Eine Kolumne von Prof. Dr. Thomas Dommermuth, Gesellschafter und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP)
Ursprünglich sollten erste Regelungen des Zweiten Gesetzes zur Stärkung von Betriebsrenten (BRSG II) zum Jahresbeginn 2025 in Kraft treten. Die neue Regierung hatte im Juni 2025 einen neuen Referentenentwurf vorgelegt und diesen nun im Regierungsentwurf ein wenig angepasst – die Zielsetzung ist identisch geblieben: der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) durch mehr Flexibilität Auftrieb geben. Was verspricht uns der vorliegende Gesetzentwurf?
Opting-out per Betriebsvereinbarung
Kernstück ist gegenüber der bisherigen Regelung ein erweitertes Opting-Out im neuen Abs. 3 des § 20 Betriebsrentengesetz (BetrAVG): Beschäftigte nehmen automatisch an der Entgeltumwandlung teil. Sie können widersprechen. Neu ist: Unternehmen ohne tarifvertragliche Grundlage, d.h. ohne Tarifvertrag bzw. Anbindung an einen einschlägigen Tarifvertrag dürfen solche Optionsmodelle über eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung einführen; Arbeitgeber ohne Betriebs- oder Personalrat haben andere Optionen.
Voraussetzung ist ein Arbeitgeberzuschuss von mindestens 20% auf den umgewandelten Lohn; im Gegensatz zum 15%-igen Zuschuss des § 1a Abs. 1a BetrAVG ist die gesetzliche Höchstgrenze nicht durch die SV-Ersparnis des Arbeitgebers gedeckelt. Die 20% Arbeitgeberanteil sind gem. § 1b Abs. 5 S. 1 BetrAVG-E sofort gesetzlich unverfallbar; der gesetzliche Zuschuss in Höhe von bis zu 15% nach § 1a Abs. 1a BetrAVG ist damit abgegolten Die Regelung darf sämtliche fünf Durchführungswege der bAV einbeziehen, sodass der Arbeitgeberanteil von 20% über den Umweg des Opting-Out im Gegensatz zu § 1a Abs. 1a BetrAVG auch bei Direktzusagen und Unterstützungskassen verpflichtend wird. Jene Opting-Out Lösungen können frühestens ab 01.07.2026 eingeführt werden.
Beurteilung des IVFP
In Großbritannien hatte ein tarifvertragsfreies, jedoch gesetzlich verpflichtendes Opting-Out die Teilnahmequote an der bAV vor ca. 20 Jahren deutlich auf ca. 90% gesteigert. Wir hätten dieses Potenzial auch in Deutschland, wenn wir den „Herdentrieb“ der Menschen mit qualitativ hochwertiger bAV nützen würden. Dazu bedarf es jedoch eines Opting-Out auf Basis gesetzlicher Verpflichtung für alle Arbeitgeber; dieses hier nach BRSG II ist freiwillig und daher, wie so oft nach deutscher Art, halbherzig.
Mehr Förderung für geringes Einkommen
Die steuerliche Förderung für arbeitgeberfinanzierte bAV über Direktversicherungen, Pensionskassen oder Pensionsfonds von Geringverdienenden nach § 100 EStG wird ausgebaut. Der maximale Förderbetrag steigt gem. Abs. 2 jener Vorschrift von 288 Euro auf 360 Euro im Jahr und der Maximalbeitrag gem. Abs. 6 von 960 Euro auf 1.200 Euro. Die Einkommensgrenze wird gem. Abs. 3 Nr. 3 mit 3% dynamisch an die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung gekoppelt; aktuell entspricht dies 2.898 Euro Bruttoeinkommen pro Monat.
Beurteilung des IVFP
Eine vom Staat geförderte rein arbeitgeberfinanzierte bAV für Geringverdienende, also diejenigen, die bislang überwiegend nichts vom Kuchen der bAV abbekommen, ist grundsätzlich sinnvoll. Die Anpassung der Geringverdienergrenze an die BBG-Renten ist begrüßenswert; so rutschen Beschäftigte nicht mehr allein wegen normaler Lohnerhöhungen aus der Förderung. Leider ändert die Reform an der Voraussetzung des Abs. 3 Nr. 5, dass nur ungezillmerte Tarife angeboten werden dürfen, nichts; dies ist sehr enttäuschend, da der Gesetzgeber erneut nicht verstanden hat, wie wichtig es im Zusammenhang mit Altersvorsorge ist, auch die Vertriebe zufriedenzustellen. Schließlich kommen die Änderungen erst zum 01.01.2027 und damit deutlich später als erforderlich.
Mehr Flexibilität für Bezieher von Teilrenten
Zum 01.07.2026 können Mitarbeiter gem. § 6 BetrAVG auch Betriebsrenten vorzeitig in Anspruch nehmen, wenn sie eine Teilrente der Deutschen Rentenversicherung beziehen wollen. Das war bisher an den Bezug einer gesetzlichen Vollrente geknüpft. Betriebliche Regelungen, an die der gesetzliche Rentenbezug geknüpft ist, werden durch das Gesetz allerdings nicht automatisch außer Kraft gesetzt. Versorgungsordnung oder Betriebsvereinbarungen müssen entsprechend geprüft und ggf. angepasst werden.
Beurteilung des IVFP
Mehr Motivation für ältere Arbeitnehmende, mit ausreichend Auskommen länger zu arbeiten, jedoch keine Impulse für den Vertrieb von bAV.
Weitere durch das BRSG II geplante Änderungen
- Für Pensionskassen werden Anlage- und Bedeckungsvorschriften flexibilisiert. Das soll höhere Renditechancen ermöglichen, ohne die Auszahlungen stark schwanken zu lassen. Sozialpartnermodelle sollen zusätzliche Puffer aufbauen können. Für Versicherte bleibt die Aufsicht bestehen.
- Kleinere Anwartschaften lassen sich künftig leichter abfinden. Das Geld fließt dann unmittelbar in die gesetzliche Rentenversicherung. Damit wird die nachgelagerte Besteuerung sichergestellt und Bürokratie reduziert. Für Betroffene kann das administrativ entlastend sein.
- Es soll, anders als im Referentenentwurf geplant, zu einer Evaluierung der Maßnahmen kommen. Gem. § 30a BetrAVG-E wird das BMAS bis 2030 untersuchen, ob die Verbreitung der bAV auch aufgrund der vorgesehenen Öffnung von Sozialpartnermodellen erkennbar gestiegen ist.
Zeitplan und nächste Schritte
- 09.10.2025: 1. Lesung im Bundestag
- 03.11.2025: Anhörung im Ausschuss für Arbeit & Soziales
- 07.11.2025: 2./3. Lesung im Bundestag und Verabschiedung
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