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7. Oktober 2021
BGH: Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen unzulässig
BGH: Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen unzulässig

BGH: Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen unzulässig

Im Streit um die Wirksamkeit von Zinsanpassungen in langfristigen Sparverträgen ist ein Urteil des BGH gefallen. Demnach sind die strittigen Klauseln unwirksam. Die entstandene Regelungslücke muss per ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden. Die Entscheidung ist richtungsweisend.

Im Musterfeststellungsverfahren vor dem BGH ist ein Urteil zu den umstrittenen Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen gefallen. Vor Gericht konnte sich die Verbraucherzentrale Sachsen in allen relevanten Punkten gegenüber der Sparkasse Leipzig durchsetzen.

Klare Anpassungskriterien nötig

Dem Urteil zufolge sind Zinsänderungsklauseln in langfristigen Sparverträgen wie den sogenannten Prämiensparverträgen nur dann zulässig, wenn ihre Anpassung klaren Kriterien folgt. Das war nach Ansicht der Bundesrichter im konkreten Fall bei der Sparkasse Leipzig nicht der Fall.

Zinsänderung per Aushang im Kassenraum

Die Sparkasse hatte sich in den Vertragsformularen eine jederzeitige Anpassung des Zinssatzes vorbehalten. Der einschlägige Passus lautete: „Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.“

Berechnungsmethode fraglich

Dass derartige einseitige Zinsanpassungsklauseln unwirksam sind, hatte der BGH bereits in früheren Verfahren entschieden. In diesem Revisionsverfahren ging es hauptsächlich um die Frage, wie die rechtmäßige Berechnungsmethode für die Zinsanpassung lautet.

Vorgaben für Zinsberechnung

Mit ihrem Urteil gehen die Bundesrichter auf alle relevanten Forderungen der Verbraucherschützer ein und haben das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das vorinstanzliche Berufungsgericht zurückverwiesen. Mit dem Urteilsspruch gibt der BGH dem OLG Dresden zahlreiche Vorgaben an die Hand, wie der Zinssatz korrekt bestimmt werden kann.

Ergänzende Vertragsauslegung nötig

Nachdem die Zinsanpassungsklausel nämlich unwirksam sei, bestehe eine Regelungslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB geschlossen werden müsse. Das OLG hatte keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz bestimmt. Zu Unrecht, wie die Bundesrichter nun entschieden.

Referenzzinssatz im Musterfeststellungsverfahren bestimmbar

Das OLG war rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, es könne keinen Referenzzinssatz im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen, weil im Verfahren über die Musterfeststellungsklage nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthielten. Solche Individualvereinbarungen seien jedoch nur in den Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zu berücksichtigen und schließen die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils nach § 613 Abs. 1 ZPO, nicht aber die Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung im Musterfeststellungsverfahren aus.

Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank maßgeblich

Die Zinsanpassungen sind gemäß dem Willen des BGH nach der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung in einem monatlichen Rhythmus vorzunehmen, weil der für langfristige Spareinlagen in Betracht kommende Referenzzinssatz in der von der Deutschen Bundesbank erhobenen Zinsstatistik monatlich veröffentlicht wird.

Relativer Abstand beizubehalten

Des Weiteren fordern die Bundesrichter, dass bei den Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beizubehalten ist. Nur eine solche Auslegung gewährleiste, dass das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibe und somit günstige Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen ungünstig blieben.

Richtungsweisend für die gesamte Branche

Das Musterfeststellungsverfahren hat eine hohe Bedeutung für die gesamte Branche, da zahlreiche Kreditinstitute ähnliche Sparverträge vertrieben haben. Dementsprechend sind über ganz Deutschland hinweg viele weitere Individualklagen und auch einige weitere Musterfeststellungsklagen anhängig.

BaFin will Kreditinstitute verpflichten

Die Verbraucherschutzorganisation Finanzwende fordert die Kreditinstitute in einer Mitteilung dazu auf, von sich aus auf alle betroffenen Kunden zuzugehen und die zu wenig gezahlten Zinsen zu erstatten. Auch die BaFin hat den Druck bereits erhöht (AssCompact berichtete) und möchte die betroffenen Kreditinstitute über eine Allgemeinverfügung dazu zwingen, ihre Kunden über die unwirksamen Zinsklauseln zu informieren und Nachzahlungen zuzusagen. Die Branche wehrt sich gegen die Maßnahme. (tku)

BGH, Urteil vom 06.10.2021 – XI ZR 234/20

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