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8. September 2025
Mit Pools und Verbünden die KI-Challenge meistern
Mit Pools und Verbünden die KI-Challenge meistern

Mit Pools und Verbünden die KI-Challenge meistern

Künstliche Intelligenz (KI) gilt als Gamechanger im Versicherungsvertrieb – Stichwort Effizienz. Doch damit Makler die Potenziale von KI voll ausschöpfen können, müssen sie neue Pflichten und Regeln beachten. Unterstützung erhalten Vermittler dabei von Maklerpools und Dienstleistern ebenso wie von Verbänden.

Ein Artikel von Norman Wirth, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Geschäftsführender Vorstand des Bundes­verband Finanzdienstleistung AfW

Künstliche Intelligenz kann Prozesse automatisieren, Daten auswerten und personalisierte Empfehlungen geben – Aufgaben, für die früher ganze Teams Stunden und Tage brauchten. Innerhalb kürzester Zeit können KI-Systeme Dokumente analysieren, Schäden klassifizieren oder passende Tarife vergleichen. Für Versicherungsmakler birgt dies enormes Potenzial: mehr Effizienz, schnellere Abläufe und neue Vertriebschancen. Kein Wunder, dass über 70% der Makler KI eher als Chance denn als Bedrohung sehen, um ihre Arbeit zu verbessern – so das Ergebnis des 16. AfW-Vermittlerbarometers, der größten jährlichen Maklerumfrage. Gerade jüngere Maklerinnen und Makler zeigen großes Interesse an digitalen und KI-basierten Lösungen für Beratung und Kundenservice. Keine Überraschung.

Macht KI den Menschen überflüssig?

Allerdings werfen diese Entwicklungen Fragen auf. Wenn KI so viele Aufgaben übernimmt – wozu dann noch der Mensch? Die Antwort ist klar: Genau das, was einen guten Makler ausmacht, bleibt unersetzlich. Empathie, Vertrauen und Expertise lassen sich nicht digitalisieren. KI kann Routine- und Recherche­arbeiten abnehmen und so mehr Freiraum für das zwischenmenschliche Beratungsgespräch schaffen. Oder um es mit dem Marken- und Kommunikationsstrategen Frank Dopheide zu sagen: „Die KI macht die Arbeit. Der Mensch macht den Unterschied.“ Die Technik wird zur Assistenz, nicht zum Ersatz. Doch damit KI wirklich und trotzdem zum Gamechanger wird, müssen Makler neue Pflichten und Regeln beachten. Insbesondere die europäischen Vorgaben – von der KI-Verordnung bis zur DSGVO – setzen klare Rahmenbedingungen.

Europäische Vorgaben: 1. AI Act

Die EU schafft derzeit einen regulatorischen Ordnungsrahmen für KI. Mit der KI-Verordnung (EU AI Act) entsteht ab 2025 das weltweit erste umfassende KI-Gesetz. Es soll sicherstellen, dass künstliche Intelligenz im Einklang mit europäischen Werten entwickelt und eingesetzt wird. Hohe Risikoanwendungen (z. B. KI-Systeme zur Kreditwürdigkeitsprüfung oder medizinischen Diagnostik) unterliegen künftig strengen Auflagen – von Transparenz- und Dokumentationspflichten bis hin zu Risikoanalysen. Für Versicherungsvermittler bedeutet das konkret: Wer KI beruflich einsetzt, muss ab sofort genau hinsehen, ob die genutzten Systeme AI-Act-konform sind. Bloßes Vertrauen genügt nicht – gründliche Prüfungen der KI-Tools auf Zulässigkeit und Datensicherheit sind erforderlich.

2. DSGVO

Neben dem AI Act bleibt die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) das Maß aller Dinge für den Umgang mit personenbezogenen Daten. Sie gilt uneingeschränkt auch bei KI-Lösungen: Sobald ein KI-System Personendaten verarbeitet, müssen sämtliche DSGVO-Vorgaben eingehalten werden. Das heißt unter anderem Datenminimierung, Zweckbindung, Einwilligungen oder berechtigte Interessen prüfen. In der Praxis treten die Informationspflichten der DSGVO dabei neben neue Informationspflichten des KI-Acts – Kunden sind etwa zu informieren, wenn KI in Beratung oder Entscheidungsfindung zum Einsatz kommt.

Auch darf keine vollständig automatisierte Entscheidung ohne menschliches Votum erfolgen, sofern nicht eine Ausnahme nach Art. 22 DSGVO greift. Versicherungsmakler stehen somit vor der Aufgabe, KI-Tools datenschutzkonform zu integrieren. Seit dem 02.02.2025 sind sie sogar verpflichtet, über ausreichende KI-Kompetenz zu verfügen, wenn sie KI beruflich nutzen.

3. FiDA

Parallel bereitet die EU mit FiDA (Financial Data Access) eine weitere Regulierung vor, die Datenzugang und -teilung im Finanzsektor erleichtern soll. FiDA zielt darauf ab, dass Verbraucher ihre Finanz- und Versicherungsdaten einfacher kontrollieren und zwischen Dienstleistern teilen lassen können – also wie Open Banking nach PSD2, nur besser. Standardisierte Schnittstellen könnten Datensilos aufbrechen und neue Datenflüsse ermöglichen. Es eröffnen sich dadurch größere Chancen, Daten für Analysen zu nutzen, Risiken genauer zu bewerten und Angebote besser zu erstellen. Allerdings steigen zugleich die Anforderungen an Datensicherheit und Qualität. Große Mengen sensibler Finanzdaten verlangen höchste Schutzmaßnahmen, andernfalls drohen Vertrauensverluste durch Datenlecks. FiDA wird zudem flankiert von strengen Sanktionsandrohungen. Noch werden die Details zu FiDA in Brüssel heiß diskutiert. Im Laufe des Jahres könnte aber schon mehr Klarheit in konkrete Inhalte und den zeitlichen Rahmen der Umsetzung kommen. Makler sollten FiDA im Blick behalten: In Zukunft könnten Kunden ihnen gezielt Zugriff auf Versicherungs- und Finanzdaten gewähren, was Beratung und KI-Auswertungen erleichtert. Umso wichtiger ist, dass Vermittler Transparenz und Datenschutz ernst nehmen. Eines gilt bei allen europäischen Regeln: Compliance ist keine Kür, sondern Pflicht – aber richtig umgesetzt kann sie zum Wettbewerbsvorteil werden.

Zentrale Daten: Vorteil für Banken, AO und InsurTechs?

Innovative KI-Lösungen brauchen vor allem eines: Daten. Je umfangreicher und zentraler die Datenbasis, desto leistungsfähiger die KI. Genau hier liegen andere Vertriebswege im Vorteil: Versicherungsvertreter großer Gesellschaften, Bankvertriebe oder InsurTechs arbeiten meist mit zentralisierten Kundendaten. Alle Kundeninformationen fließen in eine gemeinsame Datenbank, aus der KI-Algorithmen sofort Muster und tiefer gehende Erkenntnisse über einzelne Kunden oder Zielgruppen ziehen können. Entsprechend sofort produktiv lassen sich KI-Anwendungen in solche Umgebungen integrieren – vom Chatbot im Kundenservice bis zum automatisierten Cross-Selling-System.

Und die Makler?

Unabhängige Makler haben demgegenüber eine fragmentierte Datenlage. Viele Einzelmakler nutzen Maklerverwaltungsprogramme – schlimmstenfalls sogar mehr als eines –, Excel-Listen oder haben Daten in verschiedenen Pool- und Versichererportalen verteilt. Makler, die mit zahlreichen Direktanbindungen und Pools zusammenarbeiten, sehen sich komplexen digitalen Herausforderungen gegenüber. Ein einheitlicher Datenpool fehlt oft. KI ist aber datenabhängig und benötigt qualitativ hochwertige Daten, um gute Ergebnisse zu erzielen. Ohne eine gute und große Datenbasis sind KI-Erkenntnisse limitiert. Hinzu kommt: Die Entwicklung eigener KI-Systeme erfordert immenses IT-Know-how und hohe Investitionen. Diese strukturellen Nachteile können dazu führen, dass Einzelkämpfer ins Hintertreffen geraten, während große Markt­akteure mit zentralen Daten und mächtigen Budgets davonziehen.

Mit Pools und Verbünden das Thema KI angehen

Die gute Nachricht: Makler müssen den KI-Pfad nicht allein beschreiten. Maklerpools und Verbünde haben die Zeichen der Zeit erkannt und bieten ihren Partnern vermehrt KI-gestützte Tools an. Dadurch lässt sich die Lücke zu den klassischen, datenzentrierten Vertriebswegen schließen. Beispiele aus der Praxis zeigen, wie Pools ihre Makler bei KI unterstützen:

Zentrale Datenplattformen: Einige Pools konsolidieren Bestands- und Kundendaten ihrer Makler in gemeinsamen Systemen. So betreibt ein Pool eine KI, die täglich die Bestandsdaten der angebundenen Makler (in Kopie) in eine KI-Datenbank importiert und auswertet. Daraus werden automatische Produktangebote generieret und der optimale Zeitpunkt für Kundenansprache erkannt. Wichtig: Die Kundendaten bleiben geschützt – diese KI arbeitet vollständig verschlüsselt und pseudonymisiert und ist nach eigenen Angaben „100% DSGVO-konform“ entwickelt. Dieses Beispiel zeigt, dass ein Makler über den Verbund sofort von KI profitieren kann, ohne selbst IT-Investitionen zu schultern.

Digitale Assistenten und Prozesse: Ein weiterer Marktteilnehmer hat ein KI-Tool, das auf die Wissensdatenbank des Pools zugreift und Vermittlern bei Fachfragen schnelle Antworten liefert.

Andere Pools setzen auf Automatisierung: So wird von einem großen Player eine KI-Anwendung angekündigt, die E-Mails automatisch klassifiziert, Dokumente analysiert und Kundenkommunikation erleichtert.

Solche Lösungen nehmen Maklern Routinearbeiten ab – Policenpflege, Terminvereinbarung, Schaden-Erstmeldung – und sparen immens Zeit. Automatisierte Bestands­analysen identifizieren Cross-Selling-Potenziale, ohne dass der Makler jeden Vertrag manuell prüfen muss.

Orientierungshilfe zur KI-Verordnung

Der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung hat im März 2025 eine „Orientierungshilfe zur KI-Verordnung“ veröffentlicht, um Datenschutz und KI-Regeln greifbar zu machen. Er hat zudem in Ergänzung dazu im Sommer einen Praxisleitfaden „KI-Governance für unabhängige Vermittlerunternehmen“ für seine Mitglieder veröffentlicht, um eine erste Orientierung beim Einsatz von KI-Systemen zu geben.

In Sachen KI auf der sicheren Seite

In Zusammenarbeit mit Pools, Verbünden und mit einem engagierten Verband wie dem AfW können Makler sicherstellen, dass ihre KI-Tools geprüft, DSGVO- und AI-Act-konform sind – und dass sie selbst über das nötige Know-how verfügen, um KI verantwortungsvoll einzusetzen.

Die Synergie mit Pools und Verbünden wird es also auch kleineren Maklerunternehmen ermöglichen, KI sofort und compliant einzusetzen. Gemeinsam verfügen sie über eine breitere Datenbasis und geteilte Ressourcen, wodurch innovative Lösungen wirtschaftlich tragfähig werden. Die Pools und Verbünde stellen die technische Infrastruktur, kümmern sich um Datenschutzkonzepte und holen gegebenenfalls externe Expertise hinzu – der einzelne Makler kann sich darauf konzentrieren, den Output der KI im Sinne seiner Kunden zu nutzen. Wichtig bleibt, dass der Makler die Kontrolle behält: Er entscheidet letztlich, welche Empfehlungen der KI umgesetzt werden. Moderne KI-Systeme für Makler setzen deshalb auf Explainable AI, die ihre Vorschläge begründet, sodass der Vermittler sie nachvollziehen und dem Kunden transparent erläutern kann. So bleibt die Entscheidungshoheit beim Menschen – genau dort, wo sie hingehört.

Fazit: Regulierung als Chance für zukunftsfähige Makler

KI im Maklermarkt ist gekommen, um zu bleiben – doch sie entfaltet ihre positive Wirkung nur bei bewusstem Einsatz im zulässigen Rahmen. Einzelkämpfer im Maklergeschäft werden es kaum schaffen, alle technologischen und regulatorischen Anforderungen allein zu stemmen. Jedenfalls werden sie schwerlich die Möglichkeiten nutzen können, die sie benötigen würden, um im Wettbewerb zu bestehen. Die europäischen Regeln (KI-Verordnung, DSGVO, FiDA etc.) mögen auf den ersten Blick wie Bürden wirken, sind aber wichtige Leitplanken, um Vertrauen in KI-Lösungen zu sichern. Wer diese Vorgaben einhält, vermeidet rechtliche Stolperfallen und stärkt zugleich das Vertrauen der Kunden.

Von der Symbiose mit KI profitieren

In Pools und Verbünden finden Makler die nötige Unterstützung, um aus der Pflicht und Notwendigkeit eine Kür zu machen: Gemeinsam lassen sich KI-Innovationen schneller und sicherer integrieren, zum Nutzen der Kunden. Denn am Ende gewinnen alle, wenn mensch­liche Beratungskompetenz und künstliche Intelligenz eine Symbiose eingehen. Makler, die die Chancen der KI nutzen und sich dabei mit guten Partnern vernetzen, die ihnen das notwendige Werkzeug an die Hand geben, werden auch in einer datengetriebenen Zukunft erfolgreich bleiben.

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Ein Artikel von
Norman Wirth