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31. Januar 2023
Das sind die Folgen des Provisionsverbots in Großbritannien

Das sind die Folgen des Provisionsverbots in Großbritannien

Bereits seit 2012 gilt in Großbritannien ein Provisionsverbot in der Anlageberatung. Nun ist ein erstes Zwischenfazit gezogen worden. Demnach hat zwar das Vertrauen in die Beratung zugenommen, allerdings klafft die Beratungslücke zwischen den Einkommensgruppen zunehmend auseinander.

Die EU-Kommission denkt über die Einführung eines EU-weit geltenden Provisionsverbots in der Anlageberatung nach (AssCompact berichtete). Denn nach Auffassung der EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness würden in der EU Kleinanlegern weiterhin Produkte verkauft werden, die teurer seien als kostengünstigere Alternativen, die ebenfalls auf dem Markt erhältlich sind. Und den Grund dafür liefert die ranghohe EU-Beamtin gleich mit: das provisionsbasierte Vergütungssystem. Kritiker eines solchen Vorhabens bezweifeln allerdings, dass damit dem Schutz des Kleinanlegers wirklich geholfen sei. Stattdessen könne man mit niederschwelligen Maßnahmen wie verschärften Transparenzvorschriften oder Preisobergrenzen arbeiten (AssCompact berichtete).

Provisionsverbot soll einen attraktiven Markt für Kleinanleger schaffen

Nichtsdestotrotz hält die EU-Kommission an ihrem Plan fest. Und mit Blick auf die EU existieren schon zwei Länder, in denen bereits seit geraumer Zeit ein Provisionsverbot in der Anlageberatung gilt – nämlich in Großbritannien (UK) und in den Niederlanden. In UK wurde ein solches Verbot 2012 eingeführt. Das Regulierungspaket namens Retail Distribution Review (RDR) untersagt in UK seitdem Provisionen für Anlageprodukte aller Art. Ziel des Regulierungspakets war es, einen widerstandsfähigen, effektiven und attraktiven Markt für Kleinanleger zu schaffen, dem die Verbraucher vertrauen. Und anlässlich des nun 10-jährigen Bestehens des Provisionsverbots haben Vertreter von Finanzaufsicht, Verbänden und Beratungsunternehmen nun eine Zwischenbilanz gezogen.

In UK dominiert ein ganzheitlicher Beratungsansatz

Grundsätzlich werde der Beratungsmarkt in UK von der ganzheitlichen Beratung dominiert, erklärt etwa Rechtsanwalt Norman Wirth. Der geschäftsführende Vorstand beim AfW Bundesverband Finanzdienstleistung e. V. (AfW) nahm selbst an einer Veranstaltung in London teil, wo über zehn Jahre Retail Distribution Review (RDR) diskutiert wurde, und berichtet darüber für den deutschen Markt. Und mit ganzheitlicher Beratung meint Wirth, dass der Berater die gesamte finanzielle Situation und die Ziele eines Verbrauchers berücksichtige und Empfehlungen ausspreche, um diese zu erreichen. Hierauf würden über 90% der Einnahmen der Beratungsunternehmen entfallen. Und Zielkunden seien nach wie vor überwiegend wohlhabende Verbraucher. Denn der durchschnittliche beratene Kunde verfüge über ein Vermögen von umgerechnet über 170.000 Euro.

Provisionsverbot hatte nicht nur negative Folgen

Doch wie hat sich nun das Provisionsverbot auf die Anlageberatung in UK ausgewirkt? Nach Auffassung des Panels oben genannter Veranstaltung, das mit Vertreterinnen und Vertretern der Finanzaufsicht, von Verbänden, Beratungsunternehmen und Anbietern besetzt war, brachte das Verbot keineswegs nur negative Folgen. So sei die Zahl der Beratungsunternehmen nicht signifikant eingebrochen. Die Qualität sei insgesamt sogar erhöht worden und das Vertrauen der Bevölkerung in die unabhängige Beratung sei gestiegen. Die britische Finanzaufsicht FCA stellte jedoch fest, dass viele Verbraucher mittlerweile ihr Geld in bar halten, anstatt es zu investieren. So würden sie die Möglichkeit verpassen, ihr Geld längerfristig besser für sich arbeiten zu lassen. Eine 2019 durchgeführte Verbraucherstudie der FCA ergab nämlich, dass 54% der britischen Erwachsenen mit einem investierbaren Vermögen von 10.000 Pfund (entsprechen derzeit rund 11.400 Euro) oder mehr, das heißt fast zehn Millionen Menschen, in den letzten Jahren keine formelle Unterstützung bei ihren Investitionsentscheidungen erhalten hätten.

Höhe des Anlagevermögens und Beratungsquote hängen zusammen

Des Weiteren belegt die FCA-Studie, dass insbesondere vermögende Menschen in den Genuss einer professionellen Finanzberatung gelangen. So hätten zwar 17% der Erwachsenen in UK mit einem Anlagevermögen von über 10.000 Pfund in den letzten zwölf Monaten eine regulierte Finanzberatung in Anspruch genommen. Allerdings klettert dieser Prozentsatz ebenso schnell mit dem investierbaren Vermögen an. Lag dieses zwischen 100.000 und 250.000 Pfund, hätten sich bereits 25% der Verbraucher professionell beraten lassen. Und bei Haushalten mit einem investierbaren Vermögen oberhalb 250.000 Pfund lag die Beratungsquote bei etwa 38%.

Beratungslücke zwischen den Einkommensgruppen nimmt zu

Zudem hatte das Provisionsverbot auch eine Zugangsbeschränkung zu professioneller Finanzberatung zur Folge. Rund 40% der Beratungsunternehmen haben mittlerweile einen Schwellenwert an verfügbarem Vermögen für Neukunden. Bei mehr als der Hälfte der Anbieter beträgt dieser Wert 50.000 Pfund, andere liegen noch deutlich darüber. „Die Erfahrungen aus Großbritannien sind als ambivalent zu beschreiben“, kommentiert Norman Wirth diese Zwischenbilanz. Zwar gäbe es durch die RDR mehr Qualität und mehr Vertrauen in die Berater, aber eben auch eine große Beratungslücke gerade bei den Bevölkerungsgruppen, die es am nötigsten hätten. Gerade wegen dieser Lücke, so hofft Wirth, solle Brüssel die Entwicklungen in Großbritannien sehr genau analysieren. Denn Menschen aus mittleren und unteren Einkommensgruppen dürften nicht von einer individuellen, unabhängigen Beratung abgeschnitten werden. (as)

Der vollständige Bericht zur Studie der britischen Finanzaufsicht FCA steht hier zum Download zur Verfügung.

Bild: © fotogestoeber – stock.adobe.com