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Steuern & Recht
31. Oktober 2022
BGH beendet jahrelangen WEG-Streit um Selbstbehalt

BGH beendet jahrelangen WEG-Streit um Selbstbehalt

Die Gebäudeversicherung sorgt in Eigentümergemeinschaften oft für Streit. Vor Kurzem hat sich der BGH mit der Aufteilung des Selbstbehalts für Schäden befasst, die nur ein einzelnes Sondereigentum betreffen. Dr. Bettina Wirmer-Donos, Rechtsanwältin und Partnerin bei der Anwaltskanzlei FPS, beleuchtet das Urteil.

Tritt an einem in Wohnungseigentum aufgeteilten Gebäude ein durch die Gebäudeversicherung versicherter Schaden am Gemeinschaftseigentum ein, wird ein vereinbarter Selbstbehalt unter den Eigentümern aufgeteilt. Dies ist unproblematisch. Seit Jahren streiten Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) jedoch über die Aufteilung des Selbstbehalts für Schäden, die nur an einem einzelnen Sondereigentum entstehen.

Soll der Selbstbehalt solidarisch unter den Wohnungseigentümern aufgeteilt werden? Oder soll der Eigentümer des betroffenen Sondereigentums den Selbstbehalt in voller Höhe selbst tragen? In einem Urteil des BGH (Urteil vom 16.09.2022 – V ZR 69/21), hat dieser die Einstandspflicht der Gemeinschaft für Schäden am Sondereigentum bejaht und damit jahrelangen WEG-Streitigkeiten den Wind aus den Segeln genommen. Als der Artikel verfasst wurde, war das Urteil noch nicht veröffentlicht – der Artikel beruht daher auf der vom BGH herausgegebenen Pressemitteilung.

Die Entscheidung des BGH

Dem liegt folgender Fall zugrunde: Es geht um einen Gebäudekomplex in Köln mit mehreren kleineren Wohnungen und einer größeren Gewerbefläche, die der klagenden Eigentümerin gehört. In der Wohnung eines Sondereigentümers treten seit Jahren wegen alter, mangelhafter Rohrleitungen immer wieder Wasserschäden auf. Zuletzt betrug der sich stetig erhöhende Selbstbehalt pro Schadensfall 7.500 Euro mit der Folge, dass die Versicherung nur noch 25% der Schäden erstattet hat. Nach einem neuerlichen Schadenseintritt verlangt der Kläger von der Wohnungseigentümergemeinschaft den Beschluss, dass er nicht mehr an dem Selbstbehalt beteiligt wird – dies unter anderem mit der Begründung, die Mängel an den Leitungen seien jeweils hinter den Absperreinrichtungen in den jeweiligen Wohnungseinheiten aufgetreten. Damit hat er auch nach Auffassung des BGH keinen Erfolg.

Ein von der Gemeinschaft vereinbarter Selbstbehalt sei nach der BGH-Entscheidung wie die Versicherungsprämie nach dem gesetzlichen bzw. vereinbarten Verteilungsschlüssel zu verteilen, unabhängig davon, ob der Schaden am Gemeinschaftseigentum oder am Sondereigentum entsteht. Mit dem Selbstbehalt habe man bewusst eine Unterversicherung vereinbart. Dies sei damit verbunden, die Gemeinschaft als Versicherungsnehmerin eine herabgesetzte Prämie zu zahlen habe. Auch wenn es zunächst unfair erscheint, dass man als Eigentümer einer Wohnung unter Umständen für Schäden an fremden Eigentum zu zahlen hat, entspricht diese Kostenverteilung daher dem wohnungseigentumsrechtlichen Solidaritätsprinzip unter Wohnungseigentümern.

Gilt das immer?

Das muss nicht immer gelten. Aus der Gemeinschaftsordnung oder der Teilungserklärung kann sich etwas anderes ergeben. Zum Beispiel kann eine Wohnungseigentümergemeinschaft in Untergemeinschaften unterteilt werden. Etwa wenn verschiedene Teile eines in Wohnungseigentum aufgeteilten Gebäudes technisch getrennt sind. Dann gilt die Kostenverteilung nur in der Untergemeinschaft, die von dem Schaden betroffen ist.

Denkbar ist auch, dass in zukünftig festzulegenden Gemeinschaftsordnungen spezielle Regelungen zum Umgang mit Schadenseinbehalten getroffen werden. Allerdings dürfen diese nicht in Ansehung der Rechte und Interessen anderer Wohnungseigentümer unbillig erscheinen (§ 10 Abs. 2 WEG). Man könnte in der Gemeinschaftsordnung vereinbaren, dass der Selbstbehalt zulasten eines Sondereigentümers geht, sofern dieser einen Schaden schuldhaft verursacht hat, der sich in seinem Sondereigentum oder im Gemeinschaftseigentum realisiert hat.

Der BGH hält es für möglich, durch Beschluss der Wohnungseigentümer für den Selbstbehalt einen gesonderten Verteilungsschlüssel festzulegen. Dazu würde nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG eine Mehrheitsentscheidung der Wohnungseigentümergesellschaft ausreichen. Ein solcher Beschluss kann aber gerichtlich nur durchgesetzt werden, wenn ein Festhalten an der bisherigen Verteilung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Wohnungseigentümer unbillig erscheint (§ 10 Abs. 2 WEG). Denkbar sind vor allem technische Gründe – etwa, wenn es an bestimmten Stellen des Gebäudes bauliche Besonderheiten gibt, von denen andere Sondereigentümer nicht betroffen sind. Oder es wird vereinbart, dass der Selbstbehalt zumindest dann von dem betroffenen Sondereigentümer zu tragen ist, wenn er den Schaden durch Einwirkung auf sein Sondereigentum oder dadurch schuldhaft verursacht, dass er notwendige Sanierungen seines Sondereigentums nicht durchführt.

Ob einer dieser Fälle hier zutrifft, war nicht Gegenstand der Entscheidung des BGH.

Könnte man auch die Versicherungspolice ändern?

Naheliegend ist die Frage, ob die Versicherungspolice geändert werden kann. Nach § 19 WEG ist die Wohnungseigentümergemeinschaft zur angemessenen Versicherung des Gemeinschaftseigentums verpflichtet. Würde eine Gebäudeversicherung nur für das Gemeinschaftseigentum abgeschlossen, wäre der Rechtsgrundsatz aus dem Urteil nicht übertragbar. Dann hätte jeder Sondereigentümer Schäden, die nur an seinem Sondereigentum entstehen, selbst zu regulieren und deren Kosten zu tragen (§§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG). Zumindest in der deutschen Versicherungsbranche wird in der Regel aber nur der Abschluss einheitlicher Versicherungsverträge für das gesamte Gebäude angeboten. Andernfalls müsste vor jedem Schadensausgleich mit hohem technischen Aufwand geklärt werden, ob der Schaden im Sondereigentum oder im Gemeinschaftseigentum entstanden ist. Insofern ist eine Änderung der Versicherungspolice keine realistische Lösung.

Wird ein Schaden von einem Wohnungseigentümer selbst verursacht, gilt nichts anderes. Die Versicherung würde dann allenfalls prüfen, ob sie den schädigenden Sondereigentümer in Regress nehmen kann.

Was ist den Wohnungseigentümern und dem Verwalter zu raten?

Bei wiederholt auftretenden altersbedingten Schäden im Gemeinschaftseigentum kann es sinnvoll sein, eine Sanierung zu beschließen. Damit würden auch die Versicherungskosten gesenkt. Ist dies nicht gewünscht, ist es auch angemessen, in Übereinstimmung mit der BGH-Entscheidung an der Verteilung des Selbstbehalts festzuhalten. Es könnte auch sinnvoll sein, eine Aufteilung des Selbstbehalts zumindest dann durch Beschluss auszuschließen, wenn der Schaden dadurch herbeigeführt wurde, dass ein Wohnungseigentümer sich weigert, sein Sondereigentum zu sanieren und dadurch Schäden an Gemeinschaftseigentum oder fremdem Sondereigentum entstehen.

Über die Autorin

Dr. Bettina Wirmer-Donos ist Rechtsanwältin und Partnerin bei der Anwaltskanzlei FPS in Frankfurt. Ihre Tätigkeit umfasst sämtliche Aspekte des Legal Real Estate Asset Managements. Sie berät bei der Gestaltung von Mietverträgen, Bau- und Planerverträgen und Asset-Managementverträgen. Daneben berät sie Unternehmen im Zusammenhang mit dem Erwerb, der Veräußerung und der Strukturierung von Immobilienportfolien.

 
Ein Artikel von
Dr. Bettina Wirmer-Donos