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22. Oktober 2018
Big Data – Geht der Wissensvorsprung des Versicherungsmaklers verloren?

Big Data – Geht der Wissensvorsprung des Versicherungsmaklers verloren?

Die Versicherungswirtschaft entdeckt Big Data und will nachmachen, was die großen Internetriesen vormachen. Dabei sitzen die Versicherer bereits auf einem hohen Datenberg – einem ziemlich zerklüfteten Berg, denn die Daten sind noch wenig strukturiert. Gelingt es ihnen in Zukunft, die Daten zu strukturieren, wissen die Versicherer schnell mehr über die Kunden als die Vermittler vor Ort.

Big Data hat höchste Priorität bei den Versicherungsgesellschaften. Das hat sehr eindrucksvoll der MCC-Kongress „Insurance Today and Tomorrow“ vor Kurzem in Düsseldorf verdeutlicht, wo das Thema im Vordergrund stand. Die Bewahrung der Kundenschnittstelle ist dabei eine der großen Herausforderungen. Die Internetriesen rütteln kräftig an der Tür und ihre Sprachassistenten eröffnen ihnen neue Dimensionen.

Der Goldstaub verblasst

Nun machen sich die Versicherer auf den Weg, zumindest noch einen Teil vom Kuchen abzubekommen. Denn wenn jemand über Kundendaten verfügt, dann sind sie es. Nur sind diese Daten – anders als bei den Tech-Giganten – wenig strukturiert. Dies gilt umso mehr für die Versicherungsmakler, die eigentlich über das größte Wissen über ihre Kunden verfügen. Von „Goldstaub“ spricht in diesem Zusammenhang Dr. Tobias Warweg, Vorstand der HDI Vertriebs AG und Redner beim MCC-Kongress, der auch in der digitalen Welt weiter an die Bedeutung des persönlichen Vertriebs glaubt. Doch dieser Goldstaub könnte bald weniger glänzen, denn der Versicherungsvermittler findet bei den Big Data-Projekten der Versicherer nur selten Erwähnung.

Leads seien der Hebel der Branche, erklärte etwa Dr. Jörg Mußhoff, Senior Partner bei McKinsey. Wer die Daten nicht habe, werde in Zukunft in Schwierigkeiten geraten. Genauso wichtig seien die Marke und das Vertrauen. Doch auch hier scheinen andere Unternehmen vorauszueilen. Doch was passiert, wenn das Vertrauen in Alexa oder CHECK24 größer wird als das zu einer Versicherungsmarke? Denn die Sprachassistenten und Portale lernen ihre Kunden schneller und besser kennen und das weit über die Versicherungswünsche hinaus. Die Daten und Informationen werden dort direkt mit dem Kundenverhalten in anderen Bereichen in Verbindung gebracht und zur Entwicklung kundenorientierter Produkte genutzt, die wiederum dem Kunden bedarfsgerecht und zum passenden Zeitpunkt zur Verfügung gestellt werden.

Als Marke sichtbar bleiben

Eine Sorge, die einen Versicherer wie die HUK-COBURG umtreibt. HUK-Chef Klaus-Jürgen Heitmann geht davon aus, dass Google, Amazon & Co. an Wertschöpfung aus dem Markt herausnehmen werden, was herauszunehmen ist. Der Versicherer wolle deshalb alles tun, um weiter als Marke sichtbar zu bleiben. Und auch dazu benötigt der Versicherer Daten, die er durch den Aufbau und die Nutzung eines Ökosystems bekommen will – ein Ökosystem, das zunächst aus Services rund ums Auto bestehen soll – etwa mit den Themen Parken, Autowäsche, Reisen, Tanken und schnelle Schadenmeldung. Die Datenbasis des Versicherers soll sich also künftig auch aus Kontextdaten speisen, um häufiger mit dem Kunden in Kontakt zu kommen. Die HUK-COBURG will dabei nicht nur den Vorsprung der Internetfirmen und Vergleichsportale verkleinern, sondern auch die befürchtete Datenhoheit der Autohersteller abwehren.

Ähnliche Ökosysteme bauen gerade auch die Krankenversicherer. Einen wichtigen Part nehmen dabei elektronische Gesundheitsakten ein. Auf dem MCC-Kongress erklärte der DKV-Vorstandsvorsitzende Dr. Clemens Muth die Möglichkeiten solcher Systeme, die auch Schnittstellen zur GKV haben. Auch hier soll der Kunde alle notwendigen Informationen zu seiner Gesundheit oder auch seinen Krankenversicherungen an einem Ort finden und stets verfügbar haben – angereichert mit Online-Terminvergaben, Rezeptbestellungen, Arzneimittelvergleichen und weiteren Services. Muth gab aber zu bedenken, dass Daten und Datenauswertung in der Krankenversicherung auch immer eine ethische Komponente habe.

Externe Konsolidierungsplattformen und Datenhoheit

Kontextinformationen, etwa geopolitische Daten, Lebensplanungen oder regionale Schadenhäufigkeit werden für Versicherer also immer wichtiger, und dabei insbesondere der Match mit den eigenen Bestandsinformationen. Das stellt auch Softwareanbieter wie die teckpro AG vor Herausforderungen. Denn bisher bleibt vieles, was an Plattformen und Ökosystemen geplant ist, an den geschlossenen IT-Kreisläufen der Versicherer hängen, wie teckpro-Vorstand Michael Littig in Düsseldorf zu berichten wusste. Eine Erfahrung, die gerade auch mit den GroKo-Plänen der säulenübergreifenden Renteninformation gemacht wird. Ohne Schnittstellen ist dies nicht möglich.

Der größte Konflikt der Versicherer-Datenpläne sei aber der Datenschutz, so Littig. Die Lösung sei für ihn eine Konsolidierungsplattform, die sich außerhalb der Versicherungssysteme befinde. Die Daten würden dann in eine Cloud wandern und sollten dem Kunden zur Verfügung stehen. Ein mögliches Szenario wäre dann, dass der Kunde die Hoheit über seine Daten zurückbekäme und die Kontrolle habe, wer auf seine Daten zugreifen dürfe. Die übergreifende Frage dahinter: „Wem gehören eigentlich die Daten?“

Ablösung an der Kundenschnittstelle?

Versicherungsmakler sind in die Überlegungen der Versicherer also bisher wenig eingebunden. Dabei sind sie es, die bisher ihr Kundenwissen zum Versicherer gebracht und letztlich die Kundenschnittstelle besetzt haben. InsurTechs war es zuletzt nicht gelungen, diese zu besetzen. Man wird sehen, welche Veränderungen Big Data an dieser Stelle bringen wird. Es wird wohl die Aufgabe der Maklerpools und Dienstleister sein, die Makler an dieser Stelle im Spiel zu halten. (bh)

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Henning Jordan am 22. Oktober 2018 - 11:48

Zuviel Zeit haben sich die Versicherer gelassen, um bei Big Data den GROSSEN den Rang abzulaufen. Nachdem die Versicherer das letzte Quäntchen Vertrauen auch noch verspielen (Ausverkauf der Lebens-/Rentenversicherung), sollte ein Kurswechsel wohl schwierig werden.
Die Personalpolitik dürfte ihr übriges dazu tun, da immer weniger Wissen in den Unternehmen schlummert, werden wertvolle und wichtige Informationen Mangelware.
Jahrzehnte wurden Kundengelder mit vollen Händen verprasst - jetzt lohnt sich das Geschäft nicht mehr...! Die Kunden stehen sprichwörtlich im Regen!
Und jetzt wollen die Versicherer "plötzlich" auf Big Data machen...? Dies hätten Sie bereits vor Jahrzehnten tun können. Digital können viele Player, die nicht aus der Versicherung kommen, dies wesentlich besser! Viele haben bereits mehr als Genug Kunden-/Informationspotential um einfach alles verkaufen zu können!
Die Versicherer werden sich warm anziehen müssen um bei diesem Kampf nicht unter die Räder zu kommen...! Viel Spaß dabei...
Kunden haben mit Versicherung nicht viel am Hut und benötigen nur das Nötigste: den persönlichen Wink, was ist die richtige Entscheidung - auf was sollte man achten! Genau dies ist online nicht wirklich zu haben, da die Kunden meistens nicht wissen, was sie eigentlich fragen sollen...! Hier ist ein persönliches Gespräch von Nöten - alles andere wird - zumindest für die Kunden - nicht förderlich ausgehen.