AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
27. September 2019
Den Garten vor lauter Dachpfannen nicht gesehen

Den Garten vor lauter Dachpfannen nicht gesehen

Wenn durch Lichtreflexionen die Nutzung des eigenen Grundstücks nur eingeschränkt möglich ist, kommt es dennoch auf den Einzelfall an, ob die Störung beseitigt werden muss oder ob die Einschränkungen hingenommen werden müssen. Dies besagt das Urteil des OLG Hamm zu einem Nachbarschaftsstreit in Menden.

Gerade in den zunehmend dunkleren Herbsttagen sehnen sich viele nach der hellen Sonne der Sommermonate zurück. Diese Freude kann jedoch schnell verblassen, wenn man vor grellem Sonnenlicht kein normales Leben mehr führen kann. Doch ab wann wird man auf seinem Grundstück so stark geblendet, dass die daraus resultierenden Beeinträchtigungen wesentlich sind? Die Antwortet lautet: Es kommt drauf an. So hat zumindest das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden.

Hochglänzende und matt glasierte Dachpfannen

In dem konkreten Fall ging es um die Blendwirkung von glasierten Dachpfannen. Der Beklagte Hauseigentümer hatte 2015 sein Dach neu gedeckt und dabei auf hochglänzend glasierte Dachpfannen zurückgegriffen. 2017 tauschte er dann einen Großteil der hochglänzenden durch matt glasierte Dachpfannen aus, sparte dabei jedoch die Bereiche der Ortgänge und des Dachfirsts aus.

Grundstücksnutzung nur eingeschränkt möglich

Beim Kläger handelte es sich um den direkten Nachbarn des Beklagten. Dieser forderte in der Klage, dass die Blendwirkung auf sein Grundstück abgestellt werden müsse. Dies begründete er damit, dass durch die Reflexion von Sonnenlicht und in Vollmondnächten die Benutzung seines Grundstücks maßgeblich beeinträchtigt sei. Gerade in den Wintermonaten scheine der reflektierte Vollmond störend hell und in den Monaten von April bis Oktober könne der Kläger seinen Garten sowie sein Wohn- und Esszimmer nur mit gesenktem Kopf nutzen.

Hochglänzende Dachpfannen reflektieren zu stark

Erstinstanzlich hatte das Landgericht Arnsberg der Klage in Teilen stattgegeben und den Beklagten dazu verpflichtet eine Blendwirkung mit einer Leuchtdichte von 100.000 Candela pro Quadratmeter oder höher zu verhindern. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger hatte herausgefunden, dass in den Monaten von April bis Oktober zur Mittagszeit – zumindest von den hochglänzenden Dachpfannen – tatsächlich eine derartige Leuchtdichte ausgeht.

Kein Richtwert für wesentliche Beeinträchtigungen vorhanden

Damit wollte sich der Kläger jedoch nicht zufriedengeben und ging vor dem OLG Hamm in Berufung, mit dem Ziel sämtliche, sein Haus betreffende, Blendwirkungen zu verhindern. Doch dem gab das OLG nicht statt. Zwar ergebe sich aus der Lichtreflexion eine Beeinträchtigung der Nutzung des Grundstücks, aber die sei unwesentlich. Auch könne man nicht davon ausgehen, dass eine wesentliche Beeinträchtigung ab einem Wert von 100.000 Candela pro Quadratmeter zweifellos bestünde. Vielmehr komme es, laut Gericht, immer auf den konkreten Einzelfall an. Ob eine Wesentlichkeit vorliegt, könne nur vom Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen festgestellt werden. Dieser müsse die Umstände wie Dauer, Intensität und resultierende Auswirkungen auf die Nutzung in Erwägung ziehen. Doch auch dies hatte dem Gericht noch nicht zur Gänze genügt. Vielmehr wollte das Gericht noch selbst einen Eindruck von der Sachlage gewinnen, setzte eine Ortsbesichtigung an, stellte dabei jedoch auch keine wesentliche Beeinträchtigung durch die matt glasierten Dachpfannen fest.

Man wird also nicht bei 100.000 Candela pro Quadratmeter so stark geblendet, dass die Nutzung des eigenen Grundstücks wesentlich beeinträchtigt ist, sondern dann, wenn ein verständiger Durchschnittsmensch dies feststellt. Das Urteil ist rechtskräftig. (tku)

OLG Hamm, Urteil vom 09.07.2019, Az.: 24 U 27/18

Bild: © far700 – stock.adobe.com