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24. November 2021
Industrieversicherung – heiß umkämpfter Markt
industrial landscape with heavy pollution produced by a large factory

Industrieversicherung – heiß umkämpfter Markt

Die Verhandlungspositionen in der Industrieversicherung schienen sich wieder anzunähern: Das Ende eines harten Marktes hatte sich angekündigt. Nun zeigt sich aber, dass die ein oder andere harte Nuss noch geknackt werden muss. Zumal auch die Risiken der Industrieunternehmen weiter steigen.

Unter den Versicherungssparten ist die Industrieversicherung eine Liga für sich. Sie ist ein Geschäft unter Profis. In den Unternehmen sitzen qualifizierte Versicherungseinkäufer. Die involvierten Versicherungsmakler bieten Know-how, die entsprechenden Ressourcen und sind häufig international und spezialisiert tätig. Die Versicherer liefern den individuellen Schutz und sind die Sparringspartner im Leistungsfall. Es wurde konsequent miteinander verhandelt, aber im Großen und Ganzen liefen die Verhandlungsphasen doch ziemlich geräuschlos ab.

Große Kritik am Gießkannenprinzip

Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Mit schwindender Profitabilität bei den Industrieversicherern hat sich die Verhandlungsbasis verändert – Prämien wurden erhöht, Limits eingezogen und Kapazitäten eingeschränkt. Eine solche Verhandlungssituation war vielen Beteiligten nach Jahren eines sogenannten weichen Marktes nicht bekannt. Entsprechend hart viel auch die Kritik von Maklern und Industriekunden aus. Sie zeigten zwar Verständnis dafür, dass die Versicherer wirtschaftlich agieren und auskömmliche Prämien erzielen müssten, fanden aber kein gutes Haar am Gießkannenprinzip mancher Versicherer: Prämien wurden teilweise nicht mehr am Einzelrisiko festgemacht, sondern über größere Kundensegmente hinweg erhöht.

Trotz Annäherung vieles im Argen

Auf Versichererseite wurde die Kritik gehört. Zahlreiche Gespräche führten zu Commitments auf allen Seiten. Viele Verträge wurden mittlerweile saniert, sodass es bei neuen Verhandlungen weniger Zündstoff gab. Die Voraussetzungen für die Rückkehr zur gewohnten Zusammenarbeit war geschaffen. Doch noch vieles scheint im Argen zu liegen.

Die großen Sorgenkinder: D&O und Cyber

Schuld an der Situation sind – nicht nur, aber insbesondere auch – sowohl die D&O-Versicherung als auch die Cyberversicherung. Kaum eine andere Sparte hat eine solche Marktverhärtung erfahren wie die D&O-Versicherung. Die Versicherer lockten in einem intensiven Wettbewerb lange mit günstigen Prämien oder Deckungserweiterungen. Doch die Schadenquoten sind stark gestiegen, was zu Verlusten bei den Versicherern führte. Nun ist es für Unternehmenslenker und Manager deutlich schwieriger, eine D&O-Versicherung zu bekommen. Und wenn es gelingt, ist sie wesentlich teurer als zuvor. Und der sogenannte „Corona-Aufschlag“ und die Angst vor weiteren Schäden infolge der Pandemie stoßen auf wenig Gegenliebe.

Nicht übersehbar sind auch die steigenden Cyberschäden. Kaum mehr ein Tag, an dem nicht von einem Cyberangriff berichtet wird. Aufgrund der Schadenerfahrungen werden Cyberrisiken deutlich zurückhaltender gezeichnet. Und wenn Risiken gezeichnet werden, passiert dies nur auf Basis geeigneter Präventionsmaßnahmen aufseiten der Kunden. Diese ärgert es aber insbesondere, dass es noch nicht lange her ist, dass Versicherer und Versicherungsmakler sie mit dem Cyberschutz umworben haben und jetzt keine ausreichenden Kapazitäten mehr zur Verfügung gestellt werden. Und auch in der Cybersparte spielt die Corona-Pandemie eine Rolle. Der Weg ins Home-Office hat noch einmal mehr Hackern Türen und Tore geöffnet.

Kumulrisiken: Ein Ereignis – viele Schäden

Was die Versicherungswelt beschäftigt, ist, dass sich ein Cyberangriff wie ein Lauffeuer ausbreitet. Mit einer Schadsoftware kann eine Vielzahl von Unternehmen lahmgelegt werden. Versicherer fürchten, dass sie auf Dauer solche Kumulrisiken nicht stemmen können. Nur: „Kein Schutz“ kann für Industriekunden auch keine Lösung sein.

Cyber ist hier nicht das einzige Problem. Pandemien, Klimawandel, Terror und auch Ressourcenmangel sind weitere Herausforderungen. Experten rechnen damit, dass man künftig deutlich mehr Betriebs­unterbrechungen sehen wird.

Herausforderung global vernetzte Wirtschaft

In einer global vernetzten Wirtschaft bleibt eine Energiekrise oder ein Containerstau in China in der deutschen Industrie nicht ohne Folgen. Zudem schreitet die Entwicklung neuer Technologien rasant voran. Der Klimawandel zwingt Unternehmen ebenfalls zum Handeln. Die Risiken werden mehr. Insofern benötigt es gerade jetzt ein funktionierendes Dreieck zwischen Wirtschaft, Versicherern und Maklern. Vielleicht braucht es aber auch ein Viereck: An der ein oder anderen Stelle muss wohl der Staat ins Boot geholt werden. (bh)

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