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17. Juli 2020
Krankenkasse muss Tätowierer bezahlen

Krankenkasse muss Tätowierer bezahlen

Eine Krankenkasse muss die Kosten für eine Tätowierung übernehmen, wenn sie Teil einer Rekonstruktion nach einer Brust-OP ist. Sie darf ihre Leistung zwar einschränken, aber muss dafür Fristen einhalten, andernfalls greift die Genehmigungsfiktion. Das geht aus einem Urteil des bayerischen LSG hervor.

Eine Krankenkasse übernimmt üblicherweise weder die Kosten für eine Tätowierung noch für die Entfernung eines Tattoos. Doch wie sieht es aus, wenn es um die Rekonstruktion einer weiblichen Brust geht, bei der eine Tätowierung die beste Methode zur optischen Wiederherstellung der Brustwarze und des Warzenvorhofs darstellt? Darüber musste das Landessozialgericht (LSG) Bayern in einem aktuellen Fall urteilen. Doch der Fall lag noch komplizierter.

Tätowierer soll optischen Zustand wiederherstellen

Eine Frau musste im Jahre 2015 aufgrund eines Mammakarzinoms operiert werden. Nach der Entfernung des Tumors, fand ein Wiederaufbau der Brust statt. Nur die Färbung der Haut passte noch nicht zu einer normal aussehenden Brust. Aus diesem Grund wollte die Frau einen Tätowierer beauftragen, damit dieser die optische Rekonstruktion der Brustwarze sowie des Warzenvorhofs abschließt.

Krankenkasse lehnt Antrag nach zwei Monaten ab

2017 beantragte die Frau die Kostenübernahme durch ihre Krankenkasse und legte einen Kostenvoranschlag des Tätowierers vor. Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme ab – jedoch erst zwei Monate später.

Kostenübernahme nur bei Tätowierung durch Arzt

In dem Schreiben über die Ablehnung teilte die Krankenkasse auch mit, dass sie die Kosten für die Behandlung übernähmen, wenn die Frau sich von einem Vertragsarzt oder in einem Krankenhaus tätowieren lassen würde. Die Frau ließ die Pigmentierung ihrer Brust dennoch von dem Tätowierer vornehmen und verlangte weiterhin die Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Die blieb jedoch bei ihrer Verweigerung, woraufhin die Frau gegen ihren Krankenversicherer klagte.

Genehmigungsfiktion greift

Vor dem Sozialgericht war ihr kein Erfolg beschieden, doch vor dem Landessozialgericht in München sah das anders aus. Das bayerische LSG urteilte, hier müsse von einer Genehmigungsfiktion ausgegangen werden. Die Krankenkasse wäre verpflichtet gewesen, sich innerhalb von drei Wochen zum Antrag auf Kostenübernahme zu äußern. Wäre noch ein ärztliches Gutachten ausgestanden, hätte sich diese Frist auf fünf Wochen erweitert. Die Krankenkasse habe jedoch beide Fristen zweifellos versäumt.

Rechtsprechung rund um Genehmigungsfiktion im Umbruch

Die Genehmigungsfiktion heißt jedoch nicht, dass alles, worauf die Krankenkasse nicht geantwortet hat, unwiderruflich genehmigt ist und bezahlt werden muss. Vielmehr hat das Bundessozialgericht vor kurzem geurteilt, bei der Genehmigungsfiktion handele es sich lediglich um ein Versprechen, dass der Versicherte nicht auf den Kosten der Selbstbeschaffung sitzenbleiben dürfe. Damit änderte es seine eigene gängige Rechtsprechung ab (AssCompact berichtete). Bei Medikamenten kann das folglich bedeuten, dass zwar die Selbstbeschaffung übernommen werden muss, aber ein anschließender Bescheid dennoch die zukünftige Leistung versagt – auf unbegrenzte Zeit.

Tätowierung liegt nicht (offensichtlich) außerhalb des Leistungskatalogs

Im Fall der tätowierten Frau führt die Genehmigungsfiktion jedoch dazu, dass die Krankenkasse die Kosten übernehmen muss. Die Tätowierung liege nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Krankenkasse, entschied das Gericht. Das werde schon allein durch den Umstand offenbar, dass die Leistung übernommen worden wäre, wenn sie durch einen Vertragsarzt oder ein Krankenhaus erfolgt wäre. Die Frau durfte von Kostenübernahme durch die Krankenkasse ausgehen. Die Behandlung durch den Tätowierer muss in vollem Umfang von der Krankenkasse übernommen werden. (tku)

LSG Bayern, Urteil vom 27.02.2020, Az.: L 20 KR 106/19

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