In der vergangenen Woche hat MCC zum digitalen Kongress Industrierisiken eingeladen. Den Themenkreis hat der Veranstalter etwas erweitert, um nicht nur auf die Industrieversicherung zu fokussieren, sondern auch auf neue Risikolandschaften der Wirtschaft aufmerksam zu machen. Ein Beispiel war etwa die Vorstellung des Bereichs Wasserstoff als mögliche Alternative in der Energieversorgung.
Neben den fachspezifischen Themen waren es aber vor allem zwei Themen, die die Teilnehmer des Kongresses bewegten: die Digitalisierung und das teils ramponierte Verhältnis zwischen Industrie und Assekuranz aufgrund der harten Verhandlungspositionen der Versicherer in den letztjährigen Renewals.
Digitalisierung: Speed oder Schneckentempo?
Zunächst zur Digitalisierung: Unumstritten ist, dass sich die Versicherer in der digitalen Transformation befinden. Doch während sich die Assekuranz auf gutem Weg sieht, geht diese Digitalpartnern und Industriekunden zu langsam voran. So sieht das beispielsweise Mathias Harrassowitz, Regional Director DACH der sum.como Sapiens GmbH, einem Technologieunternehmen, das unter anderem Ökosysteme in der Versicherungswirtschaft aufbauen will. Seiner Meinung nach sind die technischen Voraussetzungen alle geschaffen, aber die Versicherer würden nicht die Geschwindigkeit an den Tag legen, die sie könnten.
Das will Ralph Tegtmeier, Abteilungsleiter SFI Sach-Firmenkunden Industrie bei den VGH Versicherungen, in einer der Kongress-Diskussionen allerdings nicht so stehen lassen. Die Versicherer unterlägen einem Kostendruck und hätten allein deshalb ein großes Interesse daran, auch in einem Segment wie der Industrieversicherung zu digitalisieren. Die große Aufgabe bestehe aber darin, die Prozessbetrachtung – wie kann man aus fünf Arbeitsschritten zwei machen – und die Systemerneuerung parallel laufen zu lassen.
In der Industrieversicherung müssen viele Informationen fließen, damit ein Risiko letztlich gezeichnet werden kann. Wozu das führen kann, schilderte von Kundenseite Lars Müller, Head of Risk Management der Nordzucker AG. Je mehr Risikoinformationen verlangt werden, umso mehr Daten müssen übermittelt werden. Als Beispiel nennt er eine Zahl von 250 MB, die an Risikoinformationen hochgeladen werden müssen – und das häufig an eine Vielzahl an Versicherer. So viele Versicherer-IT-Systeme zu bedienen, sei nicht hinzubekommen, erklärt Müller sinngemäß und fordert vonseiten der Assekuranz vernünftige Schnittstellen.
Von Schnittstellen und Ökosystemen
Doch warum klappt das nicht? Eine ehrliche Antwort hat Lukas Herrmanns, CEO von Marsh Deutschland & Zentral- und Osteuropa, zur Hand. Viele Unternehmen, auch Makler, seien durch Akquisitionen gewachsen, da gebe es natürlich einen Krautsalat, was die IT angehe. Auch als Makler erhalte man von Versicherern (zu) viele Passwörter zugeschickt, um deren Kundenportale zu bedienen.
Einigkeit herrschte in dieser Diskussionsrunde, dass eine Lösung hier nur gemeinsam möglich sei. Tegtmeier von der VGH bringt zum Thema Schnittstelle die BiPRO ins Gespräch und verweist auf die gemeinsamen Anstrengungen.
Technologie-Experte Harrassowitz überzeugt BiPRO dagegen nicht in Gänze. Er malt aus, dass es im Industriegeschäft künftig zwei oder drei Satelliten geben werde. Die anderen Versicherer werden sich dort als Teilnehmer an diese Plattformen einklinken. Auf internationalen Märkten sähe man das schon. Seine Lösung heißt: Ökosysteme. Allerdings weiß auch er, dass nur wenige Versicherer radikal umdenken und eine komplette neue Plattform aufbauen. Mit radikal meint er auch, nicht immer zuerst an die Integration der Altbestände zu denken. Die Bereitschaft, alte Zöpfe abzuschneiden, sei sehr selten. Was nütze da die Digitalisierung, fragt Harrassowitz.
Versicherungsmakler Herrmanns entgegnet, dass man mittlerweile durchaus auch einfach mal ausprobieren würde. Allerdings hole man sich dabei auch schon mal eine blutige Nase. Wichtig sei die Flexibilität, zu sagen „einstampfen und einen neuen Weg gehen“.
Bewährtes und Neues
Den Kundenaspekt bringt Tegtmeier in die Diskussion ein. Kunden würden von einer Versicherung Stabilität verlangen. Und da kann man immer nur vom Status Quo ausgehen. Beispielsweise könne die neue Technik für die bestehenden Produkte nicht verwendet werden. Und zudem ließe sich auch rechtlich nachvollziehen, warum Veränderungen nicht so einfach sind – allein, wenn man an die Rückversicherungsverträge denke. Da werde erst deutlich, wie komplex der Prozess zu betrachten ist.
Die Entwicklung wird demnach wohl nur Schritt für Schritt weitergehen. Doch Moderator Dr. Dirk Schilling, Head of Guidance and Captive Services bei der HDI Global SE, der den MCC-Kongress moderierte, schließt die Diskussion zur Digitalisierung optimistisch mit den Worten ab, dass die Technik die Entwicklung in der Assekuranz weitertreiben werde. Zudem käme in den Fachabteilungen die junge Generation nach, die ein digitales Umfeld fordern und fördern würde.
Der viel beklagte harte Markt
Die Klagen der Versicherungsmakler über den harten Markt in der Industrieversicherung dürften mittlerweile gehört sein. Öffentlich kritisieren sie im Sinne ihrer Kunden hohe Prämiensteigerungen, Limite und Kapazitätsreduzierungen. Die Aussagen basieren auf die Vertragsverhandlungen zwischen Industrie und Versicherern der letzten Jahre. Die Kritik formiert sich insbesondere im D&O- und Cyberversicherungs-Bereich und kam auch auf dem MCC-Kongress immer wieder zu Sprache.
Zuletzt war deshalb auch immer mal die Rede davon, dass Firmenkunden mit dem Aufbau eigener Captives antworten könnten (AssCompact berichtete) und damit Risiken aus dem Versicherungsmarkt herausnehmen. Dass dies nicht ganz einfach ist und auch nicht so schnell geht, ist bekannt. Und so sagte auch Dr. Michael Feifel, Leiter Konzernabteilung Versicherungen bei der Hochtief AG, in einer Diskussion des MCC-Kongresses, das Captives etwa im Bereich der D&O nur dann genutzt werden würden, wo es keine Preisfrage mehr ist, sondern eine Frage dessen, dass keine Kapazität mehr im Versicherungsmarkt zur Verfügung gestellt werden würden.
Ob es zur Gänze dazukommt, bleibt noch offen, aber BDVM-Präsident Thomas Haukje geht auf Nachfrage von Moderator Schilling davon, dass die harte Marktphase bei Cyber, D&O und Financial Lines im Allgemeinen noch einmal durchschlagen werde. Bei den anderen Sparten erwartet Haukje, dass die Anpassungen nun durch seien.
Profitabilität oder Kontinuität um jeden Preis?
Der Frust der vergangenen Jahre sei auch deshalb so hoch, weil viele Marktbeteiligte, auch Underwriter einen solchen harten Markt gar nicht kennen würden. In den Jahren zuvor habe es manchmal sogar Geschenke dergestalt gegeben, dass die Kunden bei Renewals mehr Leistung für weniger Geld erhalten hätten. Er weiß aber auch, dass es nun Zeit für die Profis ist und Versicherungsmakler gerade diese Situation nutzen könnten, um sich dem Kunden gegenüber zu profilieren. Makler müssten hochwertige Risiko Summarys aufstellen und diese Versicherer und Underwriter präsentieren. Neben der Profilierung und dem gestiegenen Beratungsbedarf dürften Makler aber auch anderorts profitieren. Wo es höhere Prämien gibt, gibt es auch höhere Courtagen.
Dass Versicherer auf Profitabilität achten und auskömmliche Preise erzielen müssen, ist für alle Parteien verständlich. Eine klare Linie fährt da etwa Berkshire Hathaway Speciality Insurance, wie Leander Metzger, Head of Property, Engineering Lines and Risk Control des Versicherers, beim MCC-Event erklärte. Als Versicherer müsse man auch mal bei seiner Linie bleiben und notfalls aus einem Bereich aussteigen, so Metzger. Man könne nicht überall mitgehen.
Dr. Michael Feifel von Hochtief sieht dies allerdings ein bisschen anders. Die Langlebigkeit einer Beziehung würde er schon als Wert an sich wahrnehmen. Bei Schäden sei es auch verständlich, dass der Preis steige. Aber wenn Versicherer komplett aus einem Markt aussteigen würden und es keine Kapazitäten mehr gebe, dann sei das schon dramatisch.
Eine lang anhaltende Kundenbeziehung wünscht sich auch Versicherungsmakler Haukje. Für das nächste Renewal wünscht er sich aber vor allem, dass die Versicherer nicht erst – wie zuletzt geschehen – ein paar Wochen vor Vertragsverlängerung mit kurzfristigen Überraschungen um die Ecke kämen. (bh)
Bild: © C. Schüßler – stock.adobe.com
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