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6. August 2025
Die Dopamin-Falle: Warum wir Aufmerksamkeit verlieren
Die Dopamin-Falle: Warum wir Aufmerksamkeit verlieren

Die Dopamin-Falle: Warum wir Aufmerksamkeit verlieren

Versicherungsvermittlung scheitert heute oft nicht am Inhalt, sondern an der fehlenden Aufmerksamkeit. Die Generation Z setzt neue Kommunikations­standards. Wer nicht sofort Relevanz erzeugt, wird übersehen. Damit wird Aufmerksamkeit zur Schlüsselfrage.

Ein Artikel von Andreas Wollermann, Berater und Trainer für Versicherer und Finanzdienstleister unter der Wortmarke GENsurance®

Wer heute Versicherungen vermittelt, tritt nicht nur gegen den Wettbewerb an. Wir treten gegen einen viel mächtigeren Gegner in den Ring: die fragmentierte Aufmerksamkeit unserer Kundinnen und Kunden.

Das klingt im ersten Moment abstrakt, betrifft aber den Kern unseres Geschäftsmodells. Wir erleben gerade, wie Generationen, die mit Smartphones, Social Media und permanentem Dopamin-Kick aufwachsen, den Takt vorgeben. Wer es nicht schafft, in den ersten Sekunden mit dem eigenen Content Relevanz zu erzeugen, wird schlichtweg weggewischt.

Die Generation Z und auch schon die Generation Alpha wachsen in einer Welt auf, in der Aufmerksamkeit ein rares Gut ist. Jeder Wisch am Display, jedes kurze Video, jede Push-Nachricht liefert kleine Belohnungen fürs Gehirn. Das sorgt dafür, dass traditionelle Kommunikationswege, lange Produktbroschüren, komplexe Beratungspräsentationen und verschachtelte Webseiten immer weniger wirken.

Die Folge ist drastisch! Viele Versicherungsunternehmen und Vermittler verlieren nicht etwa, weil sie fachlich schlechter sind als der Wettbewerb, sondern weil sie es nicht schaffen, die Aufmerksamkeit der Menschen zu gewinnen und zu halten.

Zukunft der Beratung

Wir sprechen hier nicht von einer oberflächlichen Modeerscheinung. Wir sprechen von einer grundlegenden Veränderung der Wahrnehmung und somit der Zukunft der Beratung. Es reicht nicht mehr, nur fachlich korrekt und seriös zu sein. Wer heute Menschen erreichen will, muss ihre Welt verstehen. Diese Welt ist geprägt von permanenten Reizen, maximaler Auswahl und einer fast schon brutalen Filterkompetenz.

Viele in unserer Branche hoffen, dass sich dieser Trend wieder „normalisiert“. Dass die Menschen irgendwann merken, wie wichtig fundierte Beratung ist. Natürlich ist Beratung wichtig. Aber sie wird nicht einmal mehr wahrgenommen, wenn wir sie nicht so gestalten, dass sie Aufmerksamkeit erzeugt.

Das bedeutet nicht, dass wir ab sofort alle Tanzvideos auf TikTok produzieren müssen! Es bedeutet aber sehr wohl, dass wir die Regeln der veränderten Kommunikation ernst nehmen sollten:

  • Kürzer, klarer, relevanter kommunizieren.
  • Digitale Berührungspunkte emotionaler gestalten.
  • Geschichten erzählen, die in Erinnerung bleiben.

Viele Menschen unserer Branche unterschätzen, wie groß der Graben inzwischen geworden ist. Während wir intern über Prozessoptimierung sprechen, hat sich draußen die Erwartungshaltung unserer Kundschaft radikal verändert.

Heute reichen drei bis fünf Sekunden, in denen entschieden wird, ob man sich mit einem Angebot befasst oder weiterscrollt! Das ist die Realität. Und sie wird nicht mehr verschwinden, es sei denn, jemand kann das WLAN-Kabel durchschneiden! Ironie off!

Jede Plattform, jede App hat den Anspruch, maximal einfach und unterhaltsam zu sein. Diese Benchmark überträgt sich unweigerlich auf die Wahrnehmung unserer Angebote. Wenn unsere Webseiten aussehen wie digitale Verwaltungsakten, wenn unsere Gespräche wirken wie ein Pflichttermin, wenn unsere Unterlagen so komplex sind, dass niemand sie versteht, dann verlieren wir. Nicht weil unsere Produkte schlecht sind. Sondern weil wir nicht mehr im relevantesten Raum der Menschen stattfinden.

Wir müssen uns unbequemen Fragen stellen

Wie schaffen wir es, dass unsere Botschaften sofort ein emotionales Signal auslösen?

Wie reduzieren wir Komplexität, ohne Substanz zu verlieren? Wie gelingt es, digitale Beratungserlebnisse so zu gestalten, dass sie in einer Welt voller Reize bestehen können?

Dabei hilft es nicht, altes Denken auf neue Kanäle zu übertragen. Ein Erklärvideo, das genauso langweilig ist wie die Broschüre, löst keinen Dopamin-Kick aus. Eine Social-Media-Kampagne ohne echte Ge­schichte verpufft genauso wie auf einem Blatt Papier! Wer Aufmerksamkeit gewinnen will, muss mutig sein.

Mut, die Dinge anders zu machen. Mut, die Perspektive der Kundinnen und Kunden von heute und morgen einzunehmen. Mut, nicht immer nur Prozesse zu optimieren, sondern digitale Erlebnisse zu gestalten. Dazu gehört auch die Bereitschaft, den eigenen Anspruch an Perfektion zu hinterfragen. In einer Welt, in der Menschen sich oft intuitiv für Angebote entscheiden, zählt nicht immer die letzte Detailtiefe, sondern der erste Eindruck und die Authentizität der Akteure, die diese Angebote liefern! Fühle ich mich gesehen? Verstehe ich sofort, warum das für mich relevant ist? Spüre ich, dass hier ein Partner auf Augenhöhe kommuniziert?

Aufmerksamkeit ist die neue Währung

Wenn wir diese Mechanismen verstehen, können wir sie auch positiv nutzen. Wir können Beratung und Social Media Content so gestalten, dass sie sich wie ein Dialog und nicht wie ein Monolog anfühlen. Wir können digitale Kommunikation so entwickeln, dass sie ein Erlebnis wird, nicht nur eine Informationsübermittlung.

Dopamin ist kein Feind. Es ist der Beweis, dass Menschen emotional reagieren. Genau darin liegt unsere Chance! Wenn wir es schaffen, Aufmerksamkeit mit Substanz zu verbinden, entstehen Bindung, Vertrauen und Loyalität.

Dafür müssen wir aufhören, die Augen zu verschließen. Die größte Gefahr ist nicht, dass die Menschen Versicherungen ablehnen. Die größte Gefahr ist, dass sie uns schlicht nicht mehr wahrnehmen. Das ist die eigentliche Dopamin-Falle. Es liegt an uns, sie zu verstehen und mutig neue Wege zu gehen, um wieder in den Fokus unserer Kundinnen und Kunden, aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zukunft zu rücken.

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Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 08/2025 und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Andreas Wollermann