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Steuern & Recht
5. Juli 2023
Haftung bei Produktschulungen für Kapitalanlagen

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Haftung bei Produktschulungen für Kapitalanlagen

Die Aufklärung des Anlegers bei Anlageprodukten verlagert sich zunehmend vom sogenannten „point of sale“ hin zum Emittenten. Daher stellen auch Produktschulungen und Vertriebsveranstaltungen eine Quelle von Haftungsrisiken dar. Ein Rechtsexperte erläutert, wo konkrete Haftungsgefahren für Vermittler lauern.

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Oliver Renner, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei WÜTERICH BREUCKER RECHTSANWÄLTE PARTNERSCHAFT mbB

Die Haftung für Produktschulungen/Vertriebsveranstaltungen gegenüber Anlegern – konkret von Schulungs- und Vertriebsleitern von Kapitalanlagen wegen falscher Auskünfte und/oder Gutachten sowie fehlerhafter Schulungs- und Vertriebsunterlagen gegenüber Anlegern von Kapitalanlagen gerichtet auf Schadensersatz – war bereits Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Vor dem Hintergrund der zum Schutze des Anlegers unternommenen Änderungen bei der europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) könnte diese Haftung vermehrt in den Fokus rücken.

Grund hierfür ist, dass sich die Aufklärung des Anlegers weg vom sogenannten „point of sale“ hin zum Emittenten vorverlagert hat. Dies zeigt sich bspw. darin, dass Produktanbieter bereits anzugeben haben, für welche Kundenkategorie sowie für welches Anlageziel das angebotene Kapitalanlageprodukt geeignet ist. Durch die Prospektprüfung hat zudem nicht mehr nur eine formale, sondern nunmehr auch eine inhaltliche Prüfung auf Kohärenz stattzufinden. Der Berater muss letztlich eine Geeignetheitserklärung sowie Verlusttragfähigkeitserklärung abgeben und seine Empfehlung begründen.

Auch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) sind zu beachten. Nach einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Celle (OLG Celle) kann bei einem Verstoß sogar eine deliktische Haftung drohen, die weitreichende Konsequenzen auch ggf. für den Versicherungsschutz hat. Nachfolgend wird eine Auswahl von bislang ergangener Rechtsprechung dargestellt, die eine Haftung bei jeweils unterschiedlichem Sachverhalt bejahte.

Werbemitteilungen gemäß § 14 FinVermV

Werden Werbemitteilungen, die als Gegenstand von Produktschulungen verwandt werden, vom Vermittler gegenüber dem Anleger verwendet, so müssen diese nach § 14 FinVermV redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. Wenn hierin eine irreführende lineare Rendite von 16,4% pro Jahr über einen Investitionszeitraum von fünf Jahren in Aussicht gestellt wird, obgleich die Renditeerwartung im Basisszenario auf 11,4% gesunken war, wird hiermit nach Auffassung des OLG Celle eine in die Irre geleitete Ertragserwartung vorgespiegelt. Dies kann eine Haftung aus Delikt nach § 823 Abs. 2 BGB begründen (OLG Celle, Urteil vom 11.05.2023 – Az. 11 U 119/22).

Überprüfungsverfahren der BaFin

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG Stuttgart) handelt ein Geschäftsführer eines Treuhandkommanditisten sittenwidrig und macht sich den Anlegern nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig, wenn er es unterlässt, bei einem Beitritt zu einer Vermögensfondsgesellschaft den Kapitalanleger darüber aufzuklären, dass die BaFin gegen das Beteiligungsunternehmen ein Überprüfungsverfahren wegen des Verdachts unerlaubter Bankgeschäfte eingeleitet hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 30.12.2008 – Az. 19 U 94/08).

Überprüfungsverfahren der BaFin sind auch im Rahmen von Schulungsveranstaltungen zu beachten. Der Bundesgerichtshof (BGH) konkretisiert die Haftung, wobei hierzu der individuelle Sachverhalt zu beachten ist. Das bloße Unterlassen der Information allein reicht nicht aus, um eine Haftung begründen zu können. Allein die Kenntnis von einer noch entfernt liegenden Möglichkeit, dass die Geschäftstätigkeit gemäß § 37 Kreditwesengesetz untersagt werden könnte und die Anleger hierdurch Schäden erleiden würden, genügt nach Auffassung des BGH nicht. Sittenwidriges Verhalten liegt nur dann vor, wenn trotz positiver Kenntnis von der Chancenlosigkeit der Anlage geschwiegen wurde, also in Kenntnis des Umstands, dass eine Untersagung der Geschäftstätigkeit unmittelbar bevorstand (BGH, Urteil vom 19.10.2010 – Az. VI ZR 4/09).

Negative Presseberichterstattung

Auch wenn der Leiter einer Vertriebsgesellschaft negative Presseberichterstattungen herunterspielt und/oder Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verschweigt, kann er einer Haftung gegenüber späteren Anlegern ausgesetzt sein (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.07.2004 – Az. 1 U 58/04).

Hier ist also auf den Einzelfall zu achten. Wenn Kenntnis von Überprüfungsverfahren der BaFin oder negative Presseberichte vorliegen oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen am Laufen sind, sollte dies in jedem Fall nicht ohne weitergehende Prüfung unerwähnt bleiben, da sich hierdurch ggf. Haftungsrisiken ergeben könnten.

 
Ein Artikel von
Oliver Renner