFH sah das jedoch anders aus. Der BFH gab der Klage des Mannes statt und wies die Nachforderungen des Finanzamts zurück. Seiner Ansicht nach könne es sich nicht um ein sogenanntes mechanisches Versehen handeln, wenn mindestens zwei Mitarbeiter des Finanzamts die Steuererklärung auch inhaltlich geprüft und bearbeitet hätten – beim Vorgesetzten kann es sich auch nur um eine formelle Prüfung gehandelt haben.
Nachträglich Änderung des Steuerbescheids unzulässig
Der IX. Senat sieht hier einen Tatsachen- bzw. Rechtsirrtum oder eine mangelhafte Aufklärung des Sachverhalts. Aus diesem Grund ist eine nachträgliche Änderung gemäß § 129 Abgabenordnung zu offenbaren Unrichtigkeiten beim Erlass eines Verwaltungsakts laut Überzeugung des Gerichts nicht anwendbar. Das Finanzamt muss auf das nachträglich eingeforderte Geld verzichten. (tku)
BFH, Urteil vom 10.12.2019, Az.: IX R 23/18
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