Mit großen Schritten nähert sich die geplante Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Doch bereits zuvor regt sich nun heftiger Widerstand vonseiten des Bundesdatenschutzbeauftragten, Prof. Ulrich Kelber. Kelber weist darauf hin, dass die Verarbeitung von personenbezogenen Gesundheitsdaten, wie sie im Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) vorgesehen ist, gegen EU-Recht verstoße.
Aufsichtsrechtliche Maßnahmen in Vorbereitung
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz stellt in Aussicht, dass seine Behörde aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die gesetzlichen Krankenkassen ergreifen wird, sofern sie das PDSG in seiner derzeitigen Fassung umsetzen sollten. Kelber zufolge verstoße das Gesetz in seiner aktuellen Fassung „an wichtigen Stellen gegen die europäische Datenschutz-Grundverordnung.“
Hoheit über eigene Gesundheitsdaten in Gefahr
Kelber und seine Behörde hatten bereits im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach darauf hingewiesen, dass Patienten zu jeder Zeit die volle Kontrolle über ihre Daten behalten müssten. Das sei im aktuellen Gesetzesentwurf jedoch nicht gewährleistet.
Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingeschränkt
Nach derzeitigem Stand sollen die Versicherten zwar in die Lage versetzt werden, den Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten dokumentengenau zu kontrollieren, jedoch erst ab 2022. Wenn die ePA am 01.01.2021 voraussichtlich startet, besteht noch keine Möglichkeit den Zugriff auf einzelne Dokumente zu kontrollieren. Und auch ab 2022 wird diese Möglichkeit nur denjenigen zuteil, die über ein geeignetes Endgerät verfügten (Smartphone oder Tablet). Der Datenschutzbeauftragte erkennt darin einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Alles oder Nichts
Kelber kritisiert den Alles-oder-Nichts-Ansatz des Gesetzes. Versicherte, die Leistungen der ePA nutzen wollten, seien beispielsweise gezwungen ihrem behandelnden Zahnarzt Zugriff auf eventuell vorhandene psychiatrische Befunde zu gewähren.
Verbesserte Gesundheitsversorgung nicht um jeden Preis
Grundsätzlich lobt Kelber die ePA als wichtigen Schritt zur Verbesserung der deutschen Gesundheitsversorgung. Jedoch dürfe die Digitalisierung kein Selbstzweck sein. Die Einhaltung der hohen europäischen Datenschutzstandards müsse zu jeder Zeit im Vordergrund stehen.
Auch eine Untersagung der Leistung steht im Raum
Der Datenschutzbeauftragte hat angekündigt gegen die 65 gesetzlichen Krankenkassen, für die er zuständig ist, Maßnahmen zu ergreifen, sollten sie das PDSG wie vorgesehen umsetzen. Kelbers Behörde kann in solchen Fällen sowohl Anweisungen als auch Untersagungen aussprechen.
Einführung der ePA im kommenden Jahr
Das umstrittene Gesetz, das auch von der Opposition angegriffen wurde, hatte kurz vor der Sommerpause den Bundestag passiert (AssCompact berichtete) und wurde am 18.09.2020 vom Bundesrat gebilligt. Ab dem 01.01.2021 müssen die Krankenkassen ihren Versicherten dementsprechend eine ePA anbieten. Sie soll Befunde, Arztberichte, Röntgenaufnahmen und vieles mehr enthalten. Auch ein E-Rezept, E-Überweisungen und anonymisierte Datenspenden für die Forschung sollen möglich werden. Die Nutzung für die Versicherten ist freiwillig. Ab 2022 besteht jedoch ein Anspruch der Versicherten gegenüber ihren Ärzten. Die Ärzte müssen anfallende Patientendaten ab diesem Zeitpunkt in eine vorhandene ePA eintragen. (tku)
Bild: © Production Perig – stock.adobe.com
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