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12. November 2021
BU: Nachprüfungsrecht des Versicherers bei schweren Erkrankungen

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Ein Stempel aus Holz liegt auf einem Dokument. Deutsche Aufschrift Nachprüfung

BU: Nachprüfungsrecht des Versicherers bei schweren Erkrankungen

Einschlägige Musterbedingungen

Dies entspricht den üblichen Formulierungen in den einschlägigen Musterbedingungen (vgl. z. B. § 2 Abs. 1 der GDV-Musterbedingungen, Stand 28.04.2021). Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei dem Versicherungsfall „Berufsunfähigkeit“ um einen sogenannten gedehnten Versicherungsfall (vgl. BGH vom 14.12.2016, Az.: IV ZR 527/15).

Gedehnter Versicherungsfall

Wesensmerkmal eines gedehnten Versicherungsfalls ist nicht sein schrittweises Eintreten, sondern die Fortdauer des mit seinem Eintritt geschaffenen Zustandes über einen – mehr oder weniger langen – Zeitraum, sofern diese Fortdauer nicht nur bestimmend ist für die Pflicht des Versicherers zur Erbringung einer einmaligen Versicherungsleistung, sondern deren Umfang im Einzelfall erst bestimmt (vgl. BGH vom 12.04.1989, AZ: IV a ZR 21/88).

Ist eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten?

Für den Eintritt des Versicherungsfalls „Berufsunfähigkeit“ ist demzufolge nicht entscheidend, ob die versicherte Person an einer bestimmten Erkrankung erkrankt ist, sondern ob sie infolge dieser Erkrankung so in der Ausübung ihres zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Berufs beeinträchtigt ist, dass nach Maßgabe des Versicherungsvertrags eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist.

Unheilbarkeit ist keine relevante Kategorie

Für den Eintritt des Versicherungsfalls „Berufsunfähigkeit“ reicht es demzufolge nicht aus, dass der Versicherungsnehmer nachweist, an einer unheilbaren Krankheit erkrankt zu sein, denn allein aus der Tatsache, dass jemand an einer unheilbaren Krankheit leidet, ergibt sich das Maß der Beeinträchtigung noch nicht. Es ist vielmehr zu überprüfen, wie stark die versicherte Person durch die unheilbare Erkrankung in der Ausübung ihres Berufs gehindert ist.

Nicht die Frage, ob eine Krankheit heilbar oder unheilbar ist, entscheidet somit über die Eintrittspflicht des Versicherers, sondern, ob durch eine Erkrankung, sei sie nun unheilbar oder nicht, solche Beeinträchtigungen ausgelöst werden, dass hieraus bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit resultiert.

Kein Unterschied zwischen Erst- und Nachprüfung

Dieser Grundsatz gilt sowohl im Erstprüfungsverfahren als auch im Nachprüfungsverfahren, weil der Begriff der Berufsunfähigkeit sowohl im Erst- als auch im Nachprüfungsverfahren gleich ist (vgl. BGH vom 24.02.2010, Az.: IV ZR 119/09). Aus diesem Grund kann der Versicherer im Nachprüfungsverfahren selbst bei Vorliegen einer unheilbaren Erkrankung überprüfen, ob der gedehnte Versicherungsfall „Berufsunfähigkeit“ noch fortbesteht.

Nicht alles ist zumutbar

Allein die Behauptung, es liege eine unheilbare Erkrankung vor, kann dem Versicherer das Recht auf die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens somit nicht nehmen. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob sich die versicherte Person jeder medizinischen Untersuchung zu unterziehen hat. Dies ist zu verneinen, denn sowohl im Erst- als auch im Nachprüfungsverfahren ist der Versicherte nur im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, sich von den durch den Versicherer beauftragten Ärzten untersuchen zu lassen.

Aus § 31 Abs. 1 Satz 1 VVG, der nach § 32 VVG ohnehin nicht zwingend ist, ergibt sich nichts Abweichendes. Insbesondere lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen, dass dem Versicherer bei Vorliegen bestimmter, möglicherweise unheilbarer Erkrankungen ein Nachprüfungsrecht versagt ist.

Bild: © Gina Sanders – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Frank Baumann, LL.M.