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8. Dezember 2022
LegalTech: Chance oder Gefahr für den Rechtsschutzmarkt?

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LegalTech: Chance oder Gefahr für den Rechtsschutzmarkt?

Am Ende gilt auch bei LegalTech, dass sich die Dienstleistung ökonomisch tragen muss. Wie finanziert sich eine LegalTech-Kanzlei?

PH Im LegalTech-Bereich dominiert die Prozessfinanzierungskomponente – also eine „No win, no fee“-Finanzierung. Wenn man vor Gericht verliert, trägt der LegalTech-Anbieter alle Kosten der Kläger. Im Erfolgsfall bekommt der Prozess­finanzierer dafür einen prozentualen Anteil am durchgesetzten Anspruch. Interessengerichtet ist dieses Modell vor allem bei Ansprüchen aufgrund von Unannehmlichkeiten wie bei mehrstündigen Verspätungen eines Fluges. Dieses Modell entspricht aber nicht immer der Interessenlage. Beim Abgasskandal hat das auch für nicht Rechtsschutzversicherte sehr gut funktioniert. Bei einem Verkehrsunfall braucht der Kunde hingegen das Geld für die Reparatur des Autos und kann/will nichts von seinem Schadenersatzanspruch abgeben.

Mit Blick auf die Rechtsschutzversicherer: Wie wichtig wird LegalTech für die Anbieter von Rechtsschutz?

PE Allein durch die Vervielfachung der Datenmengen weltweit werden wir immer mehr in Datenkonstellationen leben und handeln. Das gilt auch für uns Rechtsschutzversicherer. Es ist also zwangsläufig, dass es für Versicherer eine Nähe zu LegalTech braucht. LegalTech wird auch Teil unseres Geschäftsmodelles werden. Umgekehrt sind die Rechtsschutzversicherer die großen Enabler des LegalTech-Marktes in Deutschland und bleiben zudem wichtig für den Zugang zum Recht. Denn die Versicherer haben eine Vielzahl von Mandaten und finanzieren hinter diesen stehende Anwaltshonorare, die den LegalTech-Kanzleien abseits von der Finanzierung durch Venture-Capital-Geber Geschäft zukommen lassen.

PH LegalTech-Anbieter haben im Fall einer Kooperation mit einer Rechtsschutzversicherung einen einfacheren Zugang zur rechtsschutzversicherten Person, wodurch geringere Marketing-Kosten entstehen. Diesen Kostenvorteil kann der LegalTech-Anbieter an den Versicherer weitergeben und dieser wiederum bei den Endprodukten an die Kunden. Weitergedacht erzielen Rechtsschutzversicherer also durch Kooperationen mit LegalTech-Kanzleien Kostenvorteile.

Auch Rechtsschutzpolicen helfen Menschen bei der Rechtsdurchsetzung. Steht LegalTech in Konkurrenz mit diesem Versicherungsschutz?

PE Aus meiner Sicht sollte es ein Nebeneinander von verschiedenen Möglichkeiten, Rechtsbedarf zu bedienen, geben. Die Rechtsschutzversicherung mit ihrer breiten Abdeckung und nicht auf Erfolgsaussicht ausgerichteten Sichtweise wird ein relevanter Player bleiben, weil sie vor allem dann eintritt, wenn die Chancen gering und die Not groß sind. Sie fragt nicht nach Skalierbarkeit oder Standardisierung. LegalTech wiederum wird ein relevanter Player, weil es marktgerecht und kostenbewusst Zugang zum Recht ermöglicht. Es wird mit seinen Angeboten aber auch integraler Bestandteil der Rechtsschutzservices sein.

PH Ich sehe LegalTech nicht zwangsläufig als Wettbewerber, sondern vielmehr eine Koexistenz von beiden Angeboten auf dem Markt. Meinem privaten Umfeld empfehle ich bei einer entsprechenden Interessenlage durchaus eine Rechtsschutzpolice, weil man damit in wichtigen Bereichen wie Verkehrs-, Arbeits- oder auch Mietrecht sehr gut abgesichert ist. In einzelnen Sparten wiederum gibt die Prozessfinanzierungskomponente, wie sie LegalTech eben verfolgt, wirtschaftlich mehr Sinn.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 12/2022, S. 48 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Philipp Eder, Allianz Rechtsschutz Service GmbH, und Dr. Philipp Hammerich, rightmart; Tierney – stock.adobe.com

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Ein Interview mit
Philipp Eder
Dr. Philipp Hammerich